Entscheidungsstichwort (Thema)

Versagung von Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (redaktionell)

Die für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen und Belege können nach Abschluss des Rechtsstreits nicht mehr in der Beschwerde vorgelegt werden.

 

Normenkette

ZPO § 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Beschluss vom 13.02.2003; Aktenzeichen 5 Ta 3/03)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 13. Februar 2003 – 5 Ta 3/03 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Rechtsbeschwerdeführer (im Folgenden: Kläger) hat für seine vor dem Arbeitsgericht Hamburg gegen die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 21. Oktober 2002 erhobene Kündigungsschutzklage mit Schriftsatz vom 14. November 2002 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten begehrt. Dem Prozesskostenhilfeantrag war die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers beigefügt. Im Termin zur Güteverhandlung vom 29. November 2002 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, mit dem der Rechtsstreit erledigt worden ist. Das Arbeitsgericht gab dem Kläger mit Beschluss vom gleichen Tag auf,

„…

2. Dem Kläger wird eine Frist von vier Wochen eingeräumt, binnen derer ein Nachweis für die Miete, den geltend gemachten Unterhalt und die geltend gemachten Kreditbelastungen zur Akte zu reichen ist und des weiteren darzulegen ist, wovon der Kläger angesichts der von ihm geltend gemachten Verbindlichkeiten seinen Lebensunterhalt bestreitet.”

Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2002 hat der Kläger eine Aufstellung über seine Verbindlichkeiten zur Ergänzung seines Prozesskostenhilfeantrags eingereicht und angekündigt, die Zahlungsnachweise durch Kontoauszüge kurzfristig zu belegen.

Mit Beschluss vom 30. Dezember 2002 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Klägers hat das Landesarbeitsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe innerhalb der ihm gesetzten Frist von vier Wochen die Unterhaltsleistungen und Kreditbelastungen nicht belegt. Ein ohne Beifügung der Belege eingereichtes Prozesskostenhilfegesuch sei unvollständig und könne zurückgewiesen werden. Die mit der sofortigen Beschwerde eingereichten fehlenden Unterlagen seien nicht mehr zu berücksichtigen, da ein vollständiger Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bis zum Ende der Instanz vorgelegen haben müsse. Durch den Ablauf der vom Arbeitsgericht gesetzten Frist sei endgültig die Möglichkeit verstrichen, den ursprünglichen unvollständigen Antrag mit Wirkung vor Ende der Instanz zu vervollständigen.

Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich der Kläger gegen den zurückweisenden Beschluss des Landesarbeitsgerichts und verfolgt seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten weiter.

 

Entscheidungsgründe

II. Die vom Landesarbeitsgericht zugelassene und im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Klägers ist unbegründet.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, obwohl der Kläger die Rechtsbeschwerde gegen den ihm am 18. Februar 2003 zugestellten Beschluss des Landesarbeitsgerichts erst mit dem am Osterdienstag, den 22. April 2003 eingegangenen Schriftsatz begründet und damit die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist nach § 78 Satz 1 ArbGG, § 575 Abs. 2 Satz 1 ZPO versäumt hat. Da das Landesarbeitsgericht ihn aber unrichtig über die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist informiert hat, war dem Kläger jedenfalls Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist von Amts wegen (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) zu gewähren.

2. Die Rechtsbeschwerde ist in der Sache nicht begründet. Mit zutreffender Begründung hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen. Dem Kläger ist zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die erste Instanz versagt worden. Er hat nämlich die erforderlichen Unterlagen und Belege nicht rechtzeitig vorgelegt (§ 117 Abs. 2 Satz 1, § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Die nachträgliche Einreichung der erforderlichen und vom Arbeitsgericht angeforderten Angaben und Nachweise erst in der Beschwerdeinstanz war verspätet. Diese Belege waren nicht mehr zu berücksichtigen.

a) Nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO kann das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnen, wenn der Antragsteller innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist die Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet hat. Nach § 118 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann das Gericht verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht. Nach Satz 2 dieser Norm kann es hierzu die Vorlage von Urkunden anordnen. Nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind schon dem Antrag auf Prozesskostenhilfe neben einer Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die entsprechenden Belege beizufügen.

b) Grundsätzlich muss der vollständige Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit dem ordnungsgemäß ausgefüllten Antragsvordruck (§ 117 Abs. 3 und 4 ZPO) und allen Unterlagen bis zum Abschluss der Instanz oder des Verfahrens beim zuständigen Gericht vorliegen (GK-ArbGG/Bader 38. Aufl. § 11a Rn. 137; Zöller/Philippi ZPO 24. Aufl. § 117 Rn. 2 c mwN). Nach § 114 ZPO wird der mittellosen Partei Prozesskostenhilfe nur für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung bewilligt. Der mittellosen Partei sollen die Prozesshandlungen ermöglicht werden, die für sie mit Kosten verbunden sind. Hat jedoch die Partei – bzw. deren Prozessbevollmächtigter – die aus ihrer Sicht notwendigen Prozesshandlungen schon vor der ordnungsgemäßen Beantragung der Prozesskostenhilfe vorgenommen, so hängen diese Prozesshandlungen nicht mehr davon ab, dass die Partei zuvor – etwa durch einen Vorschuss nach § 17 BRAGO – die entsprechenden Kosten deckt. Vielmehr geht es dann nur noch darum, einem Prozessbevollmächtigten durch nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe – hier nach Ende der Instanz – einen Zahlungsanspruch gegen die Staatskasse (§ 121 ff. BRAGO) zu verschaffen. Vom Zweck der Prozesskostenhilfe ist eine solche Bewilligung nach Instanzende deshalb zum einen möglich, wenn das Gericht zuvor über den Antrag hätte positiv entscheiden können (BGH 30. September 1981 – IV b ZR 694/80 – NJW 1982, 446). Zum anderen kann eine Bewilligung nur noch in Ausnahmefällen erfolgen (KG Berlin 5. Juli 1999 – 3 WF 1126/99 – FamRZ 2000, 838; Zöller/Phillippi aaO § 119 Rn. 38 ff.). Über einen rechtzeitig eingereichten Prozesskostenhilfeantrag mit unvollständigen Angaben und Unterlagen kann noch nach Abschluss der Instanz bzw. des Verfahrens ausnahmsweise positiv entschieden werden, wenn das Gericht eine Frist zur Nachreichung der fehlenden Unterlagen und Belege gesetzt hat (Zöller/Philippi aaO § 117 Rn. 2 b; OLG München 26. Februar 1997 – 12 WF 620/97 – OLGR München 1997, 203). Soweit dem Antragsteller eine solche gerichtliche Nachfrist, die nach dem Ende der Instanz liegt, gesetzt worden ist, muss diese Nachfrist – anders als eine vor dem Ende der Instanz ablaufende Nachfrist (Zöller/Philippi aaO § 118 Rn. 17) – aber eingehalten werden.

c) Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe war vorliegend vor Instanzende nicht möglich. Zwar war der Prozesskostenhilfeantrag rechtzeitig gestellt worden. Es fehlten jedoch noch Angaben und notwendige Belege, die erst nach Instanzende und nach dem Ablauf der dem Kläger vom Arbeitsgericht gesetzten Nachfrist vorgelegt worden sind. Eine rückwirkende Bewilligung der Prozesskostenhilfe kam daher nicht mehr in Betracht.

d) Die Verletzung der vorstehenden Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers führt auch zum Verlust seines Anspruchs auf Prozesskostenhilfebewilligung und Anwaltsbeiordnung (Zöller/Philippi aaO § 118 Rn. 17; LAG Nürnberg 15. April 2003 – 6 Ta 134/02 – MDR 2003, 1022).

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers steht dem nicht entgegen, dass nach § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit der sofortigen Beschwerde grundsätzlich neue Tatsachen vorgetragen werden können. Der Gesetzgeber hat mit § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO eine spezielle gesetzliche Regelung geschaffen, die der allgemeinen Regelung des § 571 ZPO vorgeht (vgl. LAG Nürnberg aaO; Hessisches LAG 12. Dezember 2002 – 15 Ta 292/02 –). Der Vorrang dieser Regelung ergibt sich aus deren Sinn und Zweck. Es wäre sinnwidrig, dem Ausgangsgericht eine Ablehnung des Antrags nach Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist zwingend gesetzlich vorzuschreiben, dem Beschwerdegericht aber eine solche Berücksichtigung ausdrücklich zu eröffnen. Etwas anderes kann hingegen gelten, wenn das Hauptsacheverfahren im Zeitpunkt der Beibringung der Belege und Unterlagen noch nicht abgeschlossen ist. Dann könnte in ihrer Einreichung ggf. ein neuer Antrag zu sehen sein (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe 3. Aufl. 2003 Rn. 509; Zöller/Philippi aaO § 127 Rn. 48 ff.; LAG Nürnberg 15. April 2003 aaO; LAG Düsseldorf 22. Juni 1989 – 14 Ta 210/98 – LAGE ZPO § 118 Nr. 6; LAG Hamm 8. Juni 1993 – 7 Ta 206/93 – LAGE ZPO § 118 Nr. 7; LAG Köln 19. Mai 1998 – 11 Ta 70/98 – LAGE ZPO § 117 Nr. 8; LAG Hamm 31. Januar 2001 – 4 Ta 127/00 – LAGE ZPO § 117 Nr. 9).

Vorliegend war jedoch durch den gerichtlichen Vergleich vom 29. November 2002 die Instanz und der Rechtsstreit beendet. Die nach dem Fristablauf eingegangenen Belege und Unterlagen konnten deshalb – wie das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt – nicht mehr berücksichtigt werden. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

 

Unterschriften

Rost, Bröhl, Eylert

 

Fundstellen

MDR 2004, 415

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