Rz. 33

Bei den Reisezeiten ist weiter zu differenzieren.

 

Rz. 34

Besteht die vertraglich geschuldete Hauptleistung des Arbeitnehmers in der Überwindung einer Entfernung, erbringt er Vollarbeit durch das Steuern des Fahrzeugs. Damit liegt Arbeitszeit i. S. d. ArbZG vor.

 
Praxis-Beispiel

Fernfahrer, Busfahrer, Taxifahrer

Besteht der Zweck des Arbeitsverhältnisses im Steuern von Fahrzeugen, sind diese Fahrzeiten Arbeitszeit i. S. d. § 2.

 

Rz. 35

Differenzierend ist dies zu beurteilen, wenn die Hauptleistungspflicht nicht in der Steuerung des Fahrzeugs liegt. Dann unternimmt der Arbeitnehmer eine Fahrt an einen Ort außerhalb der regulären Arbeitsstätte, an dem er ein Dienstgeschäft zu erledigen hat, mithin eine Dienstreise.[1] Unbeachtlich ist hierbei, ob der Arbeitnehmer regelmäßig Dienstreisen zur Erfüllung seiner Hauptleistungspflichten unternimmt, wie etwa ein Außendienstmitarbeiter, oder ob dies eine Ausnahme darstellt.[2] Die Einordnung der Reisezeit als Arbeitszeit i. S. d. ArbZG wird seit einiger Zeit neu diskutiert.

Nach bislang herrschender Meinung gilt die sog. Beanspruchungstheorie. Ob Reisezeit als Arbeitszeit gilt, hängt danach ausschließlich vom Grad der Belastung des Arbeitnehmers ab.

Der EFTA-Gerichtshof hat in einer neueren Entscheidung dagegen Dienstreisen unabhängig vom Beanspruchungsgrad des Arbeitnehmers bis zur Ankunft im Hotel als Arbeitszeit eingeordnet. In dessen Folge könnte es auch zu einer Änderung der Rechtsprechung des EuGH kommen. Dies gilt es, genau zu beobachten. Solange es jedoch keine gegenläufigen Entscheidungen von EuGH oder den deutschen Gerichten gibt, ist weiterhin von der Beanspruchungstheorie auszugehen.[3]

 

Rz. 36

Bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder bei Flugreisen muss weiter unterschieden werden. Kann der Arbeitnehmer während der Reisezeit schlafen, lesen, etc. liegt keine Arbeitszeit i. S. d. ArbZG vor. Hat er allerdings die Reisezeit im Interesse des Arbeitgebers aufzuwenden, beispielsweise durch Bearbeitung von Akten oder E-Mails, erbringt der Arbeitnehmer nach der Beanspruchungstheorie auch hierbei Vollarbeit unabhängig von seinem Aufenthaltsort. Und demzufolge ist diese Zeit als Arbeitszeit nach § 2 Abs. 1 einzustufen.[4]

 

Rz. 37

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wie Zeiten, die der Arbeitnehmer in betriebseigenen Beförderungsmitteln von der Betriebsstätte zu einer auswärtigen Arbeitsstätte und zurück verbringt, zu beurteilen sind. In der konsequenten Anwendung der oben aufgestellten Grundsätze müsste hier Arbeitszeit i. S. d. ArbZG verneint werden, wenn der Arbeitnehmer in dieser Zeit privaten Aktivitäten nachgehen kann.

 

Rz. 38

Allerdings wird teilweise unter dem Zweck des ArbZG auch die Gelegenheit zur Erholung und Entfaltung der Persönlichkeit und die Teilnahme am Familienleben sowie kulturellen und politischen Geschehnissen verstanden.[5] Nach dieser Auffassung sind Wegezeiten für die Beförderung von Arbeitnehmern in betriebseigenen Beförderungsmitteln Arbeitszeit i. S. d. ArbZG. Dem steht allerdings entgegen, dass § 1 ArbZG eine abschließende Aufzählung der Ziele des ArbZG enthält, worunter gerade keine sozialen und kulturellen Belange des Arbeitnehmers fallen.[6] Für Details sei auf die Darstellung im Rahmen von § 1 ArbZG verwiesen.

 

Rz. 39

Problematischer stellt sich die Einordnung allerdings dann dar, wenn der Arbeitnehmer selbst mit dem Pkw fährt und diesen steuert. Ob die damit einhergehende Belastung und erforderliche Aufmerksamkeit eine ausreichende Beanspruchung darstellt, ist umstritten.[7] Die Frage ist bislang in der Rechtsprechung nicht geklärt. Einerseits ist das Führen eines Pkw im Stadt- oder Autobahnverkehr oft anstrengend. Es gibt aber auch Fahrten, die – gegenüber der sonstigen Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers – vom Arbeitnehmer als angenehm und entspannend empfunden werden. Richtigerweise muss daher im Einzelfall geprüft werden, ob tatsächlich eine Beanspruchung des Arbeitnehmers gegeben ist. Geht er während der Fahrt privaten Dingen nach (private Telefonate, Anhören von Hörspielen, Unterhaltung mit dem mitfahrenden Familienangehörigen) wird kaum von einer dienstlichen Beanspruchung gesprochen werden können. Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an, dass er die Dienstreise mit dem Zug erledigen kann, bevorzugt der Arbeitnehmer allerdings, selbst mit dem Pkw zu fahren, soll nach herrschender Ansicht keine Arbeitszeit gegeben sein. Dann besteht keine betriebliche Veranlassung der Pkw Fahrt und somit auch keine Notwendigkeit, dies als Arbeitszeit i. S. d. ArbZG einzuordnen.[8]

Die Einordnung von Reisezeit als Arbeitszeit ist nicht gleichbedeutend mit der Frage, ob die Reisezeit auch vergütet werden muss. Für die Beantwortung dieser Frage sind der Arbeitsvertrag sowie tarifliche Regelungen heranzuziehen. Das BAG hält Reisezeiten zwar grundsätzlich für vergütungspflichtig, so z. B. auch die vollständige Reisezeit von Europa zum Auslandseinsatz in Asien.[9] Allerdings sind vorrangig arbeits- oder tarifvertragliche Regelungen ...

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