Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsetzung der tariflichen Verkürzung der Arbeitszeit

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2; AZO § 2 Abs. 1; JArbSchG § 4 Abs. 1; MTV für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie in der ab 1. Mai geltenden Fassung, 2 Ziff. 2

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Beschluss vom 15.06.1988; Aktenzeichen 8 TaBV 3/87)

ArbG Nürnberg (Beschluss vom 18.03.1987; Aktenzeichen 7 BV 101/86)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 15. Juni 1988 – 8 TaBV 3/87 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Arbeitgeber und Betriebsrat streiten darüber, ob dem Betriebsrat anläßlich der tariflichen Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 38,5 Stunden ein Mitbestimmungsrecht bei der Neuverteilung der Arbeitszeit auch im Drei-Schicht-Betrieb zusteht.

Der für den Betrieb des Arbeitgebers geltende Manteltarifvertrag in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie (MTV) vom 24. April 1986, gültig ab 1. Mai 1986, verkürzt nach § 2 Ziffer 1 die bisherige regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden ab 1. November 1986 auf 38,5 Stunden.

§ 2 Ziffer 2 MTV lautet:

„Die durch die Verkürzung der Wochenarbeitszeit ab 1.11.86 entstehende Freizeit auf der Basis einer Quartals-, Halbjahres- oder Jahresplanung, die in Betrieben mit Betriebsrat jeweils rechtzeitig durch Betriebsvereinbarung zu regeln ist, ist wie folgt zu verteilen:

  1. Verteilung in der Woche (38,5 Stunden pro Woche) oder
  2. bezahlte Freistellung in Stunden, verteilt auf die Arbeitswochen des Quartals, Halbjahres oder Jahres oder
  3. bezahlte Freistellung in Tagen, verteilt auf die Arbeitswochen des Quartals, Halbjahres oder Jahres oder
  4. Kombination aus b) bis c).

Bei den Alternativen b) bis d) sind die Auftragslage und die Beschäftigungssituation des Betriebes vorrangig zu berücksichtigen.

Bei Alternative c) sind als bezahlte Freistellung je Kalenderjahr 9 freie Tage zugrunde zu legen. Diese Tage sind innerhalb eines Jahres abzunehmen, anderenfalls verfallen sie. Fällt einer dieser freien Tage mit Zeiten einer Krankheit oder einer Abwesenheit aus sonstigen Gründen (z.B. § 10) zusammen, so ist er verbraucht. Fällt einer dieser freien Tage mit Zeiten des Tarifurlaubs zusammen, so verlängert sich der Tarifurlaub entsprechend.”

Am 18. August 1978 und am 5. November 1985 hatten Arbeitgeber und Betriebsrat gleichlautende Betriebsvereinbarungen über Arbeitszeit gemäß § 24 AZO, §§ 54, 56 JArbSchG geschlossen. Danach betrug die tägliche Arbeitszeit in der Normalschicht montags bis donnerstags 8 1/4 Stunden und freitags 7 Stunden, wöchentlich 40 Stunden, im Zwei-Schicht-Betrieb betrug die tägliche Arbeitszeit sowohl in der Früh- wie in der Spätschicht an fünf Tagen 8 Stunden, so daß ebenfalls eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden erreicht wurde. Für den Drei-Schicht-Betrieb wurde geregelt:

„Frühschicht: Tägliche Wöchentliche –––––– Arbeits-Std. Arbeits-Std. –––––– ––––––

Montag bis Freitag von 8 1/2 42 1/2 5.45 – 14.15

Spätschicht: ––––––

Montag bis Freitag von 8 1/2 42 1/2 14.15 – 22.45

Nachtschicht: –––––– Montag bis Freitag von 7.00 35.00” 22.45 – 5.45

Außerdem wurde für den Drei-Schicht-Betrieb geregelt:

„Für den 3-Schichtbetrieb werden grundsätzlich jeweils 8 Stunden in die Stempelkarte eingetragen.”

Zwischen den Beteiligten ist es unstreitig, daß die Maschinen in der Normalschicht und im Zwei-Schicht-Betrieb während der Pausen stillstanden, während sie im Drei-Schicht-Betrieb während der Pausen durchliefen.

Entsprechend den tariflichen Vorgaben in § 2 MTV schlossen die Beteiligten am 23. Oktober 1986 eine Betriebsvereinbarung über die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit und realisierten die Arbeitszeitverkürzung für die Mitarbeiter im Ein– Schicht-, Zweier-Wechsel-Schicht- und Tag-Schicht-Betrieb durch neun frei Tage gemäß § 2 Ziffer 2 Alternative c) MTV. Für den Drei-Schicht-Betrieb konnten sich die Beteiligten über die vom Betriebsrat ebenfalls geforderten neun freien Tage nicht einigen. Diese Frage wurde daraufhin zurückgestellt und vorgesehen, die Angelegenheit gerichtlich klären zu lassen.

Der Arbeitgeber lehnt zusätzliche freie Tage für die im Drei-Schicht-Betrieb eingesetzten Arbeitnehmer mit der Begründung ab, er habe hier vor der Arbeitszeitverkürzung 1986 auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 18. August 1978 bereits durchschnittlich wöchentlich 2,5 Stunden ohne Arbeitsleistung, also freiwillig bezahlt. Im Drei-Schicht-Betrieb sei nämlich in der Frühschicht arbeitstäglich acht Stunden bei einer Anwesenheit von 5.45 Uhr bis 14.15 Uhr und in der Spätschicht acht Stunden bei einer Anwesenheit von 14.15 Uhr bis 22.45 Uhr gearbeitet worden. In der Nachtschicht seien die Mitarbeiter von 22.45 Uhr bis 5.45 Uhr im Betrieb anwesend gewesen, hätten aber nur 6,5 Stunden gearbeitet. Effektiv gearbeitet worden seien im Drei– Schicht-Betrieb bislang im Drei-Wochen-Rhythmus lediglich 112,5 Stunden, nämlich zweimal 40 Stunden und einmal 32,5 Stunden, so daß sich für den Arbeitgeber ein Potential von 7,5 Stunden ergebe, das er mit der tarifvertraglichen Arbeitszeitverkürzung auf 38,5 Stunden verrechnen will. Die Arbeitszeitangaben in den Betriebsvereinbarungen von 1978 und 1985 für den Drei-Schicht-Betrieb seien lediglich mißverständlich formuliert, die Zeiten bezögen sich nicht auf die Arbeitszeiten der Mitarbeiter, sondern auf Zeiten ihrer betrieblichen Anwesenheit.

Auch die Protokollnotiz (Anhang D) zu § 2 Ziffer 1 (Arbeitszeit) des MTV, wonach „bezahlte Pausen, die Arbeitnehmern in Drei-Schicht-Betrieben im Rahmen der tariflichen regelmäßigen Wochenarbeitszeit bisher gewährt worden sind, mit der Arbeitszeitverkürzung auf 38,5 Stunden nicht verrechnet werden”, könne zu keinem anderen Ergebnis führen: Einmal sei diese Protokollnotiz gar nicht einschlägig, weil im Betrieb N es nicht um bezahlte Pausen im Rahmen der tariflichen regelmäßigen Wochenarbeitszeit gehe. Im übrigen sei die Protokollnotiz eine unzulässige Effektivklausel.

Der Arbeitgeber hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats für die Vereinbarung von Freistellungstagen für die gewerblichen Arbeitnehmer gemäß Ziffer 3.123 der Betriebsvereinbarung vom 23. Oktober 1986 nicht besteht.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag des Arbeitgebers abzuweisen.

Zur Begründung hat der Betriebsrat vorgetragen, aus den Betriebsvereinbarungen von 1978 und 1985 ergebe sich, daß die Arbeitnehmer in der Früh- und Spätschicht 8,5 Stunden und in der Nachtschicht 7 Stunden täglich gearbeitet hätten. Der Vergleich mit den Arbeitszeitregelungen für die Normalschicht und den Zwei-Schicht-Betrieb zeige, daß nur im Drei-Schicht-Betrieb die Pausen zum Bestandteil der täglichen Arbeitszeit gemacht worden seien. Dies sei deshalb geschehen, weil im Gegensatz zum Ein- und Zwei-Schicht-Betrieb im Drei-Schicht-Betrieb die Maschinen auch während der Pausen durchgelaufen seien und die Arbeitnehmer sich hätten in Arbeitsbereitschaft halten müssen, damit der Durchlaufbetrieb sichergestellt werde. Den Arbeitnehmern seien also nicht 5 Stunden zusätzlich gezahlt worden. Vielmehr hätten sie im Rhythmus von drei Wochen die tarifliche Arbeitszeit von 40 Wochenstunden eingehalten. Deshalb sei die Protokollnotiz zu § 2 Ziffer 1 (Arbeitszeit) einschlägig. Diese beinhalte keine unzulässige Effektivklausel, sondern sei nur eine zulässige Berechnungsgrundlage für die Auswirkung der Arbeitszeitverkürzung.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitgeber seinen vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Antrag weiter, während der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet.

I. Der Antrag des Arbeitgebers ist zulässig. Insbesondere ist das erforderliche Rechtsschutzinteresse für den Feststellungsantrag gegeben, da die Beteiligten darüber streiten, ob der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hat, mit dem er gemäß § 2 Ziffer 2 Alternative c) MTV die Vereinbarung von neun Freistellungstagen erzwingen kann. Die begehrte Feststellung ist auch geeignet, die zwischen den Beteiligten streitige Frage zu klären.

II. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, der Antrag des Arbeitgebers sei nicht begründet.

1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage.

Vorliegend ist nach § 2 Ziffer 1 MTV die wöchentliche Arbeitszeit von 40 auf 38,5 Stunden verkürzt worden. Aus diesem Grunde ist eine neue Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage im Betrieb des Arbeitgebers erforderlich geworden, so daß ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats grundsätzlich besteht.

Dieses Mitbestimmungsrecht ist auch nicht nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ausgeschlossen, da zwar § 2 Ziffer 2 MTV Vorgaben für die Verteilung der durch die Verkürzung der Wochenarbeitszeit entstehenden zusätzlichen Freizeit gibt, jedoch ausdrücklich darauf verweist, daß die Festlegung der durch die Verkürzung der Wochenarbeitszeit entstehenden Freizeit durch Betriebsvereinbarung zu regeln ist. Der Betriebsrat hält sich auch bei seinem Regelungsbegehren innerhalb der tarifvertraglichen Vorgaben, denn er erstrebt für die Arbeitnehmer im Drei-Schicht– Betrieb ebenso wie für die anderen Arbeitnehmer eine bezahlte Freistellung in Tagen entsprechend § 2 Ziffer 2 c) MTV. Bei dieser Alternative ist tarifvertraglich festgesetzt, daß als bezahlte Freistellung je Kalenderjahr neun freie Tage zugrunde zu legen sind.

2. Begründet wäre der Antrag des Arbeitgebers daher nur, wenn im Drei-Schicht-Betrieb im Betrieb N die Arbeitszeit bisher schon nicht mehr als 38,5 Stunden betragen hätte. Dies ist, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, jedoch nicht der Fall.

a) Vor Inkrafttreten des Manteltarifvertrages vom 24. April 1986 hatten Arbeitgeber und Betriebsrat die Arbeitszeit geregelt in den Betriebsvereinbarungen von 1978 und 1985. Dementsprechend ist das Landesarbeitsgericht bei seinen Überlegungen, welche Arbeitszeit für den Drei-Schicht-Betrieb im Betrieb N galt, von diesen Betriebsvereinbarungen ausgegangen.

aa) Die Auslegung der Normen einer Betriebsvereinbarung hat – ebenso wie beim Tarifvertrag – nach den Regeln über die Auslegung von Gesetzen zu erfolgen. Es kommt also nicht nur auf den buchstäblichen Wortsinn, sondern auf den nach Treu und Glauben zu ermittelnden Sinn an, wobei der von den Betriebsverfassungsorganen verfolgte Zweck in erster Linie zu berücksichtigen ist, soweit er im Wortlaut Ausdruck gefunden hat. Raum für die Feststellung eines vom Wortlaut abweichenden Willens der Betriebspartner besteht nicht (BAGE 27, 187 = AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung; BAG Urteil vom 4. März 1982 – 6 AZR 594/79 – AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 8. November 1988 – 1 AZR 721/87 – zu II 2 a der Gründe, zur Veröffentlichung bestimmt).

bb) Die Betriebsvereinbarungen von 1978 und von 1985 regeln die Arbeitszeit gemäß § 24 AZO, §§ 54, 56 JArbSchG.

Dem Landesarbeitsgericht ist darin beizupflichten, bereits die diesen beiden Betriebsvereinbarungen voranstehende Bezugnahme auf § 24 AZO, §§ 54, 56 JArbSchG rechtfertige die Annahme, daß der von den Betriebspartnern bei der Abfassung der Betriebsvereinbarung verwandte Begriff der Arbeitszeit (Arbeitsstunde) so zu verstehen ist, wie er in den in Bezug genommenen Gesetzen (§ 2 Abs. 1 AZO, § 4 Abs. 1 JArbSchG) verwandt wird. Danach ist die tägliche Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der täglichen Beschäftigung ohne die Ruhepausen. Der Wortlaut beider Betriebsvereinbarungen ist auch nicht – wie der Arbeitgeber meint – mißverständlich oder unklar. Geregelt sind in den Betriebsvereinbarungen die täglichen Arbeitsstunden und die wöchentlichen Arbeitsstunden. In den Betriebsvereinbarungen werden entgegen der Auffassung des Arbeitgebers nicht nur die Zeiten der betrieblichen Anwesenheit oder gar der „Arbeitszeiten” der Maschinen geregelt. Beim Drei-Schicht-Betrieb wird in den Betriebsvereinbarungen 1978 und 1985 für die Frühschicht und die Spätschicht eine tägliche Arbeitszeit von 8,5 Stunden genannt, dementsprechend 42,5 Arbeitsstunden in der Woche, während in der Nachtschicht montags bis freitags 7 Arbeitsstunden, in der Woche also 35 Arbeitsstunden festgelegt sind. Damit ergibt sich aus den Betriebsvereinbarungen im Rhythmus von drei Wochen für den Drei-Schicht-Betrieb eine Arbeitszeit von 120 Stunden, also 40 Stunden in der Woche.

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, die von dem Arbeitgeber vertretene abweichende Auslegung solle nach seinen Vorstellungen nur für die Regelung des Drei-Schicht-Betriebes gelten. Dies würde bedeuten, daß nach seiner Auffassung die Betriebspartner in den beiden Betriebsvereinbarungen ohne irgendeinen Hinweis dem Begriff der Arbeitszeit unterschiedliche Bedeutungen für den Ein-Schicht- und den Zwei-Schicht-Betrieb einerseits und dem Drei-Schicht-Betrieb andererseits beigelegt hätten. Die Grundsätze der Auslegung von Betriebsvereinbarungen lassen eine solche Deutung nicht zu, da der Wortlaut der Betriebsvereinbarung für eine solche Auslegung nicht den geringsten Ansatzpunkt bietet. Vielmehr wird in beiden Betriebsvereinbarungen der Begriff der täglichen Arbeitsstunden und der wöchentlichen Arbeitsstunden nur einmal verwandt und dann die für die jeweilige Schicht zutreffenden Arbeitsstunden ausgeworfen. Daß die Arbeitnehmer im Drei-Schicht-Betrieb im Rhythmus von drei Wochen eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden erreichten, ergibt sich zusätzlich aus dem Vermerk in den beiden Betriebsvereinbarungen, daß für den Drei-Schicht-Betrieb grundsätzlich jeweils acht Stunden in die Stempelkarte eingetragen werden. Danach hat der Arbeitgeber sich auch verhalten.

b) Auffallend ist an den Betriebsvereinbarungen 1978 und 1985, daß für den Normal-Schicht- und den Zwei-Schicht-Betrieb die tägliche Arbeitszeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen errechnet wurde, während im Drei-Schicht-Betrieb die tägliche Arbeitszeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit errechnet wurde, ohne daß Pausen abgezogen wurden. Unstreitig gab und gibt es aber auch im Drei-Schicht-Betrieb Arbeitsunterbrechungen. Diese Arbeitsunterbrechungen oder Pausen hat der Arbeitgeber ausweislich der Betriebsvereinbarungen als Arbeitszeit bezahlt.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bestand für die Bezahlung der Arbeitsunterbrechungen im Drei-Schicht-Betrieb auch eine rechtliche Verpflichtung, denn bei den Ruhepausen im Drei-Schicht-Betrieb des Arbeitgebers handelt es sich im vorliegenden Falle nicht um Ruhepausen im Sinne der AZO. Das Bundesarbeitsgericht hat unter Rückgriff auf den natürlichen Sprachgebrauch Ruhepausen definiert als im voraus festliegende Unterbrechungen der Arbeitszeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereit zu halten braucht, sondern freie Verfügung darüber hat, wo und wie er diese Ruhezeit verbringen will. Entscheidendes Kriterium für die Pause ist die Freistellung des Arbeitnehmers von jeder Dienstverpflichtung und auch von jeder Verpflichtung, sich zum Dienst bereit zu halten (BAG Urteil vom 23. Juni 1988 – 6 AZR 137/86 – EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 24; BAGE 18, 223 = AP Nr. 2 zu § 13 AZO; BAG Urteil vom 28. September 1972 – 5 AZR 198/72 – AP Nr. 9 zu § 12 AZO; BAG Urteil vom 5. Mai 1988, BAGE 58, 243; ebenso Denecke/Neumann, AZO, 10. Aufl., § 12 Rz 17; Röhsler, AR-Blattei, D, Pausen und Ruhezeiten I Übersicht, D II 1).

Vorliegend sind die Arbeitnehmer im Drei-Schicht-Betrieb im Gegensatz zu denen im Ein-Schicht- bzw. Zwei-Schicht-Betrieb auch während der Arbeitsunterbrechung nicht von jeder Verpflichtung befreit, sich zum Dienst bereit zu halten. Während der Pausen im Ein-Schicht- und Zwei-Schicht-Betrieb werden im Betrieb N die Maschinen abgestellt. Die Arbeitnehmer sind von jeder Dienstleistung freigestellt, sie können frei darüber verfügen, wo und wie sie ihre Ruhezeit verbringen wollen. Dementsprechend haben sie echte Ruhepausen, die nicht zu bezahlen sind. Im Gegensatz dazu arbeiten die Arbeitnehmer im Drei-Schicht-Betrieb im sogenannten Durchlaufbetrieb, daß heißt, die Maschinen werden nicht abgestellt. Der Arbeitgeber hat nichts dafür vorgetragen, daß während der Arbeitsunterbrechungen die Arbeitnehmer das Betriebsgelände hätten verlassen dürfen und die Aufsicht über die laufenden Maschinen so organisiert gewesen wäre, daß Arbeitsbereitschaft nicht erforderlich gewesen wäre. Den Arbeitnehmern des Drei-Schicht-Betriebes waren echte Ruhepausen also nicht eingeräumt. Gerade deshalb haben die Betriebsparteien in den Betriebsvereinbarungen 1978 und 1985 zu Recht nur für den Drei– Schicht-Betrieb keine Ruhepausen in Ansatz gebracht und geregelt, daß die gesamte Zeit der betrieblichen Anwesenheit als Arbeitszeit angerechnet wird.

Hatten vorliegend die Arbeitnehmer im Drei-Schicht-Betrieb keine echten Ruhepausen und war deshalb ihre tägliche betriebliche Anwesenheit Arbeitszeit, so erreichte ihre Arbeitszeit – wie auch in der Betriebsvereinbarung ausgewiesen – im Rhythmus von drei Wochen 40 Stunden in der Woche. Aus diesem Grunde ist auch für die Arbeitnehmer im Drei-Schicht-Betrieb die Arbeitszeit von 40 Stunden auf 38,5 Stunden zu verkürzen. Bei der Verteilung der verkürzten Arbeitszeit hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitzubestimmen. Entsprechend den Vorgaben in § 2 Nr. 2 MTV hat er sich für eine bezahlte Freistellung in Tagen entscheiden können. Nach § 2 Nr. 2 letzter Absatz MTV beträgt die Freistellung 9 Tage im Jahr.

Dementsprechend haben die Vorinstanzen zu Recht entschieden, daß der Antrag des Arbeitgebers unbegründet ist, so daß die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen war.

Ob dieses Ergebnis auch der Protokollnotiz zu § 2 Ziffer 1 (Arbeitszeit) zum MTV zu entnehmen ist, hat dahingestellt bleiben können.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Matthes, Dr. Weller, Rösch, Hilgenberg

 

Fundstellen

Dokument-Index HI915963

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