Work-Life-Balance und Digitalisierung – Appell an Verwalter
Frau Redder, Sie finden die Verwalterbranche etwas "eingestaubt". Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern, damit die Branche für die junge Generation interessant ist?
Jessica Redder: Die Branche hat ein großes Nachwuchsproblem, und wenn die Rahmenbedingungen so bleiben, dann wird es auch immer schwieriger, junge Menschen für den Beruf zu begeistern. Die jüngere Generation sucht nach flexibleren Arbeitsmodellen oder will vielleicht auch mal mit dem Tablet am See arbeiten.
Alteingesessene Unternehmen können diesen Wunsch nicht unbedingt nachvollziehen …
Aktuell prallen Welten aufeinander. Ich selbst schätze die Freiheit bei der Arbeitseinteilung auch sehr und lebe das deshalb in meinem Unternehmen und mit meinen Mitarbeitenden.
War der Wunsch nach mehr Freiheit und Eigenbestimmtheit auch der Grund dafür, dass Sie sich selbstständig gemacht haben?
Tatsächlich war das eigene Unternehmen bei mir keine bewusste Entscheidung. Ich habe nach meiner Ausbildung zunächst angestellt gearbeitet. Als mein Chef die Firma veräußerte, bin ich in eine andere Hausverwaltung gewechselt. Dort habe ich aber schnell gemerkt, dass meine Messlatte sehr hoch lag. Mein erster Chef war menschlich ganz toll und er hat den Job in einer anderen Form gelebt.
Was meinen Sie damit?
Hausverwaltung darf nicht anonym sein – es geht um das Zuhause von Menschen, da sind Emotionen im Spiel. Das habe ich in meiner neuen Firma vermisst. Zudem habe ich dort keine WEG-Verwaltung mehr gemacht, das hat mir gefehlt. Deshalb habe ich zunächst nebenberuflich selbstständig einige WEGs betreut. Das Ganze hat dann aber schnell Fahrt aufgenommen, sodass ich komplett in die Selbstständigkeit gewechselt bin. Zunächst alleine, inzwischen mit vier Angestellten. Wir betreuen mittlerweile 1.000 Einheiten.
Als junge Gründerin sind Sie in der Hausverwalterbranche eine Ausnahme. Die Branche konsolidiert sich, Unternehmen geben auf. Was versprechen Sie sich von der Zukunft?
Ich entscheide tatsächlich vieles aus dem Bauch heraus. Das ist wohl eher unternehmeruntypisch, aber es funktioniert sehr gut, weil es authentisch ist. Insgesamt hat die Branche meiner Meinung nach viele Potenziale, aber auch die Herausforderungen werden nicht kleiner. Nachwuchsmangel ist das eine Problem, hinzu kommen viele neue Aufgaben on top zum Alltagsgeschäft, zum Beispiel durch die Energiewende.
Ist Digitalisierung das A und O, um sich von anderen zu unterscheiden?
Der Trend geht klar dorthin. Wir punkten aber vor allem durch unsere Authentizität. Es gibt eine klare, direkte Kommunikation und auch mal deutliche Worte, immer aber gepaart mit Witz und Menschlichkeit. Das kommt bei den Kunden gut an.
Das Interview ist Teil des Beitrags "Gute Zeit für Neugründungen" in der Ausgabe 07/2023 des Fachmagazins "Immobilienwirtschaft". Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Immobilienwirtschaft-App.
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