Impfpflicht im Gesundheitswesen soll in Bayern vorerst nicht umgesetzt werden
Es werde «großzügigste Übergangsregelungen» geben, was «de facto zunächst einmal auf ein Aussetzen des Vollzugs hinausläuft», sagte der CSU-Vorsitzende am Montag, 7.2.2022, nach einer Videoschalte des Vorstands seiner Partei in München. «Für wie viele Monate wird man dann sehen», fügte er hinzu - jedenfalls zunächst für einige Zeit, «um das Ganze vernünftig zu gestalten».
Übergangsfrist für bereits Beschäftigte?
Nach den Worten von Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) könnte die Impfpflicht zumindest für Neulinge in Gesundheitseinrichtungen durchaus von Beginn an greifen. Bei «Bestandskräften» brauche es dagegen Übergangsfristen - Holetschek brachte eine Übergangszeit bis zum 30. Juni ins Gespräch.
Zuvor hatte auch Sachsen angekündigt, «vertretbare Umsetzungsregelungen» schaffen zu wollen. Andere Bundesländer halten ebenfalls Übergangsfristen für erforderlich, um die Gesundheitsämter in die Lage zu versetzen, eine Impfpflicht vernünftig umsetzen und kontrollieren zu können. Die Gesundheitsminister der Länder hatten am 22. Januar einstimmig beschlossen, eine «Umsetzungszeit» sei notwendig - ohne deren Länge aber zu konkretisieren.
Einrichtungsbezogene Impfpflicht greift ab 15. März
Die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht, die eigentlich vom 15. März an greifen soll, wurde im Infektionsschutzgesetz verankert. Konkret heißt es dort, dass die Beschäftigten bis zum 15. März ihrem Arbeitgeber einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen müssen oder ein Attest, dass sie nicht geimpft werden können. Wird der Nachweis nicht vorgelegt, muss das Gesundheitsamt informiert werden. Das «kann», wenn trotz anschließender Aufforderung innerhalb einer Frist kein Nachweis vorgelegt wird, ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot für die Klinik oder Pflegeeinrichtung aussprechen.
Söder plädiert für allgemeine Impfpflicht
Grundsätzlich plädierte Söder erneut für eine allgemeine Impfpflicht - er hoffe sehr, dass es hier eine «kluge Entscheidung» gebe. Die Impfpflicht nur für Pflegekräfte sieht er mittlerweile dagegen kritisch: «Die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die zum 15.3. kommen soll, ist kein wirksames Mittel mehr, um die jetzige Omikron-Welle zu begleiten oder zu dämpfen oder zu stoppen.»
Die Abwanderung von Pflegekräften, weil es nur eine «spezielle Impfpflicht» sei, könnte zu einer zusätzlichen Belastung und zu einer Verschlechterung der Situation in der Pflege führen, warnte Söder. «Es führt nur zu Problemen, ist leider keine Lösung.» Es gebe «größte Sorge, dass dies eigentlich zu einer Überlastung und Schwächung des Gesundheitssystems führen könnte, weil es Ausweichbewegungen geben könnte.»
Städte- und Gemeindebund hält Spielraum bei der Impfpflicht für sinnvoll
Bei der Umsetzung einrichtungsbezogenen Impfpflicht hält der Städte- und Gemeindebund in bestimmten Fällen eine «zeitliche Streckung» für sinnvoll. «Man sollte die Impfpflicht nicht grundsätzlich infrage stellen, aber in begründeten Ausnahmefällen kann eine zeitliche Streckung geboten sein», sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. «Wenn die Funktionsfähigkeit oder der laufende Betrieb gefährdet sind, kann es richtig sein, hier zusätzlichen Spielraum zu eröffnen.»
Landsberg sagte, in der konkreten Umsetzung zeigten sich jetzt regionale Unterschiede, die teilweise «den zeitgerechten Vollzug» behinderten. «Während Sozialeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen bei ihrem Personal teilweise eine Impfquote von 97 Prozent melden, sieht dies offenbar bei vielen Einrichtungen in Bayern anders aus. Entsprechendes dürfte wohl auch für einige ostdeutsche Bundesländer gelten.»
Die «jetzt auftretenden Schwierigkeiten» seien teilweise vorhersehbar gewesen und seien zugleich «eine Mahnung, bei einer möglichen allgemeinen Impfpflicht vorab genau festzulegen, wie der Vollzug, die Umsetzung und die Kontrollen geregelt werden», so Landsberg. «Deswegen wäre es sinnvoll gewesen, auch solche jetzt auftretenden Sondersituationen bereits im Gesetzgebungsverfahren bundeseinheitlich in den Blick zu nehmen.»
CDU inzwischen auch für Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht
Die Union dringt auf eine bundesweite Aussetzung der Teil-Impfpflicht. «Die Bundesregierung muss einsehen, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Moment kaum umsetzbar ist», sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Tino Sorge. Am frühen Montagabend hatte bereits CDU-Chef Friedrich Merz die Aussetzung in ganz Deutschland gefordert.
Merz warf der Bundesregierung vor, Einrichtungen und Beschäftigte mit den Folgen dieser Impfpflicht allein zu lassen. Die CDU habe damals zwar zugestimmt, allerdings in der Annahme, dass die Probleme gelöst werden könnten. Sorge forderte: «Die Aussetzung sollte bundesweit einheitlich gelten, bis zentrale rechtliche und praktische Fragen beantwortet sind.» Die Regierung müsse unter anderem die Frage klären, wie mit Personal umzugehen sei, das von Einrichtungen als unverzichtbar angesehen wird. «Heute sieht es nicht so aus, als würde das der Ampel rechtzeitig zum 16. März gelingen.»
Berufsverband für Pflegeberufe skeptisch gegenüber Aussetzen der Impfpflicht
Die Geschäftsführerin des Regionalverbands Nordost im Berufsverband für Pflegeberufe zeigt sich skeptisch gegenüber dem Vorstoß, die Impfpflicht für Pflegekräfte auszusetzen. «Politisch sorgt das, glaube ich, für große Unsicherheit», sagte Natalie Sharifzadeh. «So wie es jetzt läuft, halte ich das für ein schlimmes Signal auch an die Pflegenden. Mal ist es ganz wichtig, dann mal wieder nicht so sehr, jetzt setzen wir es aus.»
Bundesgesundheitsminister kritisiert Aussetzen der Impfpflicht
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) reagierte auf den Vorstoß Söders mit Kritik. «Laxe Vollzugsregeln der einrichtungsbezogenen Impfpflicht können nicht nur das Leben der älteren Menschen mit schwachem Immunsystem gefährden», sagte er. «Dazu gefährden sie auch die Glaubwürdigkeit von Politik.» Es gehe um den Schutz von Patienten und Heimbewohnern. Eine Omikron-Welle in Pflegeheimen wäre sehr problematisch. «Auch die bayerische Landesregierung sollte das beschlossene Gesetz ernst nehmen», mahnte Lauterbach.
Lauterbach hatte bereits deutlich gemacht, dass das Gesetz gilt und dass er eine Verschiebung ablehnt. Der Bund könne den Ländern aber bei einem einheitlichen Vorgehen helfen, wie mit konkreten Umsetzungsproblemen umzugehen sei.
Lauterbach rechnet mit weiteren Varianten des Coronavirus. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass Omikron die letzte Variante sei, sagte er. Er warb dafür, insbesondere die vulnerablen Gruppen weiter gezielt zu schützen. Bei der konkreten Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht seien jetzt die Länder und Gesundheitsämter in der Verantwortung.
Stellungnahmen weiterer Bundesländer
Rheinland-Pfalz hat sich gegen eine Aussetzung der Impfpflicht für Klinikpersonal gewandt. Dem Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19 habe auch Bayern im Bundesrat zugestimmt, sagte Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD). Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sei geltendes Bundesrecht - «und Rheinland-Pfalz hält sich an geltendes Bundesrecht.»
Auch Baden-Württemberg will die Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen weiter wie geplant umsetzen. Man halte an der Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht fest, teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums mit. Natürlich werde es gewisse Übergangsfristen geben, die Gesundheitsämter hätten ebenfalls gewisse Spielräume, betonte der Sprecher. Wenn sich eine Pflegekraft am 14. März erstmals impfen lasse, müsse sie nicht mit der Kündigung rechnen, nur weil sie am 15. März noch nicht vollständig geimpft sei. Eine erste Impfung vor dem 15. März soll zunächst vor einem Tätigkeitsverbot schützen.
Anders als Bayern will Mecklenburg-Vorpommern die einrichtungsbezogene Impfpflicht zügig umsetzen, erwartet dazu aber noch Klarstellungen vom Bund. Der Gesetzgeber habe eine Reihe von Fragen noch nicht beantwortet, hieß es am Montag aus dem Sozialministerium in Schwerin. Dazu gehörten etwa die Prüfung von Nachweisen und Ausnahmetatbeständen, die rechtssichere Einbindung der Arbeitgeber, die Art der Sanktionen sowie die Frage einheitlicher Kontrollen. Die Kommunen benötigten Vorlauf- und Umsetzungszeit. Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) sei wichtig, dass die Versorgungssicherheit für kranke und pflegebedürftige Menschen sowie für Menschen mit Behinderung nicht gefährdet werde.
Der Sprecher des Sozialministeriums in Schwerin räumte ein, dass die Kommunen und deren Gesundheitsämter durch die Corona-Pandemie sehr belastet seien. Das Land gewähre daher Unterstützung bei der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Ziel sei es, das Verfahren für die Kommunen zu vereinfachen und den Aufwand möglichst klein zu halten. In einer eigens gebildeten Steuerungsgruppe werde mit Hochdruck an einer digitalen Meldeplattform gearbeitet.
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