Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmungspflichtige Einstellung bei Tätigkeit für Fremdunternehmen

 

Normenkette

BetrVG §§ 99, 101; AÜG §§ 1, 14

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Beschluss vom 03.09.1997; Aktenzeichen 9 (10/3) TaBV 67/96)

ArbG Bonn (Beschluss vom 21.08.1996; Aktenzeichen 4 BV 37/96)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 3. September 1997 – 9 (10/3) TaBV 67/96 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer mitbestimmungspflichtigen Einstellung.

Die Arbeitgeberin, die mehrere hundert Arbeitnehmer beschäftigt, betreibt ein Unternehmen der Datenverarbeitung. Sie gehört dem Konzernverbund der Versicherungsgruppe D. an, der seinerseits zum Konzern der De. gehört. Zu der Konzerngruppe D. gehört auch die B. GmbH.

Die Arbeitgeberin beschäftigte bis zum 31. März 1996 den Arbeitnehmer Eckardt S.. Dieser war tätig im sogenannten Bereich AVE (Allgemeine Verwaltung und Einkauf). Hierzu gehörten im wesentlichen die Arbeitsgebiete technische Hausverwaltung (einschließlich Reparaturen), Serviceleistungen (Geräte, Möbel, pp.), Entsorgung (Papier, Müll), Postverteilung (intern), Materialbeschaffung, Transporte, Umzüge. S. war beschäftigt vor allem mit Aufgaben der Zugangskontrolle.

Am 1. April 1996 traf die Arbeitgeberin mit der B. GmbH folgende mit „Vertrag über Ausgleichszahlungen” überschriebene Vereinbarung:

„Präambel

B. wird zum 1. April 1996 voraussichtlich im Rahmen eines Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB zusätzlich zu den bisher von ihr wahrgenommenen Aufgaben von dem Vertragspartner die Funktion AVE übernehmen. Im Rahmen dieses Betriebsüberganges gehen die Beschäftigungsverhältnisse folgender Mitarbeiter auf die B. über (Namensliste siehe Anlage). Die Mitarbeiter werden derzeit nach den geltenden Tarifverträgen für das Versicherungsgewerbe bezahlt; in dem abgeschlossenen Interessenausgleich für Bo. kann die Fortgeltung der Tarifverträge der privaten Versicherungswirtschaft für diesen Personenkreis festgeschrieben werden. Die Parteien sind sich einig, daß B. ab 01.04.1996 sechs Mitarbeiter – Kapazitäten zur Sicherstellung des Aufgabenbereichs zur Verfügung stellen wird. Alle künftig einzustellenden Mitarbeiter werden aller Voraussicht nach ebenfalls Verträge nach dem Tarif des privaten Versicherungsgewerbes erhalten, es sei denn, die Leistungen oder Teile davon werden im Rahmen eines Dienstleistungs-/oder Werkvertrages durch Dritte erbracht. Vor diesem Hintergrund schließen die Parteien folgenden Vertrag:

§ 1

B. ermittelt regelmäßig, mindestens jedoch einmal jährlich zum Bilanzstichtag, die Marktpreise der von ihr für die Bo. erbrachten Leistungen. Die Differenz zwischen diesen Marktpreisen und den bei der B. tatsächlich anfallenden Vollkosten verursacht durch die übernommenen Mitarbeiter wird seitens der Vertragspartner jeweils für die abgegebenen Mitarbeiter zum Jahresende als Ausgleichsanspruch der B. vergütet. Grundlagen der Berechnung sind die nach der jeweiligen tariflichen Arbeitszeitregelung anfallenden monatlichen Soll – Arbeitsstunden inklusive Urlaub und Krankheit. Soweit die in Rechnung gestellten Marktpreise die Vollkosten übersteigen, mindern die übersteigenden Preise den Ausgleichsanspruch. Diese Regelung gilt auf Dauer bis zum Ausscheiden des letzten seitens der B. übernommenen Mitarbeiters.

Bo. verpflichtet sich, die bis oder bei dem Ausscheiden des letzten übernommenen Mitarbeiters eventuell anfallenden Abfindungen oder Vorruhestandsaufwendungen inklusive der damit verbundenen Rentenrückstellungen zu übernehmen.

§ 2

B. ist berechtigt, 75 % der voraussichtlichen Ausgleichszahlungen jeweils bis zum 20. eines Monats und weitere 20 % bis zum Monatsende in Rechnung zu stellen; die Beträge sind sofort nach Rechnungstellung zahlbar und fällig. Zum 31. Dezember eines jeden Jahres ist eine endgültige Abrechnung vorzunehmen.”

In einer Anlage zu dieser Vereinbarung sind die Namen von fünf Arbeitnehmern aufgelistet, darunter der Arbeitnehmer S. sowie die in den Parallelverfahren betroffenen Arbeitnehmer Fernando M. (1 ABR 59/97) und Reiner Sc. (1 ABR 62/97). S. kündigte das Beschäftigungsverhältnis mit der Arbeitgeberin zum 31. März 1996 und schloß zum 1. April 1996 einen Arbeitsvertrag mit der B GmbH. Er nimmt die ihm bis zum 31. März 1996 zugewiesenen Aufgabenbereiche auch weiterhin wahr. In einer Mitteilung der B. GmbH an die Mitarbeiter der Arbeitgeberin werden die Aufgaben S. wie folgt umschrieben:

„Haustechnik

Hausverwaltung und Service Zentralbau und Schule

Materialverwaltung Zentralbau und Schule

Schließanlage

Zugangskontrolle”

Neben den ehemaligen Mitarbeitern der Arbeitgeberin sind in deren Betrieb auch 42 Mitarbeiter der P. GmbH eingesetzt, die im Auftrag der B GmbH Reinigungs- und Überwachungsarbeiten durchführt. Die Leitung dieser Bereiche sowie des Arbeitsbereichs AVE obliegt dem Zeugen L., einem Mitarbeiter der P. GmbH. L. hat in den Betriebsräumen der Arbeitgeberin ein eigenes Büro. Zwischen den Beteiligten ist streitig, inwieweit L. auch gegenüber den bisher bei der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmern – darunter dem Arbeitnehmer S.-Weisungen erteilt.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, S. sei nach wie vor in den Betrieb der Arbeitgeberin eingegliedert und erhalte seine arbeitsbezogenen Weisungen von deren Mitarbeitern. An seiner Tätigkeit habe sich nichts geändert. Die Arbeitsabläufe seien derart, daß sie gar nicht aus der Arbeitsorganisation des Betriebes herausgenommen werden könnten. Der Zeuge L. erteile keine eigenständigen fachlichen Weisungen. Er erhalte die den streitigen Arbeitsbereich betreffenden Anweisungen seinerseits von den Angestellten der Arbeitgeberin oder von der Geschäftsführung der Arbeitgeberin direkt. Es habe nur der Form nach ein Arbeitgeberwechsel auf die B. GmbH stattgefunden. Tatsächlich liege eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vor.

Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers S. stelle trotz unveränderter Tätigkeit eine mitbestimmungspflichtige Einstellung dar. Durch den Wechsel der Arbeitgeberstellung sei eine neue Situation entstanden, die eine erneute Beteiligung des Betriebsrats erfordere. Die Beschäftigung als Leiharbeitnehmer beruhe auf einer anderen Grundlage und sei von der ursprünglichen Zustimmung zur Einstellung S. nicht gedeckt. Die Situation sei nicht anders als bei der unbefristeten Fortsetzung eines zunächst befristeten Arbeitsverhältnisses oder bei der Weiterbeschäftigung trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses; in beiden Fällen werde eine erneute mitbestimmungspflichtige Einstellung angenommen.

Der Antragsteller hat beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, die Einstellung des Herrn Eckhardt S. mit der Aufgabe der Zugangskontrolle bei der Arbeitgeberin aufzuheben.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, eine mitbestimmungspflichtige Einstellung liege nicht vor. S. sei – wie auch die anderen betroffenen Arbeitnehmer – zum 1. April 1996 nicht nur formell aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, sondern seither auch tatsächlich nicht mehr in ihren Betrieb eingegliedert. Er unterliege allein der Weisungshoheit der B. GmbH, die diese durch den Zeugen L. ausüben lasse. Die B. GmbH organisiere auch den Bereich AVE, der insgesamt ausgegliedert worden sei. Sie bediene sich dabei der P. GmbH als Subunternehmerin. Der Zeuge L. erhalte von ihr keine auf den Arbeitnehmer S. bzw. die anderen Arbeitnehmer bezogenen arbeitsvertraglichen Weisungen. Sein Ansprechpartner bei der Arbeitgeberin sei der Angestellte E. bzw. jetzt der Angestellte Br.. Sie bildeten die Schnittstelle für die Klärung von Fragen, die bei Durchführung der übernommenen Dienst- bzw. Werkleistungen entstehen. Die Personalhoheit gegenüber den von der B. GmbH eingesetzten Arbeitnehmern liege jedoch allein bei dieser bzw. dem von ihr beauftragten Mitarbeiter der P. GmbH, dem Zeugen L..

Dem entspreche auch der zwischen ihr und der B. GmbH abgeschlossene Vertrag vom 1. April 1996. Dieser sei als Werkvertrag einzustufen. Die B. GmbH habe eine Erfolgshaftung für die ihr übertragenen Bereiche übernommen. Sie organisiere diese in eigener Verantwortung. Es liege also kein Fall von Arbeitnehmerüberlassung vor.

Eine Beteiligung des Betriebsrats unter dem Gesichtspunkt der Einstellung würde aber selbst dann ausscheiden, wenn man von einer Eingliederung S. ausgehen müßte. In diesem Fall bedürfte es keiner erneuten Beteiligung. Die ursprüngliche Zustimmung zur Beschäftigung S. wirke dann nach wie vor, weil sich sein Arbeitsplatz nicht geändert habe.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihm auf die Beschwerde des Betriebsrats stattgegeben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.

 

Entscheidungsgründe

B. Der Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin war stattzugeben. Das Landesarbeitsgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, daß eine mitbestimmungspflichtige Einstellung in Betracht kommt, wenn der Arbeitnehmer S. trotz Wechsels der Arbeitgeberstellung weiterhin auf seinem bisherigen Arbeitsplatz in den Betrieb eingegliedert ist. Aber die Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht eine fortbestehende Eingliederung bejaht hat, hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Hierzu bedarf es weiterer Tatsachenfeststellungen.

I. Die von der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts erhobenen formalen Einwendungen können allerdings die Aufhebung nicht rechtfertigen.

1. Die Arbeitgeberin rügt ohne Erfolg die Vorverlegung des Verkündungstermins vom 23. September auf den 3. September 1997. Das Landesarbeitsgericht hat ausweislich eines Vermerks der Kammervorsitzenden den Verkündungstermin „aus Gründen der Geschäftslage” vorverlegt. Gemäß § 227 ZPO können Termine aus erheblichen Gründen verlegt werden. Die Entscheidung trifft der Vorsitzende. Der Beschluß ist gemäß § 227 Abs. 2 Satz 3 ZPO unanfechtbar. Soweit durch die Verlegung nicht sonstige Verfahrensgrundsätze verletzt werden, ist die Rüge, die Voraussetzungen einer Verlegung hätten nicht vorgelegen, im Rechtsmittelverfahren unbeachtlich.

2. Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Rüge, die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts habe entgegen § 60 Abs. 4 Satz 2 ArbGG bei Verkündung am 3. September 1997 noch nicht vollständig abgefaßt vorgelegen. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies zutrifft. § 60 Abs. 4 Satz 2 ArbGG ist eine Ordnungsvorschrift. Ihre Verletzung ergibt keinen absoluten Revisionsgrund (so schon BAG Urteil vom 21. August 1967 – 3 AZR 383/66 – AP Nr. 122 zu § 242 BGB Ruhegehalt; GK-ArbGG/Dörner, Stand Dezember 1997, § 60 Rz 33; ebenso zu § 310 ZPO Zöller/Vollkommer, ZPO, 20. Auflage, § 310 Rz 5, m.w.N.).

3. Soweit die Rechtsbeschwerde „einige sonstige Ungereimtheiten” rügt, ist nicht zu erkennen, welche Anfechtungsgründe hieraus erwachsen sollen. Der Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 3. Dezember 1996 befindet sich bei den Akten. Soweit die Arbeitgeberin der Auffassung ist, daß ihr darin enthaltener Vortrag nicht oder nicht richtig verstanden worden sei, wäre das im Wege einer Verfahrensrüge im einzelnen vorzutragen. Das ist nicht geschehen.

II. Dem Landesarbeitsgericht ist hingegen nicht zu folgen in seiner Annahme, der Arbeitnehmer S. sei nach wie vor arbeitnehmertypisch in den Betrieb der Arbeitgeberin eingegliedert und unterliege deren Weisungsbefugnis. Die bisher getroffenen Feststellungen tragen diese Annahme nicht, wie die Rechtsbeschwerde im Ergebnis zu Recht rügt.

1. Das Landesarbeitsgericht ist allerdings zutreffend von der ständigen Senatsrechtsprechung zum Begriff der Einstellung ausgegangen. Danach liegt eine mitbestimmungspflichtige Einstellung dann vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern dessen arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Auf das Rechtsverhältnis, in dem diese Personen zum Arbeitgeber als Betriebsinhaber stehen, kommt es nicht entscheidend an. Maßgebend ist vielmehr die Eingliederung, die Frage also, ob die zu verrichtende Tätigkeit ihrer Art nach eine weisungsgebundene Tätigkeit ist, die der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebes zu dienen bestimmt ist und daher vom Arbeitgeber organisiert werden muß (vgl. Senatsbeschluß vom 30. August 1994 – 1 ABR 3/94 – AP Nr. 6 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung, unter B II 1 der Gründe, m.w.N.).

Das Landesarbeitsgericht hat weiter zu Recht erwogen, daß bei einer entsprechenden Eingliederung S. eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegen kann. Die Kriterien für die Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung von einer Tätigkeit auf dienst- oder werkvertraglicher Grundlage entsprechen im wesentlichen den vorstehend aufgeführten Merkmalen einer nach § 99 BetrVG beteiligungspflichtigen Einstellung (Senatsbeschluß vom 1. Dezember 1992 – 1 ABR 30/92 – EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 110, unter B II 3 der Gründe). Bei der Arbeitnehmerüberlassung werden dem Entleiher die Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt. Der Entleiher setzt sie nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie eigene Arbeitnehmer ein. Die Arbeitskräfte sind in den Betrieb eingegliedert und führen ihre Arbeiten allein nach den Weisungen des Entleihers aus (Senatsbeschluß vom 1. Dezember 1992, a.a.O.; Senatsbeschluß vom 5. Mai 1992 – 1 ABR 78/91BAGE 70, 201 = AP Nr. 97 zu § 99 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 30. Januar 1991 – 7 AZR 497/89BAGE 67, 124 = AP Nr. 8 zu § 10 AÜG). Aufgrund der Eingliederung des Leiharbeitnehmers in den Betriebsablauf und der entsprechenden Weisungsbefugnis des Arbeitgebers stellt die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern eine Einstellung im Sinne des § 99 BetrVG dar, was in § 14 Abs. 3 AÜG nunmehr ausdrücklich gesetzlich geregelt ist.

2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend angenommen, daß der Betriebsrat erneut unter dem Gesichtspunkt der Einstellung zu beteiligen ist, wenn ein bisher betriebsangehöriger Arbeitnehmer den Arbeitgeber wechselt und jetzt als „Leiharbeitnehmer” im Betrieb beschäftigt wird. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer zuvor mit Zustimmung des Betriebsrats eingegliedert war und nunmehr faktisch unveränderte Tätigkeiten wahrnimmt.

Eine Einstellung im Sinn des § 99 BetrVG liegt nicht nur bei der erstmaligen Eingliederung vor. Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts verlangen eine erneute Beteiligung des Betriebsrats jedenfalls dann, wenn sich die vertragliche Grundlage der Beschäftigung grundlegend ändert und dadurch Zustimmungsverweigerungsgründe in Betracht kommen, die bei der „Ersteinstellung” nicht voraussehbar waren, bei der ursprünglichen Zustimmungsentscheidung des Betriebsrats also noch nicht berücksichtigt werden konnten. Demgemäß hat der Senat etwa bei unbefristeter Fortsetzung eines bisher befristeten Arbeitsverhältnisses oder bei Fortführung des Arbeitsverhältnisses über eine vorgesehene Altersgrenze hinaus angenommen, daß der Betriebsrat erneut zu beteiligen ist (Senatsbeschluß vom 16. Juli 1985 – 1 ABR 35/83BAGE 49, 180 = AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG 1972; Senatsbeschluß vom 28. Oktober 1986 – 1 ABR 16/85BAGE 53, 237 = AP Nr. 32 zu § 118 BetrVG 1972; s. zuletzt den zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehenen Senatsbeschluß vom 28. April 1998 – 1 ABR 63/97 –).

Entsprechende Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beschäftigung eines Arbeitnehmers als Leiharbeitnehmer kann Zustimmungsverweigerungsgründe auslösen, die bei dessen Beschäftigung im Rahmen eines vorangehenden Arbeitsverhältnisses noch keine Rolle spielten, bei der ursprünglichen Einstellung also nicht berücksichtigt werden konnten. Das gilt schon hinsichtlich der Zustimmungsverweigerung wegen Verstoßes gegen ein Gesetz oder eine sonstige Regelung gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. So könnte der Betriebsrat etwa einwenden, die vorgesehene Arbeitnehmerüberlassung verstoße gegen Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, weil sie die gesetzlich zulässigen Höchstgrenzen überschreite (Senatsbeschluß vom 28. September 1988 – 1 ABR 85/87BAGE 59, 380 = AP Nr. 60 zu § 99 BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., § 99 Rz 49; Kittner in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Auflage, § 99 Rz 175; MünchArbR/Marschall, § 168 Rz 118; Schüren, AÜG, § 14 Rz 163). Dem steht hier nicht entgegen, daß die Arbeitgeberin und die B. GmbH konzernverbunden sind. Der Betriebsrat muß im Rahmen der Einstellung auch prüfen können, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG eingehalten sind, nach denen nur eine vorübergehende Überlassung von Arbeitnehmern im Konzern von den Bestimmungen des AÜG ausgenommen ist. Denkbar sind ferner Verstöße gegen eine tarifliche Regelung oder gegen eine Betriebsvereinbarung, die die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern an bestimmte Voraussetzungen knüpft (MünchArbR/Marschall, § 168 Rz 119; Schüren, a.a.O., § 14 Rz 168, 169).

Bereits diese Möglichkeiten gebieten nach Sinn und Zweck der Mitbestimmung die erneute Befassung des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG. Der Festlegung, welche sonstigen Zustimmungsverweigerungsgründe noch in Betracht kommen, bedarf es im vorliegenden Verfahren nicht (vgl. Becker/Wulfgramm, AÜG, 3. Auflage, Art. 1 § 14 Rz 99 ff.; MünchArbR/Marschall, § 14 Rz 120 ff.; Schüren, a.a.O., § 14 Rz 170 f.). Dem Betriebsrat muß Gelegenheit gegeben werden, die Fortführung der Beschäftigung unter den geänderten Vertragsbedingungen zu überprüfen, auch wenn die tatsächlichen Umstände der Eingliederung unverändert geblieben sein sollten.

3. Die angefochtene Entscheidung überzeugt aber nicht, soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die bereits getroffenen Feststellungen rechtfertigten die Annahme einer Eingliederung.

a) Im wesentlichen unbegründet sind allerdings die Einwendungen der Rechtsbeschwerde gegen die Würdigung, schon der Text der Vereinbarung vom 1. April 1996 spreche für eine Arbeitnehmerüberlassung. Das Landesarbeitsgericht ist – wie auch die Rechtsbeschwerde nicht verkennt – zu Recht davon ausgegangen, daß für die Beurteilung vorrangig die tatsächliche Durchführung der getroffenen Vereinbarung und nicht der Vertragstext entscheidend ist (vgl. BAG Urteil vom 30. Januar 1991, a.a.O.). Es hat folgerichtig auch nicht allein auf die Vereinbarung vom 1. April 1996 abgestellt, sondern den Vertragsinhalt nur in die Gesamtabwägung einbezogen. Wenn es dabei zu dem Ergebnis gekommen ist, dieses Kriterium spreche isoliert betrachtet für das Vorliegen von Arbeitnehmerüberlassung, sind insoweit durchgreifende Rechtsfehler nicht zu erkennen.

Richtig ist, daß in der Vereinbarung keinerlei Einzelheiten darüber enthalten sind, worin die von der B. GmbH zu übernehmenden Dienst- oder Werkleistungen bestehen. Dies ist für einen Dienst- oder Werkvertrag untypisch. Die Arbeitgeberin kann dem nicht entgegenhalten, der Bereich AVE habe zwischen den Beteiligten des Vertrages festgestanden, so daß es keiner weiteren Konkretisierung bedurft habe. Das betrifft nur die Frage, welcher Arbeitsbereich von der Regelung betroffen war, nicht aber, wie die Arbeit innerhalb dieses Bereichs ausgeführt werden sollte. Das Landesarbeitsgericht vermißt zu Recht ein Leistungsverzeichnis. Die dem Vertragstext insoweit beigemessene Indizwirkung ist also nachvollziehbar. Das gilt in gleicher Weise für den Hinweis des Landesarbeitsgerichts darauf, daß die Vereinbarung keine Regelung über Gewährleistungspflichten oder sonstige Haftungsfragen enthält. Auch das ist für einen Dienst/Werkvertrag untypisch und kann nicht allein damit erklärt werden, daß sich die diesbezüglichen Rechte aus dem Gesetz ergeben.

Gewissen Bedenken begegnet allerdings die Überlegung, für eine Arbeitnehmerüberlassung spreche, daß die Gegenleistung der Arbeitgeberin sich schlicht nach den von der B. GmbH aufzuwendenden Personalkosten bestimme. Eine an der Vergütung der eingesetzten Mitarbeiter orientierte Gegenleistung läßt noch nicht zwingend auf das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung schließen (vgl. Senatsbeschluß vom 1. Dezember 1992, a.a.O., unter B III 1 c der Gründe, m.w.N.). Immerhin fällt auf, daß die Vereinbarung vom 1. April 1996 überschrieben ist mit „Vertrag über Ausgleichszahlungen”. Das könnte immerhin als Anzeichen dafür gewertet werden, daß im Vordergrund eben doch die Bezahlung der von der B. GmbH übernommenen Mitarbeiter stand, nicht aber die Vergütung für eine Dienst- oder Werkleistung. Insgesamt ist daher die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nachzuvollziehen, der Vertragswortlaut spreche eher für Arbeitnehmerüberlassung, wenn man nur ihn betrachte.

b) Das Landesarbeitsgericht hat aber – zu Recht – nicht entscheidend auf die getroffene Vereinbarung abgestellt, sondern deren tatsächliche Durchführung als maßgebend angesehen. Es hat angenommen, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, daß der Mitarbeiter S. nach wie vor im Betrieb der Arbeitgeberin eingegliedert sei und seine wesentlichen arbeitsbezogenen Weisungen von der Arbeitgeberin bzw. deren Mitarbeitern erhalte. Diese Würdigung überzeugt auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht bisher getroffenen Feststellungen nicht.

aa) Das Landesarbeitsgericht hat wesentliche Bedeutung dem Umstand beigemessen, daß die Mitarbeiter der Arbeitgeberin sich grundsätzlich unmittelbar an S. wenden, wenn sie einen „Arbeitswunsch” haben. S. komme diesem Wunsch nach, ohne daß ein Mitarbeiter der B. GmbH oder der P. GmbH mit der Frage befaßt werde und ohne daß Materialien oder ähnliches von diesen Firmen beschafft würden. Da die von S. und den anderen betroffenen Arbeitnehmern zu verrichtenden Arbeitsleistungen durch die „Wünsche” der Mitarbeiter der Arbeitgeberin konkretisiert würden, ohne daß eine von der B. GmbH beauftragte Person eingeschaltet werden müßte, ergebe sich eine arbeitnehmertypische Eingliederung.

Dabei trennt das Landesarbeitsgericht nicht deutlich genug zwischen Anweisungen, die auch vom Besteller im Rahmen eines Werkvertrages bzw. vom Dienstberechtigten im Rahmen eines Dienstvertrages gegenüber dem Unternehmer bzw. dessen Erfüllungsgehilfen gegeben werden können, und solchen Weisungen, die nur aufgrund der Arbeitgeberstellung möglich sind. Besteht kein Streit über Inhalt und Umfang der vereinbarten Dienst- oder Werkleistung und beschränken sich die vom Landesarbeitsgericht so genannten „Arbeitswünsche” der Mitarbeiter der Arbeitgeberin darauf, die vereinbarten Dienst- oder Werkleistungen abzufordern, ist darin allein noch keine Arbeitgeberweisung zu sehen. Diese setzt vielmehr voraus, daß der Arbeitgeber bzw. die ihn vertretenden Arbeitnehmer die Personalhoheit haben und damit im Konfliktfall die Entscheidung über die Erledigung der Arbeiten insbesondere nach Zeit und Ort bestimmen können (vgl. Senatsbeschluß vom 1. Dezember 1992, a.a.O., unter B II 2 der Gründe).

bb) Das Landesarbeitsgericht schließt nicht aus, daß eine Eingliederung zu verneinen sei, wenn die „Arbeitswünsche”, die die Mitarbeiter der Arbeitgeberin äußern, vom Zeugen L. gesammelt und von diesem nach eigenem unternehmerischen Ermessen in bezug auf Berechtigung und Dringlichkeit an die betroffenen Arbeitnehmer – darunter S. – weitergeleitet würden. Eine solche Koordinationsaufgabe habe der Zeuge L. aber nicht erfüllt, weshalb von einer arbeitnehmertypischen Eingliederung auszugehen sei.

Damit stellt das Landesarbeitsgericht zu hohe Anforderungen an eine Ausgliederung. Einer ständigen Bündelung und Verteilung von Arbeitsaufgaben bedarf es nicht zwingend, wenn der Inhalt der Dienst- oder Werkleistung klar und die Organisation eindeutig geregelt sind. Dabei ist zu berücksichtigen, daß nach der ständigen Senatsrechtsprechung grundsätzlich auch einfache und inhaltlich begrenzte Tätigkeiten zum Gegenstand eines entsprechenden Dienst- oder Werkvertrages gemacht werden können (BAG Urteil vom 14. August 1985 – 5 AZR 225/84 – NZA 1987, 128 zum Überprüfen und Bereinigen von Adressenmaterialien; Senatsbeschluß vom 5. Mai 1992 – 1 ABR 78/91BAGE 70, 201 = AP Nr. 97 zu § 99 BetrVG 1972 zur Pförtnertätigkeit; Senatsbeschluß vom 1. Dezember 1992, a.a.O., zur Übernahme von Spülarbeiten). Gerade in solchen Fällen ist bei entsprechender Organisation eine ständige Koordination möglicherweise überflüssig, da Konfliktfälle kaum auftreten können. Ein „Arbeitswunsch”, der unmittelbar an den vom Dienst- oder Werkunternehmer eingesetzten Mitarbeiter gerichtet wird, kann dann nicht ohne weiteres als Arbeitgeberweisung gewertet werden.

Dem Landesarbeitsgericht ist einzuräumen, daß das Fehlen einer Bündelung solcher „Arbeitswünsche” durch eine koordinierende Stelle und die regelmäßig unmittelbare Abforderung der Leistung von dem Mitarbeiter selbst u.U. auf typische Arbeitgeberweisungen schließen lassen können. Dies hängt jedoch von der Art der Tätigkeit und der Organisation des Bereiches ab, dem sie zuzuordnen sind. Hierzu hat das Landesarbeitsgericht aber keine näheren Feststellungen getroffen. Die Aufgaben des Arbeitnehmers S. werden im wesentlichen pauschal mit „Aufgaben der Zugangskontrolle” umschrieben. Es fehlt an konkreten Feststellungen, um welche Tätigkeiten es im einzelnen geht und wie diese organisiert sind. So ist nicht nachzuvollziehen, wie die einzelnen Tätigkeiten „abgerufen” werden, ob S etwa seinerseits Aufträge sammeln und nach eigenem zeitlichen Ermessen erledigen kann oder ob er unmittelbar reagieren muß, wenn eine Anforderung kommt. Es fehlen Feststellungen zur Organisation des gesamten von S. betreuten Bereichs.

cc) Ferner fehlen Feststellungen zu der mit Vorstehendem verbundenen Frage, ob die Organisation des AVE-Bereichs gegenüber dem sonstigen Betrieb in einer Weise abgegrenzt ist, daß die in ihm anfallenden Arbeiten Gegenstand einer selbständigen Dienst- oder Werkleistung sein können. Dagegen spricht nicht zwingend, daß die Tätigkeit S. im wesentlichen unverändert geblieben ist. Die Organisation kann sich schon bisher als selbständige Einheit – vergleichbar einem Betriebsteil – dargestellt haben und dann auf die B. GmbH übertragen worden sein. Immerhin ist die gesamte AVE ausgegliedert worden. In diesem Zusammenhang ist auch unklar, ob die B. GmbH über die Vergabe von Aufträgen an Subunternehmen und – wie vorliegend – die Zurverfügungstellung von Arbeitnehmern hinaus unternehmerische Tätigkeiten entfaltet (vgl. Senatsbeschluß vom 1. Dezember 1992 – 1 ABR 30/92 – a.a.O., unter B IV der Gründe). Nicht hinreichend geklärt ist weiter, ob die B. GmbH der P. GmbH als Subunternehmerin neben der Reinigung und neben dem Objektschutz auch die Durchführung des Bereichs AVE insgesamt übertragen hat oder ob sie insoweit nur einen Mitarbeiter zur (zumindest formellen) Leitung der von ihr übernommenen Arbeitnehmer – darunter S. – „ausgeliehen” hat.

dd) Den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist auch nicht zwingend zu entnehmen, wer denn letztlich im Konfliktfall die entscheidende Arbeitgeberweisung gibt. Es hat zwar angenommen, der Zeuge L.übe nicht einmal die Funktion eines Vorgesetzten aus. Er warte auch in Konfliktfällen ab, bis das Problem über die „Schnittstelle” wieder an ihn herangetragen werde. Die Schnittstelle entscheide, ob die angesprochene Frage Gegenstand einer Absprache werde oder nicht. Diese Ausführungen lassen aber schon offen, um welche Konfliktfälle es geht – etwa generell um den Umfang der Leistungen oder um einzelfallbezogene Streitigkeiten über den zeitlichen Vorrang angeforderter Leistungen bei Überschneidungen. Es fehlt daneben an einer Feststellung, wer letztlich die Weisung an die Arbeitnehmer erteilt, wenn nach Einschaltung der Schnittstelle eine Klärung des Konfliktes erfolgt ist. Der Zeuge L. hat bei seiner Vernehmung nicht bekundet, daß er in Konfliktfällen generell abwartet, bis das Problem über die Schnittstelle an ihn herangetragen werde. Er hat als konkretes Beispiel bezogen auf den gleichfalls bei der B GmbH beschäftigten Arbeitnehmer Sc. geschildert, daß ein Mitarbeiter der Arbeitgeberin, der Papier benötige, sich zunächst an den dafür zuständigen Herrn Sc. wende; dieser werde in der Regel der Anforderung nachkommen; falls er dies nicht oder nicht sofort tue, werde sich der Mitarbeiter an ihn – L. – wenden. Für den Fall, daß er Sc. recht gebe, werde sich der Mitarbeiter dann an Herrn Br. von der Arbeitgeberin wenden; dann werde das im Zweifel ein Gespräch zwischen Herrn Br. und ihm ergeben. Dieser Aussage läßt sich nicht entnehmen, daß L. nicht auch eigene Anweisungen an Sc. geben könnte und geben würde, wenn er dessen Verhalten nicht billigte. Insofern ist die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, L.übe keine Vorgesetztenfunktion aus, jedenfalls im Hinblick auf die Frage, ob er auch unmittelbare Arbeitsanweisungen gibt bzw. geben kann, durch die Aussage nicht gedeckt.

III. Der angefochtene Beschluß ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Die bisher getroffenen Feststellungen lassen eine abschließende Beurteilung der Frage, ob eine arbeitnehmertypische Eingliederung S. vorliegt, nicht zu. Das zeigen die Ausführungen unter II 3 b der Gründe. Hiervon ausgehend wird das Landesarbeitsgericht weitere Feststellungen darüber zu treffen haben, was konkreter Inhalt der Tätigkeit S. ist, wie diese Tätigkeit im Hinblick auf eine abgegrenzte Organisation früher organisiert war und wie sie jetzt organisiert ist, wie und von wem die letzte Entscheidung in Konfliktfällen getroffen wird, gegebenenfalls auch, welche Unternehmensstruktur die B. GmbH überhaupt hat und wie das Verhältnis zwischen ihr und der P.

GmbH im Hinblick auf die hier streitigen Tätigkeiten gestaltet ist. Den Beteiligten ist Gelegenheit zu geben, ergänzend zu allen diesen Fragen Stellung zu nehmen. Bei der dann vorzunehmenden Gesamtwürdigung kann durchaus als ein Indiz für die fortbestehende Eingliederung angenommen werden, daß die Tätigkeiten S. tatsächlich unverändert geblieben sind.

 

Unterschriften

Dieterich, Wißmann, Rost, Rösch, Kehrmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1254588

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