In bestimmten Fällen ist ein Chefarzt doch als leitender Angestellter zu betrachten. Dies bestimmt sich nach verschiedenen Faktoren.

 
Achtung

Die Position des Chefarztes als solche führt nicht automatisch zu einer Stellung als leitender Angestellter. Auch ist ohne Bedeutung, ob arbeitsvertraglich vereinbart wurde, dass er als leitender Angestellter gelte. Die Stellung als "leitender Angestellter" kann nicht arbeitsvertraglich vereinbart werden. Vielmehr ist eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen und zu prüfen, welche Befugnisse der Chefarzt im Einzelfall hat und tatsächlich ausübt.

Das BAG hat in seinem Urteil vom 5.6.2014[1] Stellung bezogen zu den Voraussetzungen, unter denen ein Chefarzt "leitender Angestellter" im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist:

Leitender Angestellter ist, wer nach seinem Arbeitsvertrag und seiner Stellung im Unternehmen oder Betrieb "regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und für die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst". Erforderlich ist, dass die unternehmerische Aufgabenstellung mit Entscheidungsspielraum die Tätigkeit des leitenden Angestellten prägt, d. h. als deren Schwerpunkt bestimmt.

"Voraussetzung für die Wahrnehmung einer unternehmerischen (Teil-)Aufgabe im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist es, dass dem leitenden Angestellten rechtlich und tatsächlich ein eigener und erheblicher Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht und er kraft seiner leitenden Funktion maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung ausübt. Ein solcher Einfluss kann darin bestehen, dass der leitende Angestellte selbst die Entscheidungen trifft, aber auch darin, dass er kraft seiner Schlüsselposition Entscheidungsvoraussetzungen schafft, an denen die Unternehmensleitung nicht vorbeigehen kann. Der maßgebliche Einfluss fehlt, wenn der Angestellte nur bei der rein arbeitstechnischen, vorbestimmten Durchführung unternehmerischer Entscheidungen eingeschaltet wird, etwa im Rahmen von Aufsichts- oder Überwachungsfunktionen. Erforderlich ist im Übrigen, dass die unternehmerische Aufgabenstellung mit Entscheidungsspielraum die Tätigkeit des leitenden Angestellten prägt, das heißt als deren Schwerpunkt bestimmt."

"Ob ein Chefarzt nach diesen Grundsätzen leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Erforderlich ist, dass er nach dem Arbeitsvertrag und der tatsächlichen Stellung in der Klinik der Leitungs- und Führungsebene zuzurechnen ist und unternehmens- oder betriebsleitende Entscheidungen entweder selbst trifft oder maßgeblich vorbereitet".

 
Praxis-Beispiel

Ärztlicher Direktor als Leitender Angestellter

Dem Chefarzt eines Herzzentrums obliegt zugleich die Stellung als "Ärztlicher Direktor" des Herzzentrums. Aufgrund dieser Funktion übt er maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung aus. Er gehört neben dem kaufmännischen Direktor der obersten Leitungsebene unterhalb der Geschäftsführung an. Er ist nach den Regelungen seines Dienstvertrags nicht nur in der ihm als Chefarzt unterstellten Abteilung, sondern im gesamten Krankenhaus verantwortlich für einen geordneten Dienstbetrieb im ärztlichen Bereich und für die allgemeine Hygiene. Er hat – sofern erforderlich – an den Sitzungen des Verwaltungsrats teilzunehmen und das Herzzentrum in ärztlichen Angelegenheiten zu beraten.

Das Herzzentrum ist nach weiteren Regelungen des Dienstvertrages verpflichtet, Entscheidungen, die andere Bereiche betreffen, sowie die Erstellung des Stellenplans in seinem Benehmen zu treffen.[2]

Ergebnis: Das BAG hat dem Ärztlichen Direktor die Stellung eines Leitenden Angestellten zugesprochen. Erhebliche Bedeutung kam dem Umstand zu, dass die unternehmerische Führung des Krankenhauses ohne die maßgebliche Mitwirkung des Chefarztes nicht möglich war, selbst wenn der Ärztliche Direktor unternehmens- oder betriebsleitende Entscheidungen nicht allein treffen konnte.

Damit hat das BAG seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2010 bestätigt.[3]

 
Wichtig

Besonderheiten für Leitende Angestellte

Ist der Chefarzt "leitender Angestellter", wirkt sich dies vor allem bei einer Kündigung aus.

Ist ein Chefarzt "leitender Angestellter",

  • stellt die Betriebsrats-Anhörung i. S. d. § 102 BetrVG kein Wirksamkeitserfordernis für eine Kündigung dar; das Betriebsverfassungsgesetz findet grundsätzlich keine Anwendung auf leitende Angestellte; personelle Veränderungen sind dem Betriebsrat lediglich nach § 105 BetrVG mitzuteilen;
  • stattdessen wäre – soweit vorhanden – der Sprecherausschuss vor der Kündigung zu hören;
  • greifen die Einschränkungen beim Kündigungsschutz nach § 14 Abs. 2 KSchG;
  • findet das Arbeitszeitgesetz keine Anwendung, Chefärzte sind vom Anwendungsbereich des ArbZG ausgeschlossen, dies sogar unabhängig von ihrer Klassifizierung als leitende...

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