Rz. 34

Auf die Befristungsdauer (6 plus 6 bzw. 9 Jahre ohne Sachgrund) werden nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG angerechnet

  • alle befristeten Arbeitsverträge von Angehörigen des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an einer deutschen Hochschule oder an einer staatlichen oder überwiegend öffentlich finanzierten Forschungseinrichtung, und zwar unabhängig davon, auf welcher Rechtsgrundlage diese Verträge befristet wurden,
  • alle Zeiten in Privatdienstverträgen, z. B. mit Professorinnen und Professoren nach § 3 WissZeitVG,
  • alle Dienstzeiten in Beamtenverhältnissen auf Zeit, z. B. wissenschaftliche Assistenten, Oberassistenten, Oberingenieure, Hochschuldozenten, Juniorprofessuren,
  • alle Verträge als wissenschaftliche Hilfskraft nach Abschluss des Studiums,
  • alle Arbeitsverträge im Drittmittelbereich nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG.
 
Hinweis

Die Anrechnungsvorschrift des § 2 Abs. 3 WissZeitVG bezieht sich nach ihrem Satz 1 auf "die in Absatz 1 geregelte zulässige Befristungsdauer". Dies meint nach dem Wortlaut nicht zwingend die Summe der für die Promotionsphase und für die Post-Doc-Phase geregelte (Gesamt-)Höchstbefristungsdauer. Sie ist vielmehr bezogen auf die jeweilige Qualifikationsphase zu verstehen; d. h., es ist zwischen den Zeiten vor und nach der Promotion zu differenzieren. Nach Sinn und Zweck der mit dem WissZeitVG eröffneten Befristungsmöglichkeit in der Post-Doc-Qualifikationsphase sowie der Anrechnungsvorschrift des § 2 Abs. 3 WissZeitVG ist bei der zulässigen Höchstdauer des § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG also beispielsweise die Zeit einer befristeten Beschäftigung vor der Promotion, die die 6-Jahres-Höchstfrist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG übersteigt, nicht "verkürzend" zu berücksichtigen (BAG, Urteil v. 24.8.2011, 7 AZR 228/10).

 

Rz. 35

§ 2 Abs. 3 WissZeitVG enthält eine eigenständige Anrechnungsbestimmung, die der Auslegungsvorschrift in § 191 BGB vorgeht. Sie wird – auch wenn dies nicht ausdrücklich formuliert ist – vom BAG unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Regelung sowie ihres Sinn und Zwecks dahin ausgelegt, dass volle Beschäftigungsjahre – abweichend von § 191 BGB – als solche anzurechnen sind, sodass nur unterjährige Teile eines Arbeitsverhältnisses nach Tagen auf die zulässige Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG angerechnet werden.

 
Hinweis

Der Siebte Senat hat mit Urteil vom 12.2.2020[1] klargestellt, dass, soweit er in seiner bisherigen Rechtsprechung die Höchstbefristungsdauer und die Gesamtdauer der anzurechnenden Arbeitsverhältnisse in Jahren, Monaten und Tagen angegeben hat und dies dahingehend verstanden werden konnte, dass die Beschäftigungszeiten nach vollen Jahren, vollen Monaten und Tagen auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen sind, der Senat daran nicht festhält.

 

Rz. 36

Für alle anzurechnenden Beschäftigungszeiten gilt, dass die Anrechnung (nur) erfolgt, wenn der Beschäftigungsumfang mehr als 1/4 der regelmäßigen Arbeitszeit betrug (§ 2 Abs. 3 Satz 1 WissZeitVG). Das entspricht dem früheren § 57b Abs. 2 Satz 1 HRG. Damit sollten und sollen insbesondere Nebenbeschäftigungen, z. B. als Korrekturassistent oder als Referendar, anrechnungsfrei bleiben, die aufgrund des geringen zeitlichen Deputats für eine wissenschaftliche oder künstlerische Qualifikation nicht ausreichen.[2] Nachdem die frühere HRG-Höchstfrist von 4 Jahren für die befristete Beschäftigung von wissenschaftlichen Hilfskräften weggefallen ist, wird teilweise angenommen, dass "kleine" Stellen, d. h. Stellen bis zu einem Beschäftigungsumfang von 1/4 keiner Befristungsgrenze mehr unterliegen, was unionsrechtlich bedenklich wäre.[3]

 
Praxis-Beispiel

Mitarbeiter A promoviert 2 Jahre und wird von der Hochschule gleichzeitig als wissenschaftlicher Mitarbeiter auf einer halben Stelle beschäftigt. Nach Abschluss der Promotion wird er als wissenschaftlicher Assistent (Beamter auf Zeit) für 2-mal 3 Jahre beschäftigt. Durch die Anrechnung der 6 Jahre im Beamtenverhältnis ist die 6-jährige Befristungszeit nach abgeschlossener Promotion ausgeschöpft; möglich ist aber noch eine weitere befristete Beschäftigung von 4 Jahren, weil er die Promotion statt in den zur Verfügung stehenden 6 Jahren in nur 2 Jahren abgeschlossen hat. Unabhängig davon wäre eine Befristung wegen Drittmitteln möglich.[4]

 

Rz. 37

Nicht angerechnet werden generell auch studentische Beschäftigungszeiten, z. B. als studentische Hilfskraft vor Abschluss des Studiums. Dies gilt sowohl für die unter der Geltung der Erstfassung des WissZeitVG bis 16.3.2016 abgeschlossenen Verträge (§ 2 Abs. 3 Satz 3 WissZeitVG a. F.) als auch für die durch das Erste Änderungsgesetz novellierte WissZeitVG-Fassung (§ 2 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 6 WissZeitVG n. F.). Die bis 16.3.2016 in § 2 Abs. 3 Satz 3 WissZeitVG enthaltene Regelung zur Nichtanrechnung der Zeiten eines befristeten Arbeitsverhältnisses, die vor dem Abschluss des Studiums liegen, auf die nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG zulässige Befristungsdauer ist entfallen. Für studienbegleitende Beschäftigungen wurde ...

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