Entscheidungsstichwort (Thema)

Divergenzfähigkeit von LArbG-Entscheidung

 

Leitsatz (redaktionell)

Mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Juli 1985 1 ABR 35/83 = BAGE 49, 180 = AP Nr 21 zu § 99 BetrVG 1972 ist die Rechtsfrage entschieden, ob der Betriebsrat einer Einstellung die Zustimmung mit der Begründung verweigern kann, Bestimmungen im Arbeitsvertrag verstießen gegen ein Gesetz oder einen Tarifvertrag. Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte zu dieser Rechtsfrage sind daher nicht mehr divergenzfähig, gleichgültig, zu welchen arbeitsvertraglichen Bestimmungen sie ergangen sind.

 

Normenkette

ArbGG §§ 72a, 92a, 72 Abs. 2 Nr. 2; BetrVG § 99 Abs. 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 22.09.1987; Aktenzeichen 4 TaBV 290/86)

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 18.09.1986; Aktenzeichen 10 BV 5/86)

 

Gründe

I. Der Betriebsrat hat der vom Arbeitgeber beabsichtigten Einstellung eines Arbeitnehmers als Ausbilder auf dem Fachgebiet Raumausstattung die Zustimmung mit der Begründung verweigert, die im Arbeitsvertrag enthaltene Verpflichtung des Arbeitnehmers, in der Woche bis zu 32 Zeitstunden Unterricht zu leisten bei nur acht Vorbereitungs- und Nacharbeitsstunden, verstoße gegen die Arbeitszeitordnung und den einschlägigen Manteltarifvertrag.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben auf Antrag des Arbeitgebers die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung dieses Arbeitnehmers ersetzt. Das Landesarbeitsgericht hat in seinem Beschluß die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde des Betriebsrats.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Die Beschwerde macht geltend, die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts weiche von einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9.August 1985 - 5 Ta BV 3/85 - ab. Während das Landesarbeitsgericht die anzufechtende Entscheidung damit begründet habe, daß unter einer Einstellung nicht auch die jeweiligen Vertragsbedingungen zu verstehen seien, habe das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg den Rechtssatz aufgestellt, daß das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei einer beabsichtigten Einstellung sich auch auf die grundlegenden materiellen Arbeitsbedingungen erstrecke, die der Eingliederung zugrunde liegen, wenn und soweit diese offensichtlich gegen Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung verstoßen.

Auf diese Divergenz kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg ist nicht mehr divergenzfähig. Eine Abweichung der anzufechtenden Entscheidung von einer Entscheidung eines anderen Landesarbeitsgerichts rechtfertigt die Zulassung der Rechtsbeschwerde nur solange, als die Rechtsfrage nicht schon durch das Bundesarbeitsgericht entschieden worden ist (§ 92 a in Verb. mit § 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG). Das ist hier der Fall.

2. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 16. Juli 1985 (BAGE 49, 180 = AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG 1972) ausgesprochen, daß der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers nicht mit der Begründung verweigern könne, die vertraglich vorgesehene Befristung des Arbeitsverhältnisses sei unzulässig. Er hat dies u.a. damit begründet, daß der Betriebsrat "Hüter des zwingenden Rechts" nur insoweit sei, wie die personelle Einzelmaßnahme als solche, also die Einstellung, gegen zwingendes Recht verstoße. Der Betriebsrat könne anläßlich einer Einstellung die Wahrung des gesamten zwingenden Rechts nicht kontrollieren und überwachen, seiner Zustimmung unterliege daher nicht der Inhalt des Arbeitsvertrages.

Mit dieser Entscheidung ist die Rechtsfrage, hinsichtlich derer das Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg divergierende Rechtssätze aufgestellt haben, entschieden. Dem steht entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht entgegen, daß das Bundesarbeitsgericht lediglich über die Frage zu entscheiden hatte, ob eine unwirksame Befristungsabrede zur Verweigerung der Zustimmung berechtigt. Das Bundesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ganz allgemein den Rechtssatz aufgestellt, daß der Inhalt des Arbeitsvertrages anläßlich einer Einstellung nicht der Zustimmung des Betriebsrats unterliege. Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in einer Rechtsfrage ist schon dann ergangen im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG, wenn das Bundesarbeitsgericht lediglich in der Begründung einer Entscheidung zu einer anderen Rechtsfrage eine bestimmte Rechtsansicht geäußert hat (Beschluß vom 17. Februar 1981 - 1 ABN 25/80 - AP Nr. 7 zu § 72 a ArbGG 1979 Divergenz). Das ist hier der Fall. Die Rechtsansicht des Bundesarbeitsgerichts, daß der Inhalt des Arbeitsvertrages nicht der Zustimmung des Betriebsrats unterliege, erfaßt auch den Fall, daß der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung mit der Begründung verweigert, eine Arbeitszeitvereinbarung im Arbeitsvertrag verstoße gegen zwingendes Recht. Mit dieser Ansicht stimmt die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main überein.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist daher nicht begründet.

Dr. Kissel Matthes Dr. Weller

Andersch Weinmann

 

Fundstellen

RdA 1988, 191

ZTR 1988, 232-232 (LT1)

AP § 92a ArbGG 1979 (LT1), Nr 6

AR-Blattei, Arbeitsgerichtsbarkeit XE Entsch 66 (LT1)

AR-Blattei, ES 160.10.5 Nr 66 (LT1)

EzA § 72a ArbGG 1979, Nr 50 (LT1)

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