Praxisbeispiel: Wärmepumpen für Hochhaus im Bestand

Kaum ein Thema in der Gebäudesanierung erhitzt die Gemüter aktuell so wie Wärmepumpen. Wider alle Unkenrufe beweist die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Kassel (GWG), dass die Technologie die Energiewende im Bestand beschleunigen können. Auch im Hochhaus.

Die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Kassel (GWG) setzt in einem "Energiebündnis" mit Stadt und Stadtwerken auf Fernwärme. Bis 2030 sollen rund 70 Prozent der Bestandsgebäude klimaneutral ans Fernwärmenetz angeschlossen sein. Bei über 2.000 Wohneinheiten ist das baulich wie technisch unmöglich. Hier sollen Hybridanlagen mit Luft-Wasser-Wärmepumpen vermehrt zum Einsatz kommen. Schon Ende dieses Jahres werden die ersten 1.000 Wohnungen mit Gaszentralheizungen von Wärmepumpen-Systemen ergänzt. So der ambitionierte Plan.

Die GWG als Tochterunternehmen im Verbund des Stadtkonzerns (die Stadt ist an privatrechtlich organisierten Gesellschaften und Eigenbetrieben mittel- oder unmittelbar beteiligt) macht Tempo. Mit rund 9.000 Wohnungen zählt sie zu den Vorreitern der hessischen Großstadt, was die energetische Sanierung angeht. Seit einigen Jahren wird sie bei der Dekarbonisierung fachlich vom Braunschweiger Planungsbüro Energydesign begleitet. Ingenieur Mathias Schlosser, Gesellschafter und Leitung Gebäudetechnik, berichtet, wie vorgegangen wurde, um ein kostensparendes, standardisiertes Konzept mit skalierbaren Lösungen für den gesamten Gebäudebestand zu entwickeln: "Zunächst haben wir alle GWG-Gebäude, die mehr als 18 Wohneinheiten und den höchsten Energieverbrauch haben, analysiert. 60 Objekte erwiesen sich als geeignet für den Fernwärmeanschluss. Bei 1.000 Wohnungen bot es sich an, deren Gaszentralheizungen mit Wärmepumpen-Systemen zu ergänzen. Teilweise sogar in Kombination mit vorhandenen Photovoltaikanlagen."

Eine dieser ersten Hybridanlagen läuft seit April dieses Jahres im Gebäude Hoheneicher Straße 9, im Stadtgebiet Philippinenhof/Warteberg. Ein Hochhaus mit 48 Wohneinheiten auf acht Etagen, 1973 erbaut und mit einer 180-kW-Gasheizung von 2007 ausgestattet, wurde jetzt mit vier Luft-Wasser-Wärmepumpen vor allem zur zentralen Wärmeversorgung ausgerüstet. "Die gesamte Anlage technisch und wirtschaftlich zu stemmen, war gar nicht so einfach", gibt GWG-Geschäftsführer Uwe Gabriel zu. "Wir wollten die Versorgung für die Vielzahl gasbeheizter Wohnungen absichern und entschieden uns für den Umbau des Heizsystems." Bei 1.000 Wohnungen kostet das viel Geld. Die Stadt sprang ein und sicherte über eine Bürgschaft die Fördermittel, um die Mieter vor hohen Heizkosten zu schützen. So konnte zügig mit dem Projekt begonnen werden. Es wird jetzt als Modell für weitere Vorhaben dienen.

GWG entwickelt Modellanlage

Das Hochhaus bot beste Voraussetzungen für den Einsatz einer Hybridanlage. Seit 2005 sind hier bereits Fenster modernisiert, Fassaden, Keller- und Geschossdecken gedämmt. Der Heizungskeller ist geräumig und hoch genug für die Um- und Einbauten. Bis dato stand hier nur die Gas-Brennwert-Anlage mit einer Leistung von 180 kW (Baujahr 2007) und sorgte für Heizung und Warmwasser.

Nach der Analyse des Heizungssystems (mit vorhandener Einrohrheizung) wurde ein hydraulischer Abgleich vorgenommen. Das ist die Bedingung für integrierte Wärmepumpen, wird aber in dem Zusammenhang leider oftmals vernachlässigt. Der hydraulische Abgleich optimiert die Heizungsanlage. Ist diese fachgerecht über Vorlauftemperatur und Heizkörperventil eingestellt, verteilt die Heizungspumpe das warme Wasser gleichmäßig in alle Räume. Allein diese Maßnahme ergab im Hochhaus Kassel eine Energieeinsparung von etwa 25 Prozent. Denn mittels hydraulischen Abgleiches wird Wärmeverlust oder Überheizung in den Wohnungen vermieden. Infolgedessen auch  diskutabler Energieverbrauch. Das erlaubt eine gerechte Abrechnung für Mieter und spart Mietern und Vermietern viel Ärger bei der Betriebskostenabrechnung. Das Ertüchtigen der Hausanschlüsse übernahm die Städtische Werke AG.

Hybridheizungsanlage mit Wärmepumpensystem und zentraler Warmwasserbereitung

Mieter einbeziehen

Die installierten vier Luft-Wasser-Wärmepumpen vom Typ WPL 25 A Stiebel Eltron mit 15,6 kW (A2/W65) wurden in Kaskade geschaltet. Ihre kalkulierte Jahresarbeitszahl liegt bei 2,9. Das sei ein sehr guter Wert in Anbetracht der Einrohrheizung mit 70 Grad Celcius Vorlauf und Heizkörpern, meint Gabriel. Mithilfe der Wärmepumpentechnologie sollen mindestens 80 Prozent der Gebäudeheizung abgedeckt werden und etwa 25 Prozent beim Herstellen der Trinkwasserwärme. Dafür sind die Wärmepumpen in die Trinkwasser­erwärmung und je nach Bedarf in die Raumheizung eingebunden. Etwa 22 Prozent CO2 sollen dabei eingespart werden. Gabriel: "Wir verwirklichen momentan 20 ähnliche Sanierungsmaßnahmen wie hier in der Hoheneicher Straße parallel und verfügen mittlerweile über viel spezielles Know-how. Wir geben das gern zum Nachmachen weiter. In Zukunft planen wir den energetischen Umbau weiterer 500 Wohneinheiten."

Allerdings lassen seiner Meinung nach die aktuellen politischen Rahmenbedingungen dafür zu wünschen übrig. Sozialverträgliche Wärmeversorgung und eine möglichst niedrige Modernisierungsumlage wie politisch gefordert – das sei für ein Wohnungsunternehmen dauerhaft kaum wirtschaftlich umzusetzen. Gabriel betont weiter: "Es reicht auch nicht aus, die Wärmepumpen einfach nur einzubauen. Genauso wichtig ist es, die Mieter in den Umbauprozess mit einzubeziehen und Verständnis für die Funktion der neuen Technologie zu erzeugen. Dann werden Wärmepumpen auch nicht mehr so verteufelt."

Der Artikel ist in der DW Die Wohnungswirtschaft 11/2023 erschienen.

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Schlagworte zum Thema:  Energieversorgung, Wärmepumpe, Gebäudesanierung