Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg. Geschäftsführer einer Kreishandwerkerschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Der Geschäftsführer einer Kreishandwerkerschaft gilt nicht als Arbeitnehmer i.S. des ArbGG, wenn er die Kreishandwerkerschaft kraft Satzung in den laufenden Geschäften vertritt. Das gilt auch dann, wenn die Parteien ausdrücklich einen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben.

 

Normenkette

GVG § 17a; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a, § 5 Abs. 1 Sätze 1, 3; HandwO §§ 53, 89 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LAG Bremen (Beschluss vom 23.08.1996; Aktenzeichen 2 Ta 77/95)

ArbG Bremerhaven (Beschluss vom 23.08.1995; Aktenzeichen 2 Ca 216/95)

 

Tenor

  • Die weitere sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 23. August 1996 – 2 Ta 77/95 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der weiteren sofortigen Beschwerde zu tragen.
  • Der Streitwert für das Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde wird auf 7.991,04 DM festgesetzt.
 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten darüber, ob der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist. Der Kläger hat – einschließlich eines während des Revisionsbeschwerdeverfahrens gestellten Antrages – beantragt,

  • festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche fristgerechte Kündigung, die die Beklagte mit Schreiben vom 15. Februar 1995, dem Kläger zugegangen am 15. Februar 1995, ausgesprochen hat, nicht aufgelöst ist,
  • die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 16.920,94 DM brutto nebst 11,75 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag aus 8.000,00 DM brutto für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1995 und für den sich ergebenden Nettobetrag aus 16.920,94 DM brutto für die Zeit ab 1. April 1995 zu zahlen.

Der Kläger war kraft Vertrages vom 12. Februar 1992 bei der Beklagten mit Wirkung vom 1. April 1992 “als Angestellter” eingestellt. Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, daß das Beschäftigungsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist, wohl aber, ob der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ausgeschlossen ist, weil der Kläger nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelte. Nach § 1 des Anstellungsvertrages sollte der Kläger nach Wahl durch die Mitgliederversammlung ab 1. Juni 1992 als Hauptgeschäftsführer tätig werden und seine Aufgaben sich nach einer Stellenbeschreibung richten. Nach § 2 war der Kläger zur Ausführung der Beschlüsse der Vorstände und der Mitgliederversammlung und zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und Satzungen sowie der Haushalts- und Kassenordnung der Beklagten verpflichtet. Die Vergütung des Klägers belief sich auf 7.991,04 DM monatlich (BAT I zzgl. 1.000,00 DM). Der Nachtrag zum Arbeitsvertrag, datierend vom 14. Mai 1992 sowie der Anschlußarbeitsvertrag vom 9. August 1994 enthielten unter anderem Änderungen bei den Nebenleistungen. Der ausdrücklich als “Anschluß-Anstellungsvertrag” überschriebene Vertrag vom 9. August 1994 sollte nach seinem § 9 Abs. 3 den am 12. Februar 1992 geschlossenen Anstellungsvertrag “ergänzen und ändern”. Beide Verträge sahen mit Ausnahme einiger Vorschriften die Geltung des BAT vor.

Zugleich wurde der Kläger Geschäftsführer der Unternehmensvereinigung für Handwerk und Gewerbe Bremerhaven-Wesermünde e.V. mit einer Monatsvergütung von zunächst 500,00 DM und ab 1. Juli 1994 von 2.500,00 DM. Ferner wurde er Geschäftsführer der Akademie des Handwerks an der Unterweser e.V. mit einer weiteren Monatsvergütung sowie Geschäftsführer des Versorgungswerks der der Kreishandwerkerschaft Bremerhaven-Wesermünde angeschlossenen Innungen e.V..

Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts gem. § 89 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 53 Satz 1 HandwO. Ihre Aufgaben, ihre Verwaltung und die Rechtsverhältnisse ihrer Mitglieder bestimmen sich anhand ihrer gem. §§ 53 Satz 2, 55, 56 Abs. 1 i.V.m. 89 Abs. 1 Nr. 1 HandwO mit Genehmigung der Handwerkskammer ergangenen Satzung. Nach § 9 der Satzung der Beklagten in der letzten Fassung vom 26. März 1992 sind Organe der Beklagten die Mitgliederversammlung, der Vorstand sowie die Ausschüsse. Der Vorstand besteht gem. § 17 Abs. 1 der Satzung aus dem Kreishandwerksmeister, dessen Stellvertreter sowie drei weiteren Mitgliedern aus dem Bereich der Innungen. Zur Vertretung befugt sind nach § 20 Abs. 1 gemeinsam der Kreishandwerksmeister und der Hauptgeschäftsführer, während die Geschäftsführung nach § 21 Abs. 1 grundsätzlich dem Vorstand obliegt, jedoch hinsichtlich der laufenden Geschäfte der Verwaltung gem. § 21 Abs. 2 dem insoweit auch vertretungsberechtigten Hauptgeschäftsführer. § 21 Abs. 2 Satz 1 der Satzung sieht ausdrücklich vor, daß der Abschluß von Anstellungs-Arbeitsverträgen mit den Beschäftigten dem Hauptgeschäftsführer obliegt.

Aufgrund einer Aufsichtsprüfung vom 20. Dezember 1994 beanstandete die Handwerkskammer Bremen mit Schreiben vom 28. Dezember 1994 insgesamt acht Positionen aus den Bereichen Kassen- und Haushaltsführung und setzte eine Beseitigungs- und Berichtsfrist auf den 6. Januar 1995 fest. Am 4. Januar 1995 fand eine außerordentliche Vorstandssitzung der Beklagten statt; anstelle der vom Kläger entworfenen umfangreichen, 32 Punkte umfassenden Tagesordnung wurde eine vom Kreishandwerksmeister als Tischvorlage eingebrachte, sehr viel kürzere Tagesordnung behandelt. Mit Schreiben vom 6. Februar 1995, gerichtet an die Vorstandsmitglieder der Beklagten, die Obermeister und Stellvertreter der angeschlossenen Innungen, die Handwerkskammern Lüneburg und Stade, den Personalrat der Beklagten und leitende Mitarbeiter der Handwerksorganisationen Bremerhaven-Wesermünde teilte der Kläger mit, daß er derzeit nicht in der Lage sei, die ihm satzungsgemäß übertragene Verantwortung der Erledigung der laufenden Geschäfte wahrzunehmen, da der Kreishandwerksmeister seit längerem in die Geschäftsleitung eingreife. Die Vorstandsarbeit könne nicht mehr als geordnet bezeichnet werden, der Kreishandwerksmeister habe die Tagesordnung des Hauptgeschäftsführers eigenmächtig abgesetzt und setze sich inzwischen in einzelnen Fällen sogar über Vorstandsbeschlüsse hinweg.

Nachdem der Kläger mit Wirkung ab 9. Februar 1995 von der Arbeit freigestellt worden war, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 15. Februar 1995 – nach ihrer Behauptung mit Zustimmung des vorsorglich angehörten Personalrates – fristlos, hilfsweise fristgerecht. In gleicher Weise kündigten auch die Akademie des Handwerks an der Unterweser e.V. und die Unternehmensvereinigung für Handwerk und Gewerbe Bremerhaven-Wesermünde. Die Beklagte behauptet, daß der Kündigungsbeschluß auf der außerordentlichen Vorstandssitzung der Beklagten am 14. Februar 1995 satzungsgemäß zustandegekommen, zur außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 23. Februar 1995 satzungsgemäß geladen worden und der Kläger auf dieser Versammlung als Hauptgeschäftsführer abgewählt worden sei. Die Beklagte stützt die Kündigung auch auf ein unter dem Briefkopf der Unternehmensvereinigung erstelltes Schreiben des Klägers vom 9. Januar 1995, welches nach ihrer Behauptung vom Kläger eigenmächtig verfaßt und ihr erst nach dem 9. Februar 1995 bekannt geworden sein soll. Darin sagte der Kläger einem befreundeten Immobilienmakler namens L… ein Drittel seiner Provision auch für den Fall zu, daß dieser einen zu marktüblichen Konditionen erwerbsbereiten Käufer für die der Unternehmensvereinigung gehörende Schule stelle, der Vorstand sich aber nicht zum Verkauf entschließe. Mit Schreiben vom 10. März 1995 machte der Makler aus dieser Zusage Provisionsansprüche in Höhe von 69.000,00 DM geltend.

Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam und die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für gegeben. Er macht geltend: Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gälten für die Frage der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nur solche Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes zur Vertretung des Arbeitgebers befugt seien; seine Vertretungsmacht hingegen beruhe auf der Satzung der Beklagten und stelle daher keine gesetzliche Vertretungsmacht dar. Eine gesetzliche Regelung, wonach eine Körperschaft des öffentlichen Rechts von ihrem Hauptgeschäftsführer vertreten werde, gebe es nicht. Auch lasse die Handwerksordnung nur zu, daß die Vertretung der Kreishandwerkerschaft dem Hauptgeschäftsführer insgesamt anstelle des Vorstandes übertragen werde, wohingegen nach § 20 der Satzung der Beklagten lediglich eine gemeinsame Vertretung durch den Hauptgeschäftsführer zusammen mit dem Kreishandwerksmeister vorgesehen sei.

Die Beklagte meint hingegen, daß die Einräumung einer Gesamtvertretungsbefugnis an den Hauptgeschäftsführer nach den Vorschriften der Handwerksordnung erst recht zulässig sei und daher der Kläger als Vertretungsberechtigter nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer gelte, mithin die Arbeitsgerichte nicht zuständig seien.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen verneint, das Landesarbeitsgericht die dagegen erhobene sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere sofortige Beschwerde des Klägers. Hinsichtlich der durch die Akademie des Handwerks und die Unternehmensvereinigung ausgesprochenen Kündigungen haben Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen deshalb verneint, weil der Kläger bei diesen eingetragenen Vereinen nach deren Satzungen Organmitglied i.S.v. § 26 BGB gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

II. Die weitere sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Recht für nicht gegeben erachtet. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, daß er Arbeitnehmer im materiell-rechtlichen Sinne ist; jedenfalls gilt der Kläger gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG für den Anwendungsbereich des Arbeitsgerichtsgesetzes, insbesondere für die Frage des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten, nicht als Arbeitnehmer.

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a, b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses; Arbeitnehmer sind dabei gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG Arbeiter und Angestellte sowie die zur Berufsausbildung Beschäftigten. Jedoch gilt gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer, wer in Betrieben einer juristischen Person kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglied des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person berufen ist.

2. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gilt der Kläger deshalb nicht als Arbeitnehmer, weil er kraft Satzung allein zur Vertretung der juristischen Person berufen ist, bei der er angestellt ist. Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG enthält eine negative Fiktion (BAG Beschluß vom 13. Mai 1996 – 5 AZB 27/95 – AP Nr. 27 zu § 5 ArbGG 1979); sie berücksichtigt, daß juristische Personen nur durch ihre Organe handeln und nur durch sie ihre Arbeitgeberfunktion ausüben können; deshalb ist es gerechtfertigt, die Organpersonen nicht als Arbeitnehmer anzusehen (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. zuletzt Beschluß vom 18. Dezember 1996 – 5 AZB 25/96 – sowie Beschluß vom 10. Dezember 1996 – 5 AZB 20/96 –, beide zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; ferner BAG Beschluß vom 21. Februar 1994 – 2 AZB 28/93 – AP Nr. 17 zu § 5 ArbGG 1979).

a) Die Beklagte ist juristische Person i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, und zwar eine solche des öffentlichen Rechts. Nach § 53 in Verb. mit § 89 Abs. 1 Nr. 1 HandwO besitzt sie den Status einer rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts. Körperschaften des öffentlichen Rechts sind juristische Personen des öffentlichen Rechts (Rudolf in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 1992, § 56 Rz 12; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl. 1994, § 34 Rz 6), so daß auch Handwerksinnungen nach § 53 HandwO bzw. Kreishandwerker-schaften nach § 53 HandwO in Verb. mit § 89 Abs. 1 Nr. 1 HandwO zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts zählen (Abele, Die Deutsche Handwerksordnung, Stand Oktober 1996, § 53 Rz 4). Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts fallen unter § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG (Dersch/Volkmar, ArbGG, 6. Aufl. 1955, § 5 Rz 85; Rohlfing/Rewolle/Bader, ArbGG, Stand Juli 1987, § 5 Anmerkung 6).

b) Der Kläger war kraft Satzung allein zur Vertretung der Beklagten berufen. Das folgt aus § 21 Abs. 2 der Satzung, wonach der Hauptgeschäftsführer die Geschäfte der laufenden Verwaltung erledigt und insoweit auch die Kreishandwerkerschaft vertritt, und zwar auch beim Abschluß von Arbeitsverträgen mit den Beschäftigten.

aa) Hierbei handelt es sich um eine Alleinvertretungsberechtigung des Hauptgeschäftsführers. Hinsichtlich der Geschäfte der laufenden Verwaltung bedarf seine Vertretungstätigkeit keiner Mitwirkung einer anderen Person. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang die allgemeine Vertretungsregelung des § 20 Abs. 1 Satz 1 der Satzung, wonach die Vertretung gemeinsam durch Kreishandwerksmeister und Hauptgeschäftsführer erfolgt. Selbst wenn man – wofür vieles spricht – annehmen wollte, daß die Vertretungsmacht des Hauptgeschäftsführers in Geschäften der laufenden Verwaltung keine ausschließliche sei, sondern daß daneben auch eine Vertretung nach Maßgabe des § 20 Abs. 1 Satz 1 erfolgen könne, stünde dies der Annahme einer Alleinvertretung nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG durch den Hauptgeschäftsführer in Geschäften der laufenden Verwaltung nicht entgegen. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG verlangt schon dem Wortlaut nach nicht das Vorliegen einer ausschließlichen Vertretungsmacht (BAG Urteil vom 30. Juni 1960 – 5 AZR 404/59 – BAGE 9, 313, 316 = AP Nr. 8 zu § 5 ArbGG 1953). Daher fällt auch der gesetzlich für die Geschäfte der laufenden Verwaltung zuständige Geschäftsführer einer grundsätzlich durch den Vorstand vertretenen AOK unter § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG; es ist unbeachtlich, daß insofern zwei Vertretungsorgane bestehen (BAG Urteil vom 30. Juni 1960, aaO, BAGE 9, 313, 315).

bb) Für § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG genügt die Übertragung von Teil-Vertretungsbefugnissen; die Vorschrift stellt nicht darauf ab, in welchem Umfang jemand vertretungsberechtigt ist (BAG Urteil vom 30. Juni 1960, aaO, BAGE 9, 313, 316 f.). Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG wird selbst durch erhebliche Einschränkungen der Vertretungsbefugnis des GmbH-Geschäftsführers im Innenverhältnis nicht ausgeschlossen (BAG Urteil vom 17. Januar 1985 – 2 AZR 96/84 – AP Nr. 2 zu § 5 ArbGG 1979).

cc) Die Vertretungsmacht des Klägers ergibt sich aus einer Satzung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG; es liegt nicht lediglich der vom Kläger angenommene Fall einer für § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht ausreichenden rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht vor.

Nach § 55 in Verb. mit § 89 Abs. 1 Nr. 1 HandwO war für die Beklagte als Kreishandwerkerschaft und damit Körperschaft des öffentlichen Rechts eine Satzung mit bestimmtem Mindestinhalt zu errichten und gem. §§ 53 Satz 2, 56 in Verb. mit § 89 Abs. 1 Nr. 1, 2 HandwO durch die Handwerkskammer zu genehmigen. Diese Satzungserrichtung beruht auf der zwingenden Satzungsermächtigung des § 55 Abs. 1 HandwO (“… sind … durch die Satzung zu regeln”). Öffentlich-rechtliche Satzungen sind einseitig erlassene Rechtssetzungen eigenständiger, dem Staat eingeordneter Verbände, insbesondere der Körperschaften, zur Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten im Rahmen der ihnen verliehenen staatlichen Autonomie (Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl. 1994, § 25 Rz 46; Rudolf in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 1992, § 7 Rz 63); sie sind Rechtsvorschriften und damit Gesetz zwar nicht im formellen, aber im materiellen Sinne (Rudolf, aaO, Rz 65), nicht hingegen private Rechtsakte. Somit ist auch die in öffentlich-rechtlicher Satzung erfolgte Vertretungsdelegation auf einen Hauptgeschäftsführer keine rechtsgeschäftliche Erteilung von Vertretungsmacht. Eine solche würde für § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht ausreichen (BAG Urteil vom 26. Juni 1967 – 3 AZR 341/66 – BAGE 19, 355, 362 für einen Prokuristen).

dd) Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung steht das in der Satzung der Beklagten vorgesehene System der Vertretung im Einklang mit den Vorschriften der HandwO; diese läßt nicht etwa nur zu, die Vertretung insgesamt dem Hauptgeschäftsführer anstelle des Vorstandes zu übertragen. Denn § 66 Abs. 3 Satz 2 in Verb. mit § 89 Abs. 1 Nr. 5 HandwO sieht vor, daß durch die Satzung “die Vertretung einem oder mehreren Mitgliedern des Vorstandes oder dem Geschäftsführer übertragen werden” kann. Ein Höchstoder Mindestumfang der Übertragung ist nicht vorgesehen; auch Teilvertretungsbefugnisse können übertragen werden. Das ist insbesondere hinsichtlich der laufenden Verwaltungsgeschäfte sachdienlich (Aberle, Die Deutsche Handwerksordnung, Stand Oktober 1996, § 66 Rz 10; Siegert/Musielak, Das Recht des Handwerks, Stand Juli 1983, § 66 Rz 13 f.). Teilweise wird sogar angenommen, daß die Übertragung der Gesamtvertretung auf den Geschäftsführer die Organstellung des Vorstandes aushöhle und daher nicht möglich sei (Aberle, aaO, Rz 10).

c) Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich auch dann nicht, wenn man davon ausgeht, daß der Kläger am 23. Februar 1995 auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung der Beklagten als Hauptgeschäftsführer abgewählt wurde und dadurch seine Vertretungsbefugnisse verloren hat. Selbst, wenn die Kündigung nach Abberufung erfolgt, besteht keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für die Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung des Anstellungsverhältnisses, welches der Organstellung bzw. der Vertretungsbefugnis zugrundeliegt, denn § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG fingiert, daß der Vertreter der juristischen Person kein Arbeitnehmer ist (BAG Urteil vom 9. Mai 1985 – 2 AZR 330/84 – BAGE 49, 81, 90 = AP Nr. 3 zu § 5 ArbGG 1979, m.w.N. (Martens); BAG Urteil vom 12. März 1987 – 2 AZR 336/86 – BAGE 55, 137, 145 = AP Nr. 6 zu § 5 ArbGG 1979).

d) Eine Arbeitnehmerstellung des Klägers und damit die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich auch nicht aus dem Vorliegen eines weiteren, unterscheidbaren Beschäftigungsverhältnisses. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann neben einem freien Dienstverhältnis als Grundlage der Vertreterstellung ein Arbeitsverhältnis (fort-)bestehen (BAG Urteil vom 9. Mai 1985 – 2 AZR 330/84 – BAGE 49, 81 = AP Nr. 3 zu § 5 ArbGG 1979; Urteil vom 12. März 1987 – 2 AZR 336/86 – BAGE 55, 137, 146 f. = AP Nr. 6 zu § 5 ArbGG 1979; vgl. BAG Beschluß vom 18. Dezember 1996 – 5 AZB 25/96 –, auch zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen; ferner BAG Beschluß vom 28. September 1995 – 5 AZB 4/95 – AP Nr. 24 zu § 5 ArbGG 1979). Entsprechend mag neben einem Arbeitsverhältnis im materiellen Sinne, welches für die Rechtswegsfrage wegen § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitsverhältnis gilt, ein weiteres Arbeitverhältnis (fort-)bestehen, für dessen Beurteilung die Arbeitsgerichte nach Beendigung der Organstellung zuständig wären. Für das Bestehen eines weiteren Arbeitsverhältnisses im materiellen Sinne gibt es vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte: Die in Überschrift und Präambel ausdrücklich als “Anschluß-Anstellungsvertrag” bezeichnete Vereinbarung vom 9. August 1994 “ergänzt und ändert” nach dem Wortlaut ihres § 9 Abs. 3 den am 12. Februar 1992 geschlossenen Anstellungsvertrag, stellt hingegen keinen weiteren, neuen, unabhängigen Vertrag dar. Inhaltlich liegen Veränderungen nur in Nebenpositionen vor (Übernahme der Treibstoffkosten für Privatfahrten im Inland durch die Beklagte, Abschluß von Unfall- und Amtshaftpflichtversicherung (§ 4 Anschlußvertrag), Wegfall der Umzugskostenvereinbarung aus § 9). Der Kläger hat sich auch nicht auf das Vorliegen eines weiteren Beschäftigungsverhältnisses im Sinne einer unterscheidbaren Doppelstellung berufen.

 

Unterschriften

Griebeling, Schliemann, Reinecke

 

Fundstellen

Haufe-Index 884909

NZA 1997, 902

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