Neuregelung der Frauenförderung in NRW ist verfassungswidrig

Die im neuen Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen enthal­tene Vorschrift zur Frauenförderung ist verfassungswidrig. Das hat das Oberverwaltungsgericht NRW entschieden und gleichzeitig einen verfassungskonformen Weg zur Förderung von Frauen aufgezeigt.

Beförderungsentscheidungen können nicht auf die Neufassung des § 19 Abs. 6 LBG NRW gestützt werden, weil diese den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Bestenauslese verletzt. Die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen, deren Vita oft durch familienbedingte Auszeiten gekennzeichnet ist, kann dadurch gefördert werden, dass Beurteilungen weniger stark an die erbrachten dienstlichen Leistungen und im Beruf gewonnenen Erfahrungen anknüpfen.

Die Verwaltungsgerichte Düsseldorf, Aachen und Arnsberg hatten ebenso wie das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen den Eilanträgen von im Beförderungsverfahren unterlegenen Männern stattgegeben und dem Dienstherrn vorläufig untersagt, die ausgewählten Frauen zu befördern. Die dagegen eingelegten sechs Musterbeschwerden des Landes Nordrhein-Westfalen, die Beförderungsentscheidungen der Kreispolizeibehörde Viersen, des Landeskriminalamts, der Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf und der Oberfinanzdirektion NRW betreffen, hat das Oberverwaltungsgericht nun zurückgewiesen.

OVG NRW: Grundsatz der Bestenauslese verletzt

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat seine Entscheidung damit begründet, dass zwar § 19 Abs. 6 Satz 2 LBG NRW in seiner neuen Fassung keinen rechtlichen Bedenken unterliegt. Nach dieser Vorschrift sind Frauen bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen.

Verfassungswidrig ist aber § 19 Abs. 6 Satz 3 LBG NRW neuer Fassung, wonach von einer im Wesentlichen gleichen Qualifikation bereits auszugehen ist, wenn die aktuelle dienstliche Beurteilung der Frau und des Mannes ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist. Ein so reduzierter Qualifikationsvergleich verstoße gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG). Dieses gebiete, dass der für das Beförderungsamt am besten geeignete Bewerber ausgewählt werde. Auswahlentscheidungen dürften nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber beträfen. Hierzu gehöre der Aspekt der Frauenförderung nicht. Wiesen die dienstlichen Beurteilungen dasselbe Gesamturteil aus, müssten zunächst die Inhalte der aktuellen Beurteilungen und bei dann noch gegebenem Qualifikationsgleichstand sodann ältere dienstliche Beurteilungen berücksichtigt werden, weil sich aus ihnen zusätzliche Erkenntnisse ergeben könnten.

Click to tweet

Der Verfassungsauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, für eine Gleichberechtigung von Frauen im Tatsächlichen zu sorgen, könne auch unter Wahrung des Prinzips der Bestenauslese verwirklicht werden.

Förderung der Gleichberechtigung und Wahrung des Prinzips der Bestenauslese

Der Qualifikationsvorsprung vieler Männer sei oftmals das Ergeb­nis einer unterbrechungslosen Berufsvita. Dieser Unterschied könne relativiert oder kompensiert werden, wenn Befähigungs- und Eignungsmerkmale (z. B. Begabung, Allgemeinwissen, Lebenserfahrung, Persönlichkeit, Charaktereigenschaften) bei der Abfassung von dienstlichen Beurteilungen und damit bei der Bildung des Gesamturteils stärker gewichtet würden. Hierdurch könne zudem erreicht werden, dass besonders die Frauen bevorzugt würden, die tatsächlich Doppelbelastungen in Beruf und Familie ausgesetzt seien. Eine nur an das Geschlecht als solches anknüpfende Frauenförderung vernachlässige diesen Aspekt ohne rechtlichen Grund (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.2.2017, 6 B 1109/16).

Hintergrund: 

19 Abs. 6 LBG NRW

Satz 2: Frauen sind bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers lie­gende Gründe überwiegen.

Satz 3: Von einer im Wesentlichen gleichen Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung im Sinne von Satz 2 ist in der Regel auszugehen, wenn die jeweils aktuelle dienstliche Beurteilung der Bewerberin und des Mitbewerbers ein gleichwertiges Ge­samturteil aufweist.

 

Lesen Sie auch:

Neuregelung der Frauenförderung in Nordrhein-Westfalen ist verfassungswidrig

Pressemitteilung OVG NRW
Schlagworte zum Thema:  Diversity, Beamte, Nordrhein-Westfalen