Abmahnung und Kündigung müssen einen vergleichbaren Sachverhalt betreffen. Beiden arbeitsrechtlichen Maßnahmen muss ein gleichartiges Fehlverhalten des Arbeitnehmers zugrunde liegen.

Die Abmahnung ist in erster Linie keine Sanktion für vergangenes Fehlverhalten. Sie dient vielmehr als Mittel der möglichst ordnungsgemäßen und vollständigen Vertragserfüllung in der Zukunft. Sie soll bei Vertragsverstößen, die nicht so schwer wiegen, als dass aus ihrem einmaligen Vorkommen

mit hinreichender Sicherheit eine nachteilige Einschätzung der zukünftigen Entwicklung gewonnen werden könnte, auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung hinwirken. Es liegt nach Auffassung des BAG[1] auf der Hand, dass Vertragsverstöße, die zu etwa bereits abgemahnten Pflichtverletzungen in keinem Zusammenhang stehen, nichts zu einer Einschätzung der Frage beitragen können, ob mit einer Wiederholung der abgemahnten Pflichtverletzungen zu rechnen ist.

Für eine negative Prognose ist es ausreichend, wenn die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten "aus demselben Bereich stammen" und somit Abmahnung und Kündigungsgründe "in einem inneren Zusammenhang stehen".[2]

Eine Identität von Abmahnungs- und Kündigungssachverhalt ist nicht erforderlich. So sind z. B. unentschuldigtes Fehlen sowie eine Verletzung der Anzeige- und Nachweispflicht im Krankheitsfall gleichartige Pflichtverletzungen. Gleiches gilt für unentschuldigtes Fehlen und Unpünktlichkeit oder Verspätungen und Verstöße gegen die Anzeigepflicht[3].

Eine "Gleichartigkeit" im weiteren Sinne muss ausreichen. Durch eine zu enge Rechtsprechung würden andernfalls Beschäftigte, die sich verschiedenartige Pflichtverletzungen zuschulden kommen lassen, in einer nicht gerechtfertigten Weise vor einer Kündigung geschützt. Der Beschäftigte, der zuerst zu spät kommt, beim nächsten Mal sein Fehlen nicht entschuldigt, einige Zeit später volltrunken zur Arbeit erscheint und dabei jedes Mal abgemahnt wird, könnte in ähnlicher Form immer weitermachen, ohne kündigungsrechtliche Folgen befürchten zu müssen. Anders ausgedrückt: Der Fantasiereichtum des Beschäftigten, der immer wieder erneut eine andere Pflichtverletzung begeht, würde belohnt, wenn der Arbeitgeber nicht mit einer Kündigung reagieren könnte.

In der Praxis sollten daher arbeitsrechtliche Konsequenzen in der Abmahnung nicht nur für ein ganz konkretes Fehlverhalten in Aussicht gestellt werden. Die Androhung sollte vielmehr so weit wie möglich verallgemeinert werden, ohne allerdings die Warnfunktion der Abmahnung zu gefährden. Die Formulierung "Sollten Sie nochmals zu spät kommen, müssen sie mit einer Kündigung rechnen." macht nur im entsprechenden Wiederholungsfall eine Abmahnung "einschlägig". Der Arbeitgeber hat nämlich in diesem Beispielsfall nur für ein erneutes Zuspätkommen des Beschäftigten arbeitsrechtliche Konsequenzen in Aussicht gestellt. Andere Pflichtverletzungen würden von einer Abmahnung dieses Inhalts nicht erfasst und würden eine erneute Kündigungsandrohung (Abmahnung) erforderlich machen.

Deshalb sollte auch das in der Abmahnungspraxis häufig verwendete Wort "Wiederholungsfall" nach Möglichkeit vermieden werden[4]. Wer eine Kündigung "für den Wiederholungsfall" androht, begrenzt dadurch die Reichweite der Warnfunktion der Abmahnung. Besser ist deshalb folgende Formulierung:

"Sollten Sie erneut diese oder gleichartige Pflichtverletzungen begehen, müssen Sie …"

Nicht zuletzt müssen der Abmahnungs- und der Kündigungssachverhalt nicht nur inhaltlich, sondern auch nach ihrem Gewicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Der Anlass für die Kündigung darf im Vergleich zum Abmahnungssachverhalt nicht von untergeordneter Bedeutung sein. Wer wegen einer Belanglosigkeit kündigt und zuvor eine erhebliche Pflichtverletzung nur abgemahnt hat, reagiert unverhältnismäßig.

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