1 Arbeitszeitgesetz

1.1 Entstehung und Zielrichtung

Das am 1.7.1994 in Kraft getretene Arbeitszeitgesetz löste die aus dem Jahre 1938 stammende Arbeitszeitverordnung, Bestimmungen der Gewerbeordnung bezüglich des Sonn- und Feiertagsbeschäftigungsverbots sowie Regelungen des Frauenarbeitsschutzes und andere Bestimmungen ab. Eine Neuregelung war nicht zuletzt durch die Rechtsprechung des EuGH und – daran anschließend – des BVerfG notwendig geworden. Dies hatte in seinem Urteil zum Nachtarbeitsverbot für Arbeiterinnen[1] ausdrücklich die Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer Neuregelung festgestellt.

Zugleich diente das Arbeitszeitgesetz der Umsetzung der Richtlinie 93/104/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (konsolidierte Fassung: Richtlinie 2003/88/EG), die bis zum 23.11.1996 in nationales Recht umzusetzen war.

Zweck des Gesetzes ist laut § 1

  • die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten und die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu verbessern

sowie

  • den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen.

Hierzu werden die wesentlichen Begriffe im Arbeitszeitrecht definiert (§ 2) und Rahmenbedingungen für Arbeitszeiten, Ruhepausen und Nacht- und Schichtarbeit vorgegeben (§§ 3 bis 6). Geregelt werden auch der Grundsatz der Sonn- und Feiertagsruhe sowie die Voraussetzungen für eine Beschäftigung an diesen Tagen (§§ 9, 10). Weiten Raum nehmen die Möglichkeiten ein, die vorgesehenen Rahmenbedingungen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zu über- (Arbeitszeit) bzw. zu unterschreiten (Ruhezeit) (§§ 7, 12, 14).

1.2 Aktuelle Entwicklungen

Zwei Entscheidungen des EuGH zur Richtlinie 93/104/EG betreffend Bereitschaftsdienste haben sowohl für das ArbZG als auch für die zugrunde liegende Richtlinie 2003/88/EG weit reichende Konsequenzen.[1] In beiden Urteilen, die den ärztlichen Bereitschaftsdienst in Spanien und Deutschland betrafen, stellte der EuGH fest, dass der Bereitschaftsdienst Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie ist. Bereitschaftsdienst war bis dahin in Deutschland arbeitszeitrechtlich als Ruhezeit bewertet worden. Die erforderliche Anpassung des ArbZG erfolgte zum 1. Januar 2004. Da die Neubewertung des Bereitschaftsdienstes in mehreren Mitgliedsstaaten der EU zu erheblichen finanziellen und organisatorischen Problemen gerade im Bereich der medizinischen Versorgung zu führen drohte, nutzte die Europäische Kommission die nach Artikel 19 und 22 der Richtlinie 2003/88/EG anstehende Überprüfung einzelner Vorschriften zu einem umfassenden Konsultationsverfahren. Das Konsultationsverfahren endete mit einem Vorschlag der Kommission zur Änderung der Richtlinie 2003/88/EG im September 2004. Nach einer Stellungnahme des Europäischen Parlaments formulierte die Kommission am 21. September 2005 einen Kompromissvorschlag.

Kernpunkte des Vorschlags waren

  • die Erweiterung des Artikels 2 ("Begriffsbestimmungen") um zwei Definitionen "Bereitschaftsdienst" und "inaktiver Teil von Bereitschaftsdienst". Der inaktive Teil des Bereitschaftsdienstes soll – vorbehaltlich einer anders lautenden nationalen Entscheidung – nicht Arbeitszeit sein. Durch nationales Gesetz, Tarifvertrag oder eine Vereinbarung der Sozialpartner kann die Zuordnung zur Arbeitszeit erfolgen. Der Umfang der inaktiven Zeit kann aufgrund von Erfahrungswerten durch Gesetz, Tarifvertrag oder sonstige Vereinbarung der Sozialpartner vereinbart werden. Es soll auf nationaler Ebene möglich sein, den inaktiven Teil des Bereitschaftsdienstes zur Ruhezeit zu zählen.
  • Ausgleich bei Verkürzung der Ruhezeit innerhalb von 72 Stunden
  • Möglichkeit für den nationalen Gesetzgeber und durch Tarifvertrag, den Referenzzeitraum (Bezugszeitraum für die Einhaltung der zulässigen Höchstarbeitszeit) auf bis zu 12 Monate zu verlängern.
  • Nach einer Stellungnahme des Europäischen Parlaments formulierte die Kommission am 21. November 2005 einen Kompromissvorschlag.
  • Opt-out: Von der Möglichkeit des opt-out kann generell noch drei Jahre nach In-Kraft-Treten der neuen Richtlinie Gebrauch gemacht werden. Haben Mitgliedstaaten von der Möglichkeit des opt-out Gebrauch gemacht, können sie bei der Kommission eine Verlängerung beantragen. Die Überschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist auf 55 Stunden begrenzt, sofern nicht in Tarifverträgen abweichende Regelungen getroffen werden. Die Vereinbarung eines opt-out bei Vertragsschluss oder innerhalb einer Probezeit ist nicht zulässig.

Nach mehrjährigen Verhandlungen hatte sich der Rat der Europäischen Union am 11.6.2008 auf einen gemeinsamen Standpunkt zur Änderung der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung verständigt, der im Wesentlichen dem Kompromissvorschlag der Kommission folgte. Folgerichtig schloss sich die Kommission dem gemeinsamen Standpunkt am 18.9.2008 an. Am 17.12.2008 lehnte das Europäische Parlament die Vorlage des Rats und der Kommission in weiten Teilen ab. Im anschl...

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