Wohnen in Gated Communities: Ein Modell für Deutschland?

Gated Communities sind in vielen Ländern der Welt ein Renner, nicht nur in den USA. Sie bieten Service und Sicherheit, das hat seinen Preis. Deutsche Stadtplaner setzen mehr auf Vielfalt in Wohnquartieren, es soll für alle bezahlbar sein. Welches Modell setzt sich durch? Eine Analyse.

Wohnsiedlungen, die mit Zäunen und Mauern von der Außenwelt abgetrennt sind, gibt es auch in Deutschland, aber sie sind längst nicht so weit verbreitet, wie etwa in den USA, Mexiko oder Südafrika, wo sie fest im Stadtbild etabliert sind. Ein Grund dafür könnte sein, dass diese Wohnform den Grundprinzipien deutscher Stadtentwicklung widerspricht. Aengevelt Research hat die Potenziale von Gated Communities in Deutschland analysiert.

Gated Communities: Boom in Deutschland blieb aus

Der Wunsch nach einem urbanen Umfeld mit kurzen Wegen, einer gut ausgebauten Infrastruktur, einem breiten Angebot an Nahversorgung, Gastronomie, sportlichen Angeboten und Events sowie das Bedürfnis nach Ruhe und Privatsphäre – Gated Communities vereinen städtische Standorte mit Sicherheitsmaßnahmen.

Zäune, Mauern und Tore oder Wachleute und Portiers sorgen dafür, dass die Wohnsiedlungen für Außenstehende nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Wohlhabende Bevölkerungsgruppen leben in einer qualitativ hochwertigen Architektur in homogener Nachbarschaft mit Menschen derselben sozialen Gruppe, geschützt vor Kriminalität "von außen". Auch existenzielle Gründe können in manchen Ländern ausschlaggebend sein: Die gesicherte Versorgung mit Trinkwasser und Elektrizität spielt beispielsweise im Libanon eine große Rolle.

In den USA lebten laut U.S. Census Bureau im Jahr 2019 rund zehn Millionen Haushalte in Gated Communities. In Deutschland blieb der Ende der 1990er Jahre in den Medien prophezeite Boom Aengevelt zufolge aus. Gated Communities werden in Medien und Öffentlichkeit laut Aengevelt eher kritisch betrachtet. Der Wohnsoziologe Tilmann Harlander sieht die Gefahr einer Entsolidarisierung und dem weiteren Auseinanderdriften der Gesellschaft.

Umfrage: Kaum Akzeptanz für Gated Communities

Lara Zautys, Analystin von Aengevelt Research, hat Bürger und Kommunen nach ihren Vorlieben befragt. Von den 50 deutschen Großstädten, die teilgenommen haben, befürchtet die große Mehrheit (80 Prozent), dass Gated Communities eine Segregation fördern könnten – durch Mauern und Zäune würden nicht nur einkommensschwache Haushalte durch das hohe Preisniveau der Wohnungen ausgegrenzt, sondern auch Passanten und Bewohner der benachbarten Quartiere. Dies stehe im Kontrast zum Ideal des öffentlichen Raumes und widerspreche dem Prinzip durchmischter Nachbarschaften, das für 98 Prozent der Kommunen ein wichtiger Aspekt im Rahmen der Stadtentwicklung ist, lautet ein Ergebnis.

Gerade Grünanlagen oder Spielplätze innerhalb von Siedlungen tragen den Kommunen zufolge zur Aufwertung des Stadtraums bei, auch als Orte zur Interaktion verschiedener Bevölkerungsgruppen. 94 Prozent der Kommunen gaben an, dass attraktiv gestaltete Lebensräume für alle Bürger zugänglich sein sollten – Abschottung und Ausgrenzung zum Nutzen einer kleinen Bevölkerungsgruppe lässt sich nach Ansicht von 76 Prozent der Kommunen nicht mit den Planungsgrundsätzen des Gemeinwohls und einer sozialgerechten Bodennutzung vereinen.

Aber die befragten Bürger lehnen Gated Communities in der Umfrage mehrheitlich ab und wünschen sich vielmehr eine ausgewogene Durchmischung und ein integratives Miteinander: 63 Prozent der 509 Teilnehmer sagten, dass sie (eher) abgeneigt seien, in eine unzugängliche Siedlung zu ziehen. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer (54 Prozent) würde zudem eine entsprechende Siedlung im eigenen Umfeld sogar stören.

Umfrage_Grafik Befragung Kommunen

Sozial vielfältige Wohnquartiere gestalten – so gelingt es

Die Anwältin wohnt Tür an Tür mit dem Azubi, Jung bei Alt, die Familie neben dem Single und die Herkunft spielt auch keine Rolle – das Zusammenleben wird schwieriger in einer immer heterogener werdenden Gesellschaft. Darauf müssen Stadtentwickler, Kommunen und Wohnungsunternehmen reagieren.

Das Stadtplanungs- und Sozialforschungs-Institut Weeber+Partner hat 16 Fallbeispiele von 14 privaten und kommunalen Wohnungsunternehmen analysiert, deren Konzepte in der Studie "Soziale Mischung und gute Nachbarschaft in Neubauquartieren – Planung, Bau und Bewirtschaftung von inklusiven Wohnanlagen" des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) beschrieben sind. Die Studie wurde als Forschungsprojekt vom Innovationsprogramm "Zukunft Bau" des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) gefördert.

Soziale Mischung betrifft verschiedene Aspekte. Dazu gehö­ren Maßstab und Umfang der Mischung, kombinierte Finanzierungen, spezifische Zielgruppen, Nut­zungsmischung sowie Vorgaben der Kommunen und Bundesländer.

Mögliche Mischungskonzepte:

  • "quartiersbezogene Mischung", bei der das spezifische örtliche Wohnungsangebot mit dem Neubau bedarfsgerecht er­gänzt wird
  • "kleinteilige Mischung", bei der geförderte und frei finanzierte Mietwohnungen innerhalb eines Hauses gemischt werden
  • "Mischung mit Eigentum": Häuser im privaten Eigentum und zur Miete gemischt können ein Quartier stabilisieren – ein Problem könnte hier laut BBSR die Bewirtschaftung werden, wenn Interessen von Woh­nungsunternehmen und Eigentümergemeinschaften aufeinander treffen
  • "ausgewogene Mischung": je ein Drittel geförderte Mietwohnungen, frei finanzierte Mietwohnungen und (selbstgenutzte) Eigentumswohnungen. Das Ziel sind unterschiedlich große Miet-, Sozial- und Eigentumswohnungen, die – selbst innerhalb von Gebäuden – sozial gemischt sind.

Für die soziale Mischung von Wohnquartieren sind der Studie zufolge neben der Gebäudetypologie auch die Grundrisse, das Wohnungsgemenge oder das Wohnumfeld relevant.

Aspekte, die Wohn­qualitäten für eine sozial gemischte Nachbarschaft sichern:

  • Wettbewerbe: Wettbewerbsverfahren als Grundlage für städtebauliche Qualität und soziale Mischung
  • Gestaltung: Die soziale Mischung sollte baugestalterisch nicht sichtbar sein
  • Wohnungsmix: Ein differenziertes Wohnungsgemenge ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor sozial gemischter Neubauprojekte
  • Wohnformen: Gemeinschaftliche Wohnangebote – etwa für Menschen mit Assistenz-­ und Pflegebedarf – dezentral in die Wohnanlagen ein­binden
  • Wohnumfeld: Gut gestaltete Außenanlagen fördern Nachbarschaftskontakte, ein grünes Umfeld ist der Vielfalt zuträglich

Im Rahmen der Objektbewirtschaftung ist es nicht nur bei der Belegung der Wohnanlagen, sondern auf Dauer eine Aufgabe, ein harmonisches Zusammen­leben zu fördern und Konflikte unter den Bewohnern zu vermeiden.

Kriterien für eine erfolgreiche Bewirtschaftung:

  • Belegung: Spielräume bei der Be­legung der Wohnungen durch erfahrene Fachkräfte, zur Vermeidung von Diskriminierungen sind Schulung des Personals und Evaluation der Verfahren notwendig
  • Bewirtschaftung: Eine professionelle Verwaltung, streng durchgesetzte Regeln, um Konflikte in der Nachbarschaft präventiv zu vermeiden und das Zusammenwohnen verschiedener Menschen zu erleichtern
  • Förderung sozialen Lebens: Gute Quartiersarbeit und eine bauliche Gestaltung des Quartiers, die Kontakte räumlich möglich macht
  • Nachbarschaftsleben: Freundlich­ zurückhaltende Nachbarschaft, weder zu anonym noch zu eng, gesunde Mischung von "Privatheit" und Dichte.


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Schlagworte zum Thema:  Wohnungsbau, Stadtentwicklung