Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtswegszuständigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Werden mit einer Klage Ansprüche sowohl aus eigenem als auch aus abgetretenem Recht geltend gemacht, handelt es sich um zwei Streitgegenstände.

 

Orientierungssatz

  • Werden mit einer Klage Ansprüche sowohl aus eigenem als auch aus abgetretenem Recht geltend gemacht, handelt es sich um zwei Streitgegenstände.
  • Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit und Arbeitsgerichten ist für die Bestimmung des zuständigen Gerichts auch nach der seit 1. Januar 1998 geltenden Fassung des § 36 ZPO derjenige oberste Gerichtshof des Bundes zuständig, der zuerst darum angegangen wird. Eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO gibt eine geeignete Handhabe, den Streit über die Rechtswegzuständigkeit schnellstmöglich zu beenden, wenn dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit notwendig ist (vgl. Senat 22. Juli 1998 – 5 AS 17/98 – AP ZPO § 36 Nr. 55 = EzA ZPO § 36 Nr. 28; 14. Dezember 1998 – 5 AS 8/98 – AP GVG § 17a Nr. 38 = EzA ArbGG 1979 § 65 Nr. 4; 9. Juli 2002 – 5 AS 1/02 – nv.; 16. Juli 2002 – 5 AS 4/02 – nv.; BGH 26. Juli 2001 – X ARZ 132/01 – NJW 2001, 3633; BGH 13. November 2001 – X ARZ 266/01 – NZA 2002, 637).
 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 30.09.2002; Aktenzeichen 86 Ca 9133/02)

 

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Berlin bestimmt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Rückforderungsansprüche wegen überzahlter Vergütung.

Der Beklagte war Pfarrer der H… Landeskirche. In der Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 31. März 1994 war er beurlaubt und beim Diakonischen Werk e.V. als Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Entwicklungsdienst tätig. Im Anschluß daran wurde er vom 1. April 1994 bis zum 31. März 1996 von seiner Tätigkeit als Pfarrer ohne Fortzahlung der Bezüge freigestellt, um das Verbindungsbüro des ökumenischen Rates der Kirchen bei den Vereinten Nationen in New York zu leiten. Diese Beurlaubung wurde in der Folgezeit bis zum 30. Juni 1996 verlängert. In dieser Zeit stand der Beklagte in einem Anstellungsverhältnis zu dem Verein “Dienste in Übersee e.V.”.

Die Klägerin, die Evangelische Kirche in Deutschland, finanzierte die Tätigkeit des Beklagten in New York, indem sie die erforderlichen Zahlungen an die beiden Vereine vornahm, die ihrerseits dem Beklagten Arbeitsentgelt und Aufwendungsersatz leisteten.

Nach dem Vorbringen der Klägerin wurde dieser Zahlungsweg in drei Fällen nicht eingehalten. Im Januar 1994 sei zwar eine Zahlung in Höhe von 25.000,00 DM unmittelbar an das Diakonische Werk e.V. erfolgt, aus dem Zahlungsbeleg ergebe sich aber, daß die Zahlung für den Beklagten bestimmt gewesen sei. 1995 habe der Beklagte von ihr einen Vorschuß in Höhe von 28.903,21 DM erhalten, der versehentlich nicht mit den laufenden Zahlungen verrechnet worden sei. Im März 1996 habe er schließlich eine Überzahlung von 3.967,00 DM erhalten.

Mit ihrer beim Landgericht Berlin erhobenen Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung von 29.588,57 Euro. Die Klägerin hat ihr Klagebegehren zum einen auf ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 BGB) sowie auf unerlaubte Handlung (§ 823 Abs. 2 iVm. §§ 246, 263 StGB) gestützt. Zum anderen hat sie geltend gemacht, der Zahlungsanspruch ergebe sich aus den Arbeitsverhältnissen zum Diakonischen Werk e.V. und zum Verein “Dienste in Übersee e.V.”. Deren Ansprüche auf Rückzahlung des überzahlten Arbeitsentgelts und Aufwendungsersatzes mache sie aus abgetretenem Recht geltend, nachdem das Diakonische Werk e.V. am 18. Januar 2002 und der Verein “Dienste in Übersee e.V.” am 28. September 2001 mögliche Gehaltsrückzahlungsansprüche gegen den Beklagten an sie abgetreten haben.

Das Landgericht Berlin hat am 7. Februar 2002 folgenden Beschluß verkündet:

  • Der Rechtsstreit wird insoweit abgetrennt, wie die Klägerin Ansprüche aus abgetretenem Recht der ehemaligen Arbeitgeber des Beklagten auf Grund der Abtretungserklärung vom 28. September 2001 (Dienste in Übersee e.V.) und der Abtretungserklärung vom 18. Januar 2002 (Diakonisches Werk der EKD e.V.) geltend macht. Etwaige Rückforderungsansprüche beruhen auf dem Arbeitsverhältnis, so daß gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG die Arbeitsgerichte zuständig sind.
  • Der Rechtsstreit wird, soweit er abgetrennt wurde, an das zuständige Arbeitsgericht Berlin verwiesen.

    Mit Urteil vom 28. Februar 2002 hat das Landgericht Berlin die Klage, soweit die geltend gemachten Ansprüche nicht abgetrennt wurden, abgewiesen.

    Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Beschluß vom 30. September 2002 die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt und die Sache dem Bundesarbeitsgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, es liege ein einheitlicher Streitgegenstand vor, der nicht in Ansprüche aus eigenem Recht und abgetretenem Recht aufteilbar sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Zuständig ist das Arbeitsgericht Berlin.

  • Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit und Arbeitsgerichten ist für die Bestimmung des zuständigen Gerichts auch nach der seit 1. Januar 1998 geltenden Fassung des § 36 ZPO derjenige oberste Gerichtshof des Bundes zuständig, der zuerst darum angegangen wird. § 17a GVG steht dem nicht entgegen. Diese Bestimmung kann nicht vollständig verhindern, daß es über die Bindungswirkung rechtskräftiger Verweisungsbeschlüsse zum Streit kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten. Eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO gibt eine geeignete Handhabe, den Streit über die Rechtswegzuständigkeit schnellstmöglich zu beenden, wenn dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit notwendig ist (vgl. Senat 22. Juli 1998 – 5 AS 17/98 – AP ZPO § 36 Nr. 55 = EzA ZPO § 36 Nr. 28; 14. Dezember 1998 – 5 AS 8/98 – AP GVG § 17a Nr. 38 = EzA ArbGG 1979 § 65 Nr. 4; 9. Juli 2002 – 5 AS 1/02 – nv.; 16. Juli 2002 – 5 AS 4/02 – nv.; BGH 26. Juli 2001 – X ARZ 132/01 – NJW 2001, 3633; BGH 13. November 2001 – X ARZ 266/01 – NZA 2002, 637).
  • Der rechtskräftige Verweisungsbeschluß des Landgerichts Berlin bindet das Arbeitsgericht Berlin. Der Verweisungsbeschluß vom 7. Februar 2002 ist wirksam. Der vom Landgericht Berlin entschiedene Teil des Rechtsstreits und der abgetrennte, an das Arbeitsgericht verwiesene Teil des Rechtsstreits betreffen unterschiedliche Streitgegenstände. Streitgegenstand des vom Landgericht Berlin entschiedenen Teils waren die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung bzw. unerlaubter Handlung. Insoweit machte die Klägerin eigene Ansprüche gegen den Beklagten geltend. Der abgetrennte und an das Arbeitsgericht verwiesene Teil des Rechtsstreits betrifft demgegenüber Ansprüche aus den Arbeitsverhältnissen des Beklagten zum “Diakonischen Werk e.V.” bzw. zu dem Verein “Dienste in Übersee e.V.” und damit einen anderen Sachverhalt. Die Streitgegenstände einer Klage aus eigenem Recht und einer aus abgetretenem Recht sind nicht identisch (BGH 19. September 1985 – VII ZR 15/85 – NJW 1986, 1046; BGH 29. November 1990 – I ZR 45/89 – NJW 1991, 1683). Für den abgetrennten Teil ist somit das Arbeitsgericht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3a und d ArbGG zuständig.
 

Unterschriften

Müller-Glöge, Mikosch, Linck

 

Fundstellen

Haufe-Index 886195

BB 2003, 427

NJW 2003, 1068

EBE/BAG 2003, 40

JR 2003, 396

NZA 2003, 285

EzA

MDR 2003, 409

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