Wohnung statt Büro? So einfach ist das rechtlich nicht

Seit der Corona-Pandemie stehen ganze Büroetagen leer, gleichzeitig fehlen in Deutschland Hunderttausende Wohnungen. Warum wird nicht einfach umgebaut?
Lisa Gündoğdu LL.M.: So einfach ist das nicht. Wenn aus Büros Wohnungen werden sollen, dann ist das eine andere Art der Nutzung, die man baurechtlich genehmigen lassen muss. Die größte rechtliche Hürde dabei ist das Planungsrecht, insbesondere die Ausweisung des Grundstücks in einem Bebauungsplan. Viele Bürogebäude stehen in Gewerbegebieten – dort ist Wohnen baurechtlich grundsätzlich nicht zulässig.
Doch auch in Mischgebieten gelten Einschränkungen, etwa durch das Rücksichtnahmegebot oder den Bebauungsplan. Dieser kann beispielsweise vorschreiben, dass Wohnen nur in den Obergeschossen erlaubt ist, während im Erdgeschoss nur Läden oder Büros zulässig sind. Mitunter kann er auch die Wohnanteilsquote begrenzen, zum Beispiel auf maximal 60 Prozent Wohnen, um die Mischnutzung zu erhalten.
Nur im Allgemeinen Wohngebiet ist Wohnen vorrangig zulässig. Dort wird es aber selten zu einer Umnutzung kommen, da hier ohnehin überwiegend Wohngebäude stehen.
Gibt es neben dem Planungsrecht noch weitere Hürden?
Hinzu kommen bauordnungsrechtliche und technische Anforderungen, etwa in Bezug auf Schallschutz, Belichtung oder Rettungswege, Brandschutz oder Barrierefreiheit, die bei einer Nutzungsänderung für Wohnzwecke erfüllt werden müssen.
So haben Büroräume oft nur Toiletten, aber keine Duschen, Badewannen oder Küchenanschlüsse. Eine Wohnung dagegen benötigt ein Bad sowie eine Küche oder Kochnische. Fensterlose Küchen oder Kochnischen sind nur dann zulässig, wenn eine wirksame Lüftung vorhanden ist. Auch im Zusammenhang mit Brandschutz sind die Anforderungen an Wohnräume strenger als an Büros. Erforderlich ist beispielsweise ein zweiter Rettungsweg über die Treppe oder das Fenster.
Diese Standards sind überwiegend auf Neubauten ausgelegt und lassen sich im Bestand oft nur schwer umsetzen. Auch wirtschaftliche Faktoren spielen eine Rolle: Umbauten sind kostenintensiv, und viele Eigentümer scheuen den Aufwand, wenn gleichzeitig noch Rechtsunsicherheit besteht.
Steht das Gebäude unter Denkmalschutz, sind Umbauten nur mit Genehmigung der Unteren Denkmalbehörde möglich. Änderungen an Fassade, Fensterformaten oder Grundriss können eingeschränkt sein. Je nach Bundesland und Kommune müssen pro Wohneinheit Stellplätze nachgewiesen oder eine Ablöse gezahlt werden. Büroimmobilien haben in der Regel andere Stellplatzanforderungen.
Behördliche Hürden bremsen Genehmigungsprozess
Nehmen wir an, es gibt ein Bürogebäude in guter Lage, aber es steht in einem Gewerbegebiet. Ist ein Umbau in Wohnungen dort überhaupt denkbar?
Je nach Gebietseinstufung ist ein Antrag auf Befreiung oder eine Bebauungsplanänderung erforderlich, so in reinen Gewerbegebieten – beides ist zeitaufwändig und nicht immer erfolgreich. Daneben gelten auch die soeben bereits angesprochenen Anforderungen des Bauordnungsrechts, etwa hinsichtlich des Brandschutzes, der Belichtung, des Lärmschutzes oder der Stellplatzverordnung. Insbesondere die Beteiligung der verschiedenen Behörden – Bauamt, Denkmalbehörde, oder gegebenenfalls Umweltbehörde – kann mitunter zu einem langwierigen Genehmigungsprozess führen.
Wie sieht es mit einer Mischnutzung aus – also etwa Wohnen kombiniert mit Läden oder Dienstleistungen wie Servicewohnen?
In gemischt genutzten Gebieten – etwa in urbanen Gebieten oder Kerngebieten – ist eine Mischnutzung grundsätzlich leichter zu realisieren. Dort erlaubt das Planungsrecht in der Regel sowohl Wohnen als auch gewerbliche Nutzungen. Beim sogenannten Servicewohnen, also etwa betreutem Wohnen oder altersgerechtem Wohnen mit Zusatzangeboten, kommt es auf die genaue Ausgestaltung an. Solche Modelle können je nach Auslegung auch als Sondernutzung gelten und leichter genehmigungsfähig sein.
Ob es sich noch um Wohnen handelt oder eine sozial geprägte Sondernutzung, hängt davon ab, wie stark die Betreuungsangebote in die Wohnnutzung integriert sind. Aber auch hier gilt: Ohne ein tragfähiges planungsrechtliches Fundament ist keine Nutzung zulässig – die Entscheidung liegt letztlich immer bei der zuständigen Behörde. Bei Zweifeln ist eine Klärung über eine Bauvoranfrage ratsam.
Wie lange dauert ein solcher Genehmigungsprozess im besten Fall?
Wenn nur eine Nutzungsänderung innerhalb der bestehenden baurechtlichen Möglichkeiten beantragt wird, kann ein Genehmigungsverfahren in wenigen Monaten abgeschlossen sein – theoretisch.
In der Praxis dauert es oft länger, weil zahlreiche Fachämter beteiligt sind. Wird eine Änderung des Bebauungsplans notwendig, sprechen wir von mindestens 18 bis 36 Monaten – je nach Kommune, Beteiligung der Öffentlichkeit und Komplexität sogar länger. Genehmigungsprozesse sind derzeit weder digitalisiert noch standardisiert, was die Dauer weiter verlängert.
Angenommen, der Umbau ist genehmigt – was bedeutet das rechtlich für bestehende Mietverhältnisse? Und worauf müssen Eigentümer dann noch achten?
Gewerbemietverträge bleiben von der Nutzungsänderung unberührt – sie gelten weiterhin. Eine Wohnnutzung ist erst nach Kündigung oder Auslaufen des bestehenden Mietverhältnisses möglich.
Auch steuerliche Implikationen spielen eine Rolle: Eine Umnutzung kann Auswirkungen auf Abschreibungen oder Umsatzsteuer haben. Und es müssen neue Mietverträge nach Wohnraummietrecht geschlossen werden – mit ganz anderen Schutzvorschriften für Mieter.
Insbesondere auch hinsichtlich der Vertragslaufzeit macht es einen Unterschied, ob zu Wohnzwecken oder zu Gewerbezwecken vermietet wird. Während Gewerberaummietverträge meist Festlaufzeiten von regelmäßig über zehn Jahren haben, sind Wohnraummietverträge überwiegend auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und von dem Wohnraummieter daher jederzeit kurzfristig kündbar.
Der Wohnraumvermieter kann das Mietverhältnis hingegen nur mit berechtigtem Grund kündigen. Etwa im Falle von kündigungsrelevanten Zahlungsrückständen oder im Zusammenhang mit Eigenbedarf. Letzteren kann nur eine natürliche Person geltend machen, nicht hingegen institutionelle Vermieter. Wer umbaut, muss also auch mietrechtlich sauber zwischen Gewerbe- und Wohnraumnutzung trennen.
"Verfahren zur Nutzungsänderung sollten verschlankt werden"
Angesichts all dieser Hürden: Was müsste sich aus rechtlicher Sicht ändern, damit mehr Büros zu Wohnungen werden?
Die Standards sind grundsätzlich sinnvoll, etwa beim Brandschutz oder bei der Barrierefreiheit. Aber sie sind für Neubauten gemacht – nicht für Bestandsumbauten. Es braucht differenzierte Lösungen für den Bestand, etwa über vereinfachte Bauvorschriften, wie sie manche Bundesländer bereits eingeführt haben. Ziel muss sein, praktikable Übergangslösungen zu schaffen, die Sicherheit und Wohnqualität gewährleisten, aber gleichzeitig den Umbau nicht wirtschaftlich unmöglich machen.
Müssen Genehmigungsverfahren vereinfacht werden?
Ja, insbesondere Verfahren zur Nutzungsänderung sollten deutlich verschlankt werden. Möglich wären etwa pauschale Privilegierungen für Wohnnutzung in angespannten Wohnungsmärkten, wie wir sie aus dem Bundesimmissionsschutzrecht kennen. Auch Fristen für Behörden, mehr Digitalisierung und klarere Zuständigkeiten könnten helfen, Verfahren zu beschleunigen.
Welche konkreten Schritte müssten Bund und Länder unternehmen, um die Umnutzung von Bürogebäuden endlich voranzubringen?
Der Bund könnte über das Baugesetzbuch gezielte Sonderregelungen für die Umnutzung leerstehender Büroflächen schaffen, zum Beispiel durch erleichterte Zulässigkeit im Innenbereich. Die Länder wiederum können über die Landesbauordnungen die technischen Anforderungen für Bestandsbauten absenken – wie es etwa Nordrhein-Westfalen vorgemacht hat. Förderprogramme könnten zusätzlich finanzielle Anreize schaffen, um die wirtschaftlichen Hürden zu senken.
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