Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten eines Beschlußverfahrens gegen den Arbeitgeber

 

Leitsatz (redaktionell)

Kosten einer einstweiligen Verfügung auf Schließung des Betriebs während der Betriebsversammlung.

 

Normenkette

BetrVG § 40 Abs. 1, § 78 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Beschluss vom 04.01.1989; Aktenzeichen 3 TaBV 147/88)

ArbG Minden (Beschluss vom 12.09.1988; Aktenzeichen 2 BV 16/88)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des antragstellenden Betriebsrates gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Januar 1989 – 3 TaBV 147/88 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die beteiligte Arbeitgeberin die Rechtsanwaltskosten aus Anlaß der Vertretung des antragstellenden Betriebsrates in einem Verfahren der einstweiligen Verfügung zu tragen hat, welches der Betriebsrat mit dem Ziel betrieben hat, die Arbeitgeberin zu zwingen, die von ihr betriebene Spielbank für die Dauer einer Betriebsversammlung zu schließen.

Die Arbeitgeberin betreibt in Nordrhein-Westfalen öffentliche Spielbanken, nämlich Bad A (seit 1976), Bad O (seit 1980) und D (seit 1985). In der Spielbank Bad O sind etwa 126 Arbeitnehmer tätig. Antragsteller des vorliegenden Beschlußverfahrens ist der dort bestehende Betriebsrat.

Seit der jeweiligen Eröffnung fanden in der Vergangenheit in allen drei Spielbanken die regelmäßigen Betriebsversammlungen in der Regel außerhalb der Öffnungszeiten statt. Der antragstellende Betriebsrat beschloß, künftig die regelmäßigen Betriebsversammlungen während der Öffnungszeit der Spielbank Bad Oeynhausen abzuhalten, die erste am Montag, dem 18. April 1988 von 15.00 bis 18.00 Uhr. Entsprechende Beschlüsse faßten auch die Betriebsräte in den beiden anderen Spielbanken.

Mit seinem Schreiben vom 28. März 1988 teilte der antragstellende Betriebsrat der beteiligten Arbeitgeberin mit:

„Ihr über den GBR-Vorsitzenden uns erreichtes Angebot, für nur zwei im Jahr außerhalb der üblichen Arbeitszeit stattfindenden Betriebsversammlungen lediglich DM 100,– pro Teilnehmer zu bewilligen, ist für uns unannehmbar.

Zukünftig werden wir alle Betriebsversammlungen, die laut Betriebsverfassung während der Arbeitszeit stattzufinden haben, auch während der Arbeitszeit abhalten.

Die nächste Betriebsversammlung findet am 18.04.88 von 15.00 bis ca. 18.00 Uhr statt. Hierzu laden wir Sie recht herzlich ein. Die Tagesordnungspunkte entnehmen Sie bitte beigefügter Tagesordnung.

Bitte bestätigen Sie uns, daß Sie die Spielbank Oeynhausen am 18.04.88 von 15.00 bis 18.00 Uhr schließen. Sollten wir bis zum 08.04.88 keine derartige Bestätigung vorliegen haben, gehen wir davon aus, daß Sie die Spielbank öffnen. Dagegen werden wir uns mit rechtlichen Maßnahmen wehren.

Sollte der Themenkatalog am ersten Tag der Versammlung noch nicht erschöpft sein, werden wir am 19.04.88 die Versammlung um 15.00 Uhr weiterführen.

Für Kolleginnen und Kollegen, die notgedrungen außerhalb ihrer Dienstzeit an der Betriebsversammlung teilnehmen, fordern wir die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes bezüglich der fortzuzahlenden Bezüge inkl. Fahrtkosten.”

Die Arbeitgeberin antwortete mit ihrem Brief vom 7. April 1988 wie folgt:

„Ihr Schreiben vom 28.03.1988 haben wir zur Kenntnis genommen. Wir werden sicherstellen, daß alle Mitarbeiter, die es wünschen, an der Betriebsversammlung teilnehmen können. Dies gilt auch für die eventuelle Fortsetzung der Versammlung am 19.04.1988.

Zur Vermeidung von Mißverständnissen weisen wir darauf hin, daß in Verbindung mit der Betriebsversammlung keine Leistungen aus dem Bruttospielertrag an den Tronc erfolgen.”

und gab den Arbeitnehmern in der Spielbank Bad O als Aushang bekannt:

„Betriebsversammlung am 18.04.1988

Wie Ihnen bekannt ist, hat sich der Betriebsrat entschieden, am Montag, 18.04.1988 zwischen 15.00 Uhr und 18.00 Uhr eine Betriebsversammlung abzuhalten. Das Angebot der Geschäftsführung, zur Vermeidung von „Schließungszeiten” den Teilnehmern an einer Betriebsversammlung am Vormittag zur Abgeltung von zusätzlichem Zeitaufwand und Fahrtkosten eine Pauschale in Höhe von DM 100,– zu gewähren, hat der Betriebsrat abgelehnt.

Um Mißverständnissen vorzubeugen, weisen wir darauf hin, daß in Verbindung mit der Betriebsversammlung keine Leistungen aus dem Bruttospielertrag an den Tronc erfolgen werden.”

Durch Plakate, Handzettel und Anzeigen in den Tageszeitungen von Sonnabend, dem 16. April 1988, wies die Arbeitgeberin öffentlich darauf hin, daß „wegen einer Betriebsversammlung (gesetzlich vorgesehen) am Montag, dem 18. April 1988, der Spielbetrieb ausnahmsweise erst um 18.30 Uhr in vollem Umfang beginne”.

Nach den gesetzlichen Regelungen des Landes Nordrhein-Westfalen haben die dortigen Spielbanken aus dem Bruttospielertrag die Spielbankabgabe und die Sachkosten zu bestreiten und aus dem Tronc angemessene und wirtschaftliche Personalaufwendungen zu finanzieren. Der Bruttospielertrag ist die Summe aller Spielverluste, der Tronc die Gesamtheit aller Zuwendungen von Spielbankenbesuchern „für die Angestellten”. Zwischen der Arbeitgeberin einerseits und den in ihren Spielbanken bestehenden Betriebsräten bzw. dem ebenfalls bei ihr bestehenden Gesamtbetriebsrat ist streitig, ob und inwieweit Personalaufwand aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen aus dem Tronc bezahlt werden darf oder ob insoweit aus dem Bruttospielertrag Zuweisungen an den Tronc erfolgen müssen.

Der antragstellende Betriebsrat ließ durch Rechtsanwalt R am 12. April 1988 beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung im Beschlußverfahren einreichen, worin er beantragte, der Arbeitgeberin aufzugeben, während der Dauer der Betriebsversammlung am 18. April 1988 von 15.00 bis 18.00 Uhr die Spielbank Bad O zu schließen, hilfsweise, der Arbeitgeberin zu untersagen, in dieser Zeit den Spielbetrieb an den Roulett-Tischen und im Automatensaal aufzunehmen. Das Arbeitsgericht wies den Antrag nach mündlicher Anhörung der Beteiligten durch seinen Beschluß vom 18. April 1988 (Arbeitsgericht Minden, 1 BV Ga 1/88) als unbegründet zurück.

Mit seinem Brief vom 25. Mai 1988 an den antragstellenden Betriebsrat bat Rechtsanwalt R, seine Rechnung vom selben Tag für die Vertretung des Betriebsrates in dem genannten Verfahren der einstweiligen Verfügung an die Arbeitgeberin zur Begleichung weiterzureichen. Sie antwortete Rechtsanwalt R mit ihrem Schreiben vom 29. Juni 1988:

„…, die Kostennote senden wir Ihnen im Orginal zurück. Wir sind der Auffassung, die entstandenen Gebühren nicht zahlen zu müssen, da es sich bei dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Minden um einen unseres Erachtens aussichtslosen Rechtsstreit handelte. Wir beziehen uns auf die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Köln in der gleichgelagerten Angelegenheit unter der Geschäftsnummer 11 Ta BV 24/88 (4 BV Ga 2/88 Aachen).”

Mit seinem am 29. Juli 1988 eingereichten Antrag will der wiederum durch Rechtsanwalt R vertretene Betriebsrat erreichen, daß die Arbeitgeberin die Verfahrenskosten trägt, die aus Anlaß seiner Vertretung im genannten Verfahren der einstweiligen Verfügung entstanden sind. Er hat geltend gemacht, die Führung des Verfahrens wie auch die Beauftragung des Rechtsanwalts R aus D sei erforderlich gewesen; zumindest habe er beides für erforderlich halten dürfen, weil ihm insoweit ein Beurteilungsspielraum zustehe. Er habe befürchten müssen, die Betriebsversammlung werde nicht ungestört verlaufen, wenn die Spielbank nicht geschlossen werde. Derzeit würden zwar – wie unstreitig sei – alle Personalaufwendungen für Mitarbeiter der drei Spielbanken aus dem Gesamt-Tronc bezahlt, der aus den Zuwendungen der Besucher aller drei Spielbanken gebildet werde. Der Hinweis der beteiligten Arbeitgeberin, aus Anlaß der Betriebsversammlung am 18. April 1988 keine Leistungen aus dem Bruttospielertrag an den Tronc vorzunehmen, habe jedoch die Belegschaft irritiert. Viele Arbeitnehmer hätten daran gedacht, lieber im Spielbetrieb zu arbeiten, um keine Einkommensverluste hinnehmen zu müssen.

Der Betriebsrat hat sinngemäß beantragt,

die Arbeitgeberin zu verpflichten, den Antragsteller von den gegenüber den Verfahrensbevollmächtigten in dem Beschlußverfahren vor dem Arbeitsgericht Minden – 1 BV Ga 1/88 – entstandenen Kosten in Höhe von 2.340,19 DM freizustellen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat erwidert, das Verfahren der einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, die Schließung der Spielbank Bad O für die Dauer der Betriebsversammlung am 18. April 1988 zu erreichen, sei nicht erforderlich gewesen. Der Betriebsrat hätte es auch nicht als erforderlich beurteilen dürfen. Notfalls sei die Arbeitgeberin bereit gewesen, die Spielbank ganz zu schließen, wenn dies zur Durchführung der Betriebsversammlung nötig gewesen wäre. Im Rahmen des summarischen Verfahrens der einstweiligen Verfügung habe die eigentliche Streitfrage der Beteiligten ohnehin nicht geklärt werden können. Sie habe darin bestanden, ob und inwieweit Personalkosten aus Anlaß der Betriebsversammlung wie auch eventuelle Fahrtkosten hierzu aus dem Tronc oder aus dem Bruttospielertrag zu bezahlen seien.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihr verfolgt der Betriebsrat seinen bisherigen Antrag weiter, während die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben den Antrag zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die beteiligte Arbeitgeberin hat die in Rede stehenden Rechtsanwaltskosten nicht zu tragen. Die Voraussetzungen des für den geltend gemachten Anspruch des Betriebsrats allein in Betracht kommenden § 40 Abs. 1 BetrVG sind nicht erfüllt.

I. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG kann ein Betriebsrat Kosten aus solchen gerichtlichen Verfahren gegenüber dem Arbeitgeber mit Erfolg geltend machen, in denen betriebsverfassungsrechtliche Fragen aus der Amtstätigkeit des Betriebsrats zu klären sind (vgl. BAGE 40, 244, 246 = AP Nr. 19 zu § 40 BetrVG 1972, unter II 1 der Gründe; BAGE 31, 93, 98 f. = AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972, unter III 3 a der Gründe). Dabei sind nur solche Kosten erstattungsfähig, die erforderlich gewesen sind. Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen.

Zwar wird die Voraussetzung der Erforderlichkeit der Kosten in § 40 Abs. 1 BetrVG im Gegensatz zu den Bestimmungen in § 37 Abs. 2 und Abs. 6 Satz 1 sowie § 40 Abs. 2 desselben Gesetzes nicht ausdrücklich genannt. Es ist jedoch, wenn auch mit teilweise unterschiedlichen Einzelbegründungen, allgemein anerkannt, daß Kosten nach § 40 Abs. 1 BetrVG nur dann vom Arbeitgeber zu tragen sind, wenn sie zur Erfüllung der Betriebsratsaufgaben erforderlich waren (vgl. statt vieler: BAG Beschluß vom 27. September 1974 – 1 ABR 67/73 – AP Nr. 8 zu § 40 BetrVG 1972, zu III 1 der Gründe, m.w.N.; Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 40 Rz. 9, m.w.N.).

Dabei ist die Erforderlichkeit der Kostenverursachung nicht rückblickend nach einem rein objektiven Maßstab, sondern vom Zeitpunkt der Entscheidung des Betriebrates aus zu beurteilen (BAG Beschluß vom 4. Dezember 1979 – 6 ABR 37/76 – AP Nr. 18 zu § 40 BetrVG 1972, unter III 2 b der Gründe; auch schon BAGE 31, 93, 97 = AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972, unter III 1 der Gründe). Grundsätzlich ist die Erforderlichkeit zu bejahen, wenn der Betriebsrat wie ein vernünftiger Dritter bei gewissenhafter Überlegung und verständiger und ruhiger Abwägung aller Umstände zur Zeit seines Beschlusses zu dem Ergebnis gelangen durfte, der noch zu verursachende Kostenaufwand sei für die Betriebsratstätigkeit notwendig. Das vom Betriebsrat beabsichtigte Beschlußverfahren muß erforderlich und geeignet sein, das von ihm geltend gemachte, ihm ernsthaft bestrittene Recht unmittelbar durchzusetzen, ohne daß die Meinungsverschiedenheit betriebsverfassungsrechtlichen Inhalts auf andere Weise mit dem Arbeitgeber geklärt werden kann (vgl. BAGE 31, 93, 98 f. = AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972, unter III 3 a der Gründe). Die Grenzen der Erforderlichkeit der Kosten, die aufgrund der Durchführung eines derart beabsichtigten gerichtlichen Verfahrens entstehen, sind jedoch überschritten, wenn das Verfahren ohne hinreichenden Anlaß eingeleitet, ohne Aussicht auf Erfolg mutwillig durchgeführt oder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mißachtet wird. Für diese Abwägung steht dem Betriebsrat ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Bei ihr ist, wie auch sonst im Rahmen der Kostentragungspflicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG, auf das Urteil eines vernünftigen Dritten im Zeitpunkt der Beschlußfassung und des Auftrags an den Rechtsanwalt abzustellen (BAG Beschluß vom 16. Oktober 1986 – 6 ABR 2/85 – AP Nr. 31 zu § 40 BetrVG 1972 = NZA 1987, 753, unter III 2 der Gründe, m.w.N.). Der Betriebsrat muß dabei wie jeder andere, der auf Kosten eines Dritten handeln darf, Maßstäbe einhalten, die er gegebenenfalls anwenden würde, wenn er selbst – oder seine beschließenden Mitglieder – die Kosten zu tragen hätte (BAG Beschluß vom 16. Oktober 1986, aaO).

Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen. Sie werden auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel gezogen.

II.1. Das Landesarbeitsgericht hat des weiteren ausgeführt, ein vernünftiger Dritter, dessen Standpunkt der Betriebsrat hätte einnehmen müssen, wäre zum Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts R aufgrund einfacher Überlegungen zu dem Ergebnis gelangt, daß der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung offensichtlich unbegründet sei. Für ihn habe nicht einmal die Möglichkeit einer Anspruchsgrundlage bestanden, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt habe. § 44 BetrVG gebe keinen Anspruch des Betriebsrates auf Schließung des Betriebes ab. Hierfür sei eine eventuelle Anspruchsgrundlage höchstens in § 78 BetrVG zu sehen, wonach Störungen oder Behinderungen der Betriebsratstätigkeit unzulässig seien. Die beteiligte Arbeitgeberin habe aber durch ihre Mitteilung vom 7. April 1988 gerade klargestellt, daß sie in keiner Weise die Betriebsversammlung während der Öffnungszeiten der Spielbank oder die Teilnahme der Arbeitnehmer daran stören oder behindern wolle. Hiergegen habe der Betriebsrat nur den Einwand erhoben, die Arbeitgeberin habe mit ihrem Hinweis darauf, dem Tronc aus dem Bruttospielertrag nichts im Hinblick auf die Betriebsversammung hinzuzufügen, doch die Durchführung der Betriebsversammlung beeinträchtigt. Das sei tatsächlich jedoch nicht der Fall. Mit diesem Hinweis habe die Arbeitgeberin nur auf die dem Betriebsrat bekannte derzeitige durch Gesetz, Tarifvertrag und Einigungsstellenspruch feststehende, wenn auch im weiteren Verfahren zum Teil noch streitige Vergütungssituation hingewiesen und damit gleichzeitig die entsprechende Frage des Betriebsrates in dessen Schreiben vom 28. März 1988 über die Zahlung der Kosten der Betriebsversammlung beantwortet. Diese Vergütungssituation habe über die erstrebte einstweilige Verfügung in keiner Weise geklärt werden können; hierfür sei die einstweilige Verfügung schon nach ihrem Antrag offensichtlich ungeeignet gewesen.

2. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der Prüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz stand. Ein der Rechtsbeschwerde zugänglicher Fehler liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat den auch ihm zustehenden Beurteilungsspielraum gewahrt.

Der Betriebsrat durfte auch unter Beachtung des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes zur Zeit der Beschlußfassung und der Beauftragung von Rechtsanwalt R nicht zu dem Ergebnis gelangen, die Durchführung eines derartigen Verfahrens der einstweiligen Verfügung sei im Sinne von § 40 Abs. 1 BetrVG erforderlich. Der Kern der Auseinandersetzung der Beteiligten lag nicht in der Frage, ob eine Betriebsversammlung während der Öffungszeit der Spielbank durchgeführt werden durfte oder nicht, oder darin, daß Arbeitnehmer gehindert werden könnten, an dieser Betriebsversammlung teilzunehmen. Vielmehr ist es dem Betriebsrat – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat – wesentlich darum gegangen, mit Hilfe der einstweiligen Verfügung auf Schließung des Betriebes und deren Vollzug eine Situation herbeizuführen, die aus seiner Sicht zur Folge haben sollte, daß aus dem Bruttospielertrag im Hinblick auf die Durchführung der Betriebsversammlung Leistungen an den Tronc erfolgen müßten. Der Betriebsrat wollte hierdurch einen taktischen Vorteil für künftige Auseinandersetzungen über die Frage erlangen, ob und inwieweit die Kosten der Betriebsversammlung aus dem Tronc oder aus anderen Mitteln der Arbeitgeberin zu tragen seien. Die rechtliche Klärung dieses Problems konnte aber mit Hilfe der einstweiligen Verfügung auf Betriebsschließung nicht herbeigeführt werden. Eine solche Klärung war schon deswegen nicht möglich, weil der Sachantrag nicht auf diese Frage gerichtet war. Selbst wenn das Gericht gegebenenfalls zur Begründung seiner Entscheidung über den Sachantrag in der Sache selbst darauf abgestellt hätte, ob und inwieweit eine – denkbare – Verringerung der Tronceinnahme durch die vorübergehende Schließung der Spielbank für die Dauer der Betriebsversammlung eintreten werde und ob und inwieweit deswegen die Arbeitgeberin gehalten sei, in den Tronc einzuschießen, hätte eine solche Erwägung oder Begründung an der Rechtskraft der Entscheidung nicht teilgenommen. Zudem war mehr als zweifelhaft, ob es derartiger Erwägungen zur Entscheidung über den gestellten Antrag überhaupt bedurfte. Keineswegs konnte die Frage jedoch durch das angestrebte Verfahren der einstweiligen Verfügung auf Schließung des Betriebes während der Dauer der Betriebsversammlung mit auch nur irgend einem rechtlich relevanten Einfluß zwischen den Beteiligten geklärt werden.

Zutreffend hat das Landesarbeitgericht auch festgestellt, daß das mit dem Antrag unmittelbar verfolgte Ziel überhaupt nicht gefährdet war. Es kann dahinstehen, ob § 78 Satz 1 BetrVG einen Anspruch des Betriebsrates auf Schließung des Betriebes abgeben kann. Wenn überhaupt, könnte sich ein solcher Anspruch nur aus § 78 Satz 1 BetrVG und zudem nur dann ergeben, wenn tatsächlich eine Gefährung der Durchführung der Betriebsversammlung vorliegt und dieser Gefährung durch keine anderen Mittel als dem der Schließung des Betriebes begegnet werden kann. Allein aus der Tatsache, daß der Arbeitgeber seinen Betrieb nicht aufrecht erhalten kann, wenn alle Arbeitnehmer des Betriebes oder auch nur eine hinreichende Anzahl dieser Arbeitnehmer an der Betriebsversammlung während der sonst üblichen Öffnungszeit teilnehmen, folgt nicht schon die Berechtigung des Betriebsrates, eine Betriebsschließung auch gegen den Willen des Arbeitgebers zwangsweise durchzusetzen. Dabei muß auch bedacht werden, daß sich der Arbeitgeber möglicherweise Verzugslohnansprüchen gemäß § 615 BGB aussetzt, wenn er durch die Schließung des Betriebes Arbeitnehmer, die an der Betriebsversammlung nicht teilnehmen wollen, hindert, ihre Arbeit zu leisten. Wie das Landesarbeitsgericht indessen zu Recht festgestellt hat, war hier eine Gefährdung der Durchführung der Betriebsversammlung durch Hinderungsmaßnahmen der beteiligten Arbeitgeberin tatsächlich nicht zu befürchten, zumal sie in ihrem Schreiben an den Betriebsrat vom 7. April 1988 ausdrücklich klargestellt hatte, daß alle Arbeitnehmer, die es wünschten, an der Betriebsversammlung teilnehmen könnten. Die vom Betriebsrat insoweit gehegte Befürchtung, Arbeitnehmer könnten durch den Hinweis, den Tronc nicht aus dem Bruttospielertrag aufzufüllen, bewogen werden, lieber zum Zwecke der Erhöhung der Tronceinnahmen zu arbeiten als an der Betriebsversammlung teilzunehmen, betrifft gerade nicht die Durchführung der Betriebsversammlung, sondern das dahinterstehende finanzielle Interesse. Die Frage konnte aber nicht mit einer irgendwie gearteten rechtlichen Verbindlichkeit dadurch zwischen den Beteiligten geklärt werden, daß die Schließung des Betriebes einstweilen verfügt würde.

Insgesamt war daher der Rechtsbeschwerde der Erfolg zu versagen.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Schliemann, Dr. Gentz, Dr. Zachert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI969672

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