Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung. Gruppenführer der Deutschen Bahn AG

 

Normenkette

Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer der Deutschen Bahn AG § 3 Abs. 1, Anlage 1 Entgeltgruppen E 7, E 8

 

Verfahrensgang

LAG Bremen (Beschluss vom 23.04.1997; Aktenzeichen 2 TaBV 49/95)

ArbG Bremen (Beschluss vom 03.08.1995; Aktenzeichen 1 BV 79/95)

 

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 23. April 1997 – 2 TaBV 49/95 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten über die zutreffende Eingruppierung von Gruppenführern bei der Deutschen Bahn AG (Arbeitgeberin).

Der Gruppenführer K. wird in der Meisterei 36 für Fräs- und Dreharbeiten eingesetzt. Die Gruppe führt die mechanische Fertigung von Getrieben und Laufwerken aus. Der Gruppenführer S. wird in der Meisterei 31 für die Montage von Dieselmotoren beschäftigt. Zur Gruppe gehören 11 Handwerker. Der Gruppenführer W wird in der Meisterei 23 für die Reparatur von Tank- und Speisewasserbehältern eingesetzt. Ihm unterstehen sechs Mitarbeiter, darunter fünf Schlosser bzw. Klempner. Der Gruppenführer G. ist in der Meisterei 29 für die Aufarbeitung von Achstrieben zuständig. Er steht einer Gruppe von Facharbeitern vor, die Schlosserarbeiten ausführen.

Die allgemeine Arbeitsplatzbeschreibung für Gruppenführer von Arbeitsgruppen vom Februar 1995 lautet unter anderem:

„Beachten der allgemeinen Anweisungen des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit.

Führen der Arbeitsgruppe durch Arbeitsverteilung, fachliche Anleitung und Arbeitsaufsicht.

Sicherstellen der Abwicklung der Arbeitsaufträge nach den Arbeitsunterweisungen, den technischen Mitteilungen und den geltenden Regeln der Technik sowie sonstigen Anweisungen.

Durchführung der vollständigen und fristgerechten Erledigung von Aufträgen nach den vereinbarten Zielen wie Qualität und Termine.

Informieren des Vorgesetzten über

  • • Störungen an Maschinen und die Notwendigkeit der Instandsetzung sowie
  • • überfällige Wartungsfristen an Maschinen und Prüffristen für Werkzeuge.

Wirtschaftlicher Umgang mit Betriebsmitteln und Material.

Anforderungen

Erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung von mindestens zweieinhalb Jahren (Regelausbildung) als qualifizierter Facharbeiter.

Erweiterte Fachkenntnisse durch mehrjährige Tätigkeiten im Ausbildungsberuf und im Aufgabengebiet.

Genaue Kenntnisse der Sicherheitsanweisungen für die Arbeitsplätze des jeweiligen Zuständigkeitsbereiches.

Eingruppierung: Entgeltgruppe E 7 ETV”

Der von der Arbeitgeberin vorgesehenen Eingruppierung dieser Gruppenführer in die Entgeltgruppe E 7 des Entgelttarifvertrages für die Arbeitnehmer der Deutschen Bahn AG (ETV) vom 1. Januar 1994 verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung. Die Arbeitgeberin begehrt deshalb die Ersetzung der Zustimmung.

Sie hat behauptet, die Tätigkeit der Gruppenführer bestehe mit täglich höchstens ein bis zwei Stunden aus rein organisatorischen Arbeiten wie der Entgegennahme der Auftragszettel vom Meister, der Verteilung dieser Zettel an Gruppenmitarbeiter nach deren Fähigkeiten sowie der fachlichen Anleitung bei den auszuführenden Arbeiten. Die Gruppenführer hätten keine Weisungsbefugnis. Für die Aufgaben im Bereich der Arbeitsnachweise sei der Meistereiführer zuständig. Die Gruppenführer leisteten insoweit allenfalls Zuarbeit. Die Aufgaben der Kalkulation führe der Arbeitsaufnahmemeister durch. Kalkulationsaufgaben könnten deshalb nicht anfallen, weil die vom Gruppenführer ausgeführten Arbeiten in ihrem technischen und kostenmäßigen Umfang bereits festgelegt seien. Eine Beteiligung des Gruppenführers bei der Kalkulation komme nur dann in Frage, wenn ausnahmsweise keine Stückzeitenvorgabe vorhanden sei und Erfahrungswerte nicht vorlägen.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die beabsichtigte Eingruppierung sei deshalb zutreffend, weil der Gruppenführer als Richtbeispiel in der Entgeltgruppe E 7 genannt sei.

Sie hat beantragt,

wegen der Eingruppierung der Arbeitnehmer

  1. Herrn Walter K. als Gruppenführer für Fräs- und Dreharbeiten in der Meisterei 36,
  2. Herrn Walter S. als Gruppenführer für die Montage von Dieselmotoren in der Meisterei 31,
  3. Herrn Wolfgang W. als Gruppenführer für die Reparatur von Tank- und Speisewasserbehältern in der Meisterei 23 und
  4. Herrn Günter G. als Gruppenführer für die Aufarbeitung von Achstrieben in der Meisterei 29 die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7 der Arbeitnehmer zu 1. – 4. zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Gruppenführer seien in die Entgeltgruppe E 8 einzugruppieren. Die Gruppenführer würden umfangreich in ihre Tätigkeit eingewiesen und verfügten in der Regel über eine langjährige Erfahrung als Vertreter eines Gruppenführers. Daher könne diese Einweisung einer betrieblichen Ausbildung gleichgesetzt werden. Darüberhinaus führten sie eine Gruppe von qualifizierten Facharbeitern.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Anträge der Arbeitgeberin abgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 7 weiter. Der Betriebsrat bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dieses wird zu klären haben, welche Tätigkeiten der einzelne Gruppenführer im Rahmen der Arbeitsplatzbeschreibung für Gruppenführer verrichtet und ob es sich dabei um Tätigkeiten handelt, die sich gegenüber den Tätigkeiten nach der Entgeltgruppe E 7 durch gesteigerten Arbeitsinhalt abheben.

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Gruppenführer seien in die Entgeltgruppe E 8 einzuordnen, weil in ihrer Gruppe Facharbeiter mit Aufgaben betraut seien, die nach dem Hochwertigkeitsverzeichnis zum Lohntarifvertrag für Arbeiter der Deutschen Bundesbahn, der durch den ETV abgelöst worden ist, als hochwertig anzusehen seien. Die Funktion eines Gruppenführers in einer Gruppe von Facharbeitern, die damit nach der Entgeltgruppe E 7 einzugruppieren seien, erfülle deshalb das Heraushebungsmerkmal der Entgeltgruppe E 8.

Mit dieser Begründung kann der angefochtene Beschluß keinen Bestand haben. Weder die Anwendung des Hochwertigkeitsverzeichnisses noch die vom Landesarbeitsgericht angenommene Tarifautomatik ergeben sich aus dem ETV.

2. Die Eingruppierung eines Gruppenführers bestimmt § 3 Abs. 1 ETV in Verbindung mit dem Entgeltgruppenverzeichnis (Anlage 1). Danach richtet sich die Eingruppierung des Arbeitnehmers in eine Entgeltgruppe nach der von ihm ausgeführten und nicht nur vorübergehend übertragenen Tätigkeit und nicht nach seiner Berufsbezeichnung. Die Entgeltgruppen und deren Tätigkeitsmerkmale ergeben sich aus dem Entgeltgruppenverzeichnis (Anlage 1). Dieses lautet unter anderem:

Anlage 1 zum ETV

Entgeltgruppenverzeichnis für die Arbeitnehmer

der DB AG

Vorbemerkungen

II. Tätigkeitsmerkmale/Richtbeispiele

Die Eingruppierung des Arbeitnehmers in eine Entgeltgruppe richtet sich grundsätzlich nach dem Oberbegriff der maßgebenden Entgeltgruppe. Die Richtbeispiele sind ergänzend und beispielhaft zugeordnet; sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und legen lediglich die Mindesteingruppierung fest. Das heißt, daß bei Erfüllung der höheren Anforderungen für die in den Richtbeispielen aufgeführten Tätigkeiten auch eine höhere Einstufung erfolgt.

Die Entgeltgruppen 7 und 8 lauten:

E 7 Tätigkeiten, die

  • • über E 6 hinaus erweiterte Fachkenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen oder
  • • sich gegenüber E 6 durch gesteigerten Arbeitsinhalt abheben.

Richtbeispiele:

  • Gruppenführer/in

E 8 Tätigkeiten, die

  • • durch höherwertige kaufmännische oder technische Aufgaben geprägt sind und
  • • zu ihrer Ausführung

    • • eine berufliche Spezialausbildung oder
    • • eine entsprechende betriebliche Ausbildung erfordern

    oder

  • • die sich gegenüber E 7 durch gesteigerten Arbeitsinhalt abheben.

Richtbeispiele:

  • Werkmeister/in

a) Gruppenführer sind als Richtbeispiel in der Entgeltgruppe E 7 aufgeführt. Gemäß Anlage 1 Vorbemerkung II Satz 2 des Entgeltgruppenverzeichnisses zum ETV ergibt sich damit eine Mindesteingruppierung für die Tätigkeit der Gruppenführer in die Entgeltgruppe E 7.

b) Eine Eingruppierung der Gruppenführer in die Entgeltgruppe E 8 setzt gemäß Anlage 1 Vorbemerkung II Satz 3 des Entgeltgruppenverzeichnisses zum ETV voraus, daß die höheren Anforderungen dieser Entgeltgruppe in jedem Einzelfalle erfüllt sein müssen.

Nach dem Oberbegriff der Entgeltgruppe E 8 müssen entweder Tätigkeiten vorliegen, die durch höherwertige kaufmännische oder technische Aufgaben geprägt sind und zu ihrer Ausführung eine berufliche Spezialausbildung oder eine entsprechende betriebliche Ausbildung erfordern, oder die sich gegenüber der Entgeltgruppe E 7 durch gesteigerten Arbeitsinhalt abheben.

aa) Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die genannten Gruppenführer Tätigkeiten im Sinne dieses Oberbegriffes ausüben, die durch höherwertige kaufmännische oder technische Aufgaben geprägt sind und eine berufliche Spezialausbildung oder eine entsprechende betriebliche Ausbildung erfordern. Soweit der Betriebsrat vorgetragen hat, daß die Gruppenführer umfangreich in ihre Tätigkeit eingewiesen werden und in der Regel über eine langjährige Erfahrung als Vertreter eines Gruppenführers verfügen, beinhaltet dies keine berufliche Spezialausbildung oder eine entsprechende betriebliche Ausbildung. Demgemäß nimmt auch der Betriebsrat nur an, daß die Einweisung einer betrieblichen Ausbildung gleichgesetzt werden könne. Der ETV läßt in der Entgeltgruppe E 8 als Heraushebungsmerkmal Erfahrung und Einweisung aber nicht genügen.

bb) Die genannten Gruppenführer können damit die Voraussetzungen der Entgeltgruppe E 8 nur erfüllen, wenn sie Tätigkeiten ausüben, die sich gegenüber der Entgeltgruppe E 7 durch gesteigerten Arbeitsinhalt abheben.

Entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts läßt sich aufgrund des durch den ETV abgelösten Lohntarifvertrags für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn und des hierzu ergangenen örtlichen Hochwertigkeitsverzeichnisses nicht ermitteln, ob die Tätigkeiten dieser Gruppenführer einen gesteigerten Arbeitsinhalt haben. Das Verzeichnis der hochwertigen Arbeiten ist ausdrücklich als Zusatzbestimmung zur Lohngruppen-Einteilung der LTV-Tarifstelle B III 1 ergangen. Für die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale der Entgeltgruppen des ETV findet es dagegen keine Anwendung. Der Begriff „höherwertig” wird in den Entgeltgruppen des ETV nicht mehr verwendet. Mit dem ETV ist ein gegenüber dem Lohntarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn neuer und andersartiger Tarifvertrag geschaffen worden, der das Entgeltgefüge völlig verändert in einen anderen Gesamtzusammenhang stellt. Davon gehen auch die Tarifvertragsparteien aus. Sie haben im ETV jede Bezugnahme auf das bisherige Tarifwerk vermieden.

Die Tarifvertragsparteien haben allerdings nicht erläutert, was sie unter den Begriff „gesteigerter Arbeitsinhalt” verstehen. Arbeitsinhalt ist der Aufgabenbereich eines Arbeitnehmers. Wenn sich Tätigkeiten durch gesteigerten Arbeitsinhalt von denen der niedrigeren Entgeltgruppe abheben sollen, muß der betroffene Arbeitnehmer daher einen gegenüber dem Normalmaß, also den durchschnittlichen Anforderungen deutlich erkennbar erweiterten Aufgabenbereich haben. Dies bedeutet einerseits, daß eine völlig unerhebliche Steigerung unbeachtlich bleibt, während sie andererseits auch nicht beträchtlich oder gar prägend sein muß. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts werden jedoch keine weiteren Kenntnisse und Fertigkeiten vorausgesetzt. Die Entgeltgruppe E 7 differenziert gerade zwischen erweiterten Fachkenntnissen und Fertigkeiten einerseits und dem gesteigerten Arbeitsinhalt andererseits.

Damit kommt es darauf an, ob die einzelnen Gruppenführer einen gegenüber den allgemeinen Anforderungen nach der Entgeltgruppe E 7 einen deutlich erweiterten Aufgabenbereich haben. Dabei ist davon auszugehen, daß der allgemeine Aufgabenbereich der Gruppenführer, wie er in der Arbeitsplatzbeschreibung der Arbeitgeberin inhaltlich genau bezeichnet ist, dem Richtbeispiel des Gruppenführers der Entgeltgruppe E 7 entspricht. Das Landesarbeitsgericht hat bisher keine Feststellungen dazu getroffen, welche Tätigkeiten die einzelnen Gruppenführer insoweit ausüben und ob und in welchem Maße darüber hinaus Tätigkeiten ausgeführt werden, die sich gegenüber den Tätigkeiten nach der Entgeltgruppe E 7 durch gesteigerten Arbeitsinhalt abheben. Dies wird es nachzuholen haben.

Soweit dem Gruppenführer nach der allgemeinen Arbeitsplatzbeschreibung rein administrative Aufgaben obliegen (Beachten des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit, Durchführung der fristgerechten Erledigung der Aufträge, Information des Vorgesetzten über Störungen und Wartungsfristen, wirtschaftlicher Umgang mit Betriebsmitteln), bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Tätigkeiten an den Gruppenführer höhere Anforderungen stellen. Arbeitsschutz, Termine, Störungen, Wartungsfristen und wirtschaftlicher Umgang mit Betriebsmitteln werden bei normalen wie auch bei qualifizierten Gruppenführern gefordert. Ein gesteigerter Arbeitsinhalt im Sinne der Entgeltgruppe E 8 kann sich allerdings für die Gruppenführer daraus ergeben, daß an die fachliche Anleitung und Aufsicht wie an die Beachtung der technischen Vorgaben deshalb gesteigerte Anforderungen gestellt werden, weil die Gruppenmitglieder ihrerseits besonders qualifizierte Tätigkeiten ausführen. Im übrigen wird sich das Landesarbeitsgericht bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes „gesteigerter Arbeitsinhalt” nach der Entgeltgruppe E 8 am Richtbeispiel des Werkmeisters zu orientieren haben. Die Tätigkeiten eines Gruppenführers, wie sie in der allgemeinen Arbeitsplatzbeschreibung gekennzeichnet sind, und dem Richtbeispiel der Entgeltgruppe E 7 entsprechen, müssen damit qualitativ und/oder quantitativ derart gesteigert sein, daß sie in etwa mit der Tätigkeit eines Werkmeisters vergleichbar sind, um eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 8 zu rechtfertigen.

 

Unterschriften

Dr. Freitag, Dr. Jobs, Hauck, Schlaefke, Peters

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1254571

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge