Immobilienmarkt: 3 Fragen an Jens Tolckmitt

Warum sich Käufer längst auf das neue Zinsniveau eingestellt haben, weshalb die größte Herausforderung im Neubau liegt – und wieso die Schrauben bei der Bankenregulierung nicht zu sehr angezogen werden sollten. 3 Fragen an Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Pfandbriefbanken (vdp).

Herr Tolckmitt, die Nachfrage nach Wohnungen nimmt zu. Gleichzeitig rückt die Vier-Prozent-Marke bei Krediten näher und könnte den Aufschwung bremsen. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage auf dem Immobilienmarkt in Deutschland ein?

Jens Tolckmitt: Wir haben vor einem knappen Monat die Zahlen für das zweite Quartal veröffentlicht und können feststellen: Die Preise, gerade im Wohnimmobilienmarkt, steigen seit fünf Quartalen wieder. Das ist für uns mehr als eine Bodenbildung. Wir sind eigentlich wieder auf einem Aufwärtstrend und das ist dem Markt geschuldet, der durch einen ganz starken Nachfrageüberhang gekennzeichnet ist.

Und was man parallel dazu feststellt, ist, dass die potenziellen Käufer, die Interessenten, die in der Lage sind, selbstgenutzte Immobilien zu erwerben, sich eben auf dieses neue Zinsniveau einstellen. Möglicherweise auch dadurch, dass sie etwas kleiner kaufen, als sie es vor fünf Jahren noch getan hätten. Und deswegen glauben wir, dass es wieder eine Stabilisierung des Marktes, aber auch eine Aufwärtsentwicklung im Wohnimmobilienmarkt gibt.

Im Gewerbeimmobilienmarkt kann man das in gewisser Weise auch sagen. Die Situation ist fragiler. Der Markt hängt viel stärker an Faktoren, wie dem wirtschaftlichen und dem geopolitischen Umfeld. Aber auch da beobachten wir seit drei Quartalen steigende Preise in dem Bereich, in dem Banken eben auch finanzieren. Und da würden wir jetzt nicht von einem Aufschwung sprechen. Aber nach einer Bodenbildung sieht das jedenfalls aus.

Die komplette L'Immo-Folge mit Gastgeber Dirk Labusch und Jens Tolckmitt                                                                             

                                                                                              

"Eigentliche Herausforderung: Endlich ins Bauen kommen"

Ist Ihre Prognose für den Wohnimmobilienmarkt auch auf mittlere Sicht positiv?

Die Nachfragelücke wird größer. Wir haben eine Normalisierung des Marktes, die sich ausdrückt in wieder steigenden Preisen. Die sich bei unseren Mitgliedsinstituten auch in deutlich gestiegenen Finanzierungsvolumina niederschlägt. Trotzdem bleibt die Lücke und da kommen wir auch zur größten Herausforderung, die auch über die nächsten Jahren bestehen bleiben wird.

Alles, was wir im Moment an Aktivität sehen, an Transaktionen und so weiter, findet sich ganz wesentlich im Bestand wieder. Weil kaum neue Wohnungen gebaut werden, vergrößert sich die Nachfragelücke immer weiter und das stabilisiert den Markt. Das Problem ist eigentlich zu ernst, als dass man so darüber sprechen sollte. Aber es stabilisiert den Markt und sorgt für weiter steigende Preise und weiter steigende Mieten.

Das ist gut für alle, die in diesem Markt unterwegs sind und die vielleicht Eigentum haben. Es ist aber schwierig für all jene, die Eigentum erwerben wollen oder auf der Suche nach Wohnraum sind. Und ich würde sagen, da liegt die eigentliche Herausforderung: Endlich ins Bauen kommen und endlich in die Schaffung weiteren Wohnraums. Das ist die Aufgabe. Wir haben alle unseren Anteil daran. Aber es ist ganz wesentlich die Aufgabe der Politik.

"Abertausende Seiten von Regulierungen"

Gehen wir mal nach Brüssel. Das Basel-III-Reformpaket (Basel IV) und die Sustainable-Finance-Regulierung der Europäischen Union werden viel kritisiert. Haben Sie Hoffnung, dass es einen Kurswechsel geben wird?

Es ist schwierig zu sagen, wann und ob ein Kurswechsel vor allem im nötigen Umfang zustande kommt. Ich erkenne das Bemühen, ich erkenne aber auch die Vielschichtigkeit der Meinungen, die zusammenkommen und in denen ein Kompromiss gefunden wird. Und ich erkenne einfach – und das trifft insbesondere aktuell auf die Sustainable-Finance-Regulierung, aber auch auf die Bankenregulierung zu – eine Komplexität in dieser Regulierung, die es einfach wahnsinnig schwer macht, zu reformieren. Das halte ich für die große Herausforderung. Sustainable-Finance ist ein Musterbeispiel dafür. Da sind in den vergangenen fünf Jahren buchstäblich abertausende Seiten von Regulierungen geschaffen worden, die man jetzt eigentlich systematisch durchgehen müsste.

Bei der Bankenregulierung sagen wir seit vielen Jahren, dass gerade die relativ risikoarme Immobilienfinanzierung davon besonders betroffen ist. Europa hat die Regelungen als einzige relevante Weltregion verabschiedet. Unsere Forderung ist, im Rahmen der Umsetzung darauf zu achten und zu prüfen, wo man im Sinne der Lösung bestimmter Herausforderungen etwas möglicherweise reduzieren kann. Wir wollen das gar nicht infrage stellen, aber reduzieren und überlegen, wie man Finanzierungskräfte der Kreditwirtschaft freisetzen kann, um diese ganzen Visionen, die man formuliert hat, also sprich nachhaltige Renovierung des Gebäudebestands in unserem Fall oder eben auch Wohnungsbau, um das zu angemessenen Bedingungen finanzieren zu können.

Dies ist ein redaktionell bearbeiteter Ausschnitt aus der L'Immo-Folge mit Jens Tolckmitt.