4.1 Verletzung vertraglicher Haupt- und Nebenleistungspflichten

Sozial gerechtfertigt kann eine verhaltensbedingte Kündigung in Zusammenhang mit Alkoholkonsum dann sein, wenn der Mitarbeiter aufgrund seines Alkoholmissbrauchs und dessen Auswirkungen vertragliche Haupt- oder Nebenleistungspflichten verletzt. Die Hauptleistungspflicht ist bspw. beeinträchtigt, wenn der Mitarbeiter alkoholbedingt nicht zur Arbeit erscheint, seinen Rausch im Betrieb ausschläft, während der Arbeitszeit alkoholisiert nach Hause gebracht werden muss oder mangelhaft arbeitet. Zu den Nebenleistungspflichten gehören die allgemein bestehenden Pflichten, deren Verletzung durch das Alkoholtrinken begünstigt wird. Zu denken ist hier an alkoholbedingte Eingriffe in Rechtsgüter des Arbeitgebers, der Kollegen, Gefährdung der Sicherheitsinteressen des Unternehmens, Störung des Betriebsfriedens, Vertrauensverlust. Demgemäß ist jeweils zu unterscheiden, ob allein der Alkoholkonsum oder vertragswidrige Verhaltensweisen aufgrund der Auswirkungen des getrunkenen Alkohols den Kündigungsanlass bilden sollen. Der betriebliche Alkoholkonsum allein stellt regelmäßig keine Störung der Vertragsbeziehungen dar. Etwas anderes gilt für die Konstellationen, in denen ein wirksames betriebliches absolutes Alkoholverbot aufgrund von Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag oder Direktionsrecht besteht. Existieren keine betrieblichen, berufsgenossenschaftlichen oder gesetzlichen Regelungen über die Zulässigkeit des Alkoholkonsums, setzt die verhaltensbedingte Kündigung Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten im oben genannten Sinne voraus (Schlecht-, Minder-, Nichtleistungen, Störungen des Arbeitsablaufs oder des Betriebsfriedens).

4.2 Verschulden des Mitarbeiters

Die steuerbaren Vertragsverletzungen des alkoholisierten Mitarbeiters können nach allgemeiner Ansicht eine verhaltensbedingte Kündigung regelmäßig nur rechtfertigen, wenn der Mitarbeiter nicht nur objektiv und rechtswidrig, sondern auch schuldhaft seine Haupt- und Nebenleistungspflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat. Hier kann auf die Grundsätze zur selbstverschuldeten Krankheit (siehe Verweigerung der Entgeltfortzahlung) verwiesen werden. Ist der Mitarbeiter alkoholabhängig, schließt dies regelmäßig das Verschulden und damit eine verhaltensbedingte Kündigung aus.

4.3 Negativprognose

Im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung aufgrund alkoholbedingter Vertragsverletzungen gilt das Prognoseprinzip. Der Arbeitgeber muss vortragen und beweisen, dass eine Wiederholungsgefahr dieses Fehlverhaltens besteht und sich der vergangene Alkoholmissbrauch auch zukünftig belastend auswirkt. Diesen Beweis wird er ohne Ausspruch einer vergeblichen Abmahnung wegen eines gleichartigen Pflichtenverstoßes regelmäßig nicht führen können. Die Rechtsprechung zur Frage der Abmahnungsbedürftigkeit von Alkoholmissbrauch ist allerdings uneinheitlich. Einerseits sollen selbst gröbste Vertragsverstöße wie Bedrohung des Vorgesetzten mit einer Schusswaffe[1], gravierende Körperverletzungen von Werkschutzleuten[2], Führen eines Omnibusses mit einer BAK von 0,7 Promille[3] als einmalige Entgleisungen keine Wiederholungsgefahr bergen. Andererseits ist (wohl mit Blick auf die schweren Omnibusunfälle der letzten Zeit) neuerdings eine entschiedenere Haltung der Rechtsprechung unverkennbar.[4] Betrachtet werden stets die Besonderheiten des Einzelfalles, unter anderem der Anlass des Alkoholkonsums und das bisherige Verhalten, so dass sich nicht von vorneherein und generell eine Negativprognose treffen lässt.

4.4 Abmahnung des Mitarbeiters

Die Arbeitsgerichtsbarkeit hat das kündigungsrechtliche Instrument der Abmahnung und die Regel geschaffen, die verhaltensbedingte Kündigung sei normalerweise nur wirksam, wenn der Mitarbeiter zuvor vergeblich abgemahnt worden sei = fehlende Abmahnung als Kündigungssperre.[1] Allerdings kann eine Abmahnung in Fällen von Alkoholkonsum ausnahmsweise dann entbehrlich sein, wenn der Arbeitnehmer einem absoluten Alkoholverbot unterliegt und wissen muss, dass der Arbeitgeber keinen einzigen Fehltritt dulden werde.[2] Im Übrigen kann auf die Darlegungen unter Abmahnung Bezug genommen werden.

[1] Siehe Bengelsdorf, NZA 2001, 993, 998 m.N.

4.5 Versetzung des Mitarbeiters

Der Arbeitgeber ist gehalten, eine Umsetzungs- oder Versetzungsmöglichkeit des alkoholauffälligen Mitarbeiters vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung zu prüfen und ggf. zu realisieren.[1] Die Versetzung muss nicht schon deswegen erfolgen, weil sich die Maßnahme als milderer Eingriff in den sozialen Besitzstand des Mitarbeiters darstellt. Die Umsetzung oder Versetzung ist erst in Betracht zu ziehen, wenn ein entsprechender Arbeitsplatz frei und der alkoholauffällige Mitarbeiter in der Lage ist, die neue Tätigkeit auszuüben. Eine Umsetzung oder Versetzung ist weiterhin nur dann zu erwägen, wenn die Maßnahme geeignet ist, das a...

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