Freie Mitarbeit einer Musikschullehrerin ist kein Arbeitsverhältnis
In dem sogenannten Herrenberg-Urteil wurde das Kriterium der „betrieblichen Eingliederung“ zur Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung präzisiert. Die Stadt Herrenberg wehrte sich als Trägerin ihrer Musikschule dagegen, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens eine auf Honorarbasis tätige Klavierlehrerin als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte eingestuft hatte. Das Bundessozialgericht (BSG) bestätigte jedoch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (BSG, Urteil vom 28.06.2022, B 12 R 3/20 R).
Dieses Urteil und die geänderte Bewertungspraxis der Sozialversicherungsträger führten bei den betroffenen Bildungsträgern zu erheblicher Unruhe. Die Aufrechterhaltung vieler Lehrangebote, erst recht zu den bisherigen Bedingungen, erschien als nicht mehr möglich. In der Folge wurde auch der Gesetzgeber aktiv und schuf eine Übergangsregelung.
Musikschullehrerin klagt gegen Land Berlin
In einem vom Arbeitsgericht Berlin zu entscheidenden Fall hatte die Deutsche Rentenversicherung Bund im Juni 2024 ebenfalls festgestellt, dass die Musikschullehrerin als abhängig Beschäftigte des Landes Berlin im Sinne des Sozialversicherungsrechts einzustufen ist.
Im August 2024 kündigte das Land Berlin den Vertrag. Daraufhin klagte die Musikschullehrerin auf Feststellung, dass zwischen ihr und dem Land Berlin seit 1999 ein Arbeitsverhältnis bestehe und dieses durch die Kündigung nicht beendet wurde.
ArbG: Kein Arbeitsverhältnis
Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage der Musikschullehrerin ab und stellte fest, dass kein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Das Arbeitsrecht und das Sozialversicherungsrecht sind zwei Paar Schuhe. Die Kriterien zur Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbstständigen unterscheiden sich in den beiden Rechtsgebieten. Laut dem Arbeitsgericht Berlin komme es für die arbeitsrechtlich zu bewertende Frage des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses nicht maßgeblich auf die sozialversicherungsrechtliche Einordnung der Deutschen Rentenversicherung Bund an. Ein Arbeitsverhältnis liegt vor, wenn der Arbeitnehmer weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit leistet und in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert ist.
Das Gericht sah mehrere Gründe, die gegen ein Arbeitsverhältnis sprachen: Die Musikschullehrerin hatte die freie Wahl von Ort, Zeit und Inhalt des Musikunterrichts. Sie war nicht verpflichtet, die Räume der Musikschule zu nutzen oder bestimmte Schüler zu unterrichten. Zudem bestand die Möglichkeit, für andere Auftraggeber tätig zu sein, was gegen eine persönliche Abhängigkeit spreche.
Im Vergleich zu angestellten Lehrkräften fehlte zudem jede Verpflichtung zur Teilnahme an Veranstaltungen wie Klassenvorspielen oder Instrumentenkarussells; solche Einsätze erfolgten lediglich freiwillig auf Antrag ihrerseits.
Gegen die Entscheidung kann die Musikschullehrerin Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einlegen.
(Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 15. Juli 2025 – 22 Ca 10650/24)
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