Strompreis: Mehr Gerichte erteilen Tarifsplit eine Absage

Übernimmt ein Stromversorger die Grundversorgung, zahlen Neukunden oft vielfach höhere Preise als Altkunden. Diese Tarifsplit-Praxis haben bereits mehrere Gerichte für unzulässig erklärt. Monopolisten dürfen sich keinen Vorteil gegenüber dem Wettbewerb verschaffen, heißt es in einem Urteil aus Köln.

Der Billiganbieter kündigt, der Grundversorger übernimmt übergangsweise: Dieses Schicksal hat wegen der stark gestiegenen Preise zuletzt viele Stromkunden ereilt. Für Neukunden kann der "Notdienst" teuer werden – sie zahlen in der Grund- und Ersatzversorgung häufig weit höhere Tarife als Bestandskunden.

Stadtwerke und Stromkonzerne, die in ihrer Region die Grundversorgung übernehmen, dürfen sich dadurch keinen Vorteil gegenüber dem Wettbewerb verschaffen, geht aus einem Urteil des Landgerichts (LG) Köln hervor (Az. 90 O 12/22). Die Richter gaben damit einer einstweiligen Verfügung statt, die der Ökostromversorger Lichtblick gegen den Grundversorger Rheinenergie angestrengt hatte.

LG Köln: "Quersubventionierung" von niedrigeren Stromtarifen

Rheinenergie hatte von Neukunden bis zu 254 Prozent höhere Preise verlangt. Das Gericht sieht darin laut Urteilsbegründung eine "diskriminierende, weil missbräuchliche Preisspaltung" der "monopolistischen Stromanbieterin". Es sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass die "aufgezeigten Unterschiede sachlich gerechtfertigt waren". Hinweise auf gestiegene Großhandelspreise und die Kundenübernahme von insolventen Discountern genügten "nicht annähernd den Anforderungen", um die Preisspaltung zu rechtfertigen. Die Kammer sah "unzweifelhaft" den Tatbestand der "Quersubventionierung" von niedrigeren Stromtarifen der Bestandskunden durch die hohen Neukundentarife erfüllt.

Das Landgericht Mannheim untersagte den Stadtwerken Pforzheim, von Neukunden in der Grund- und Ersatzversorgung höhere Preise zu verlangen. In der Entscheidung (Az. 22 O 3 / 22 Kart) heißt es, das Stadtwerk "missbrauche seine marktbeherrschende Stellung". Im konkreten Fall wurde Ende 2021 von Neukunden in der Grund- und Ersatzversorgung 107,66 Cent pro Kilowattstunde verlangt – eine Anhebung des Preisniveaus auf 336 Prozent im Vergleich zu Bestandskunden. Im Januar 2022 senkte der Versorger den Preis auf 55,24 Cent gesenkt, was aber immer noch einem Plus von 173 Prozent entsprach. Auch hier sei nicht glaubhaft gemacht worden, "dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt war", stellte das Gericht fest.

Ersatzversorgung: Schadensersatz wegen zu hoher Strompreise?

Zuvor untersagte bereits das Landgericht Frankfurt am 14.2.2022 dem Energieversorger Mainova in einem Eilentscheid, unterschiedliche Preise für Bestandskunden in der Grundversorgung und Neukunden in der Ersatzversorgung aufzurufen (Az. 03-06 O 6/22). Darauf wies die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz hin.

Die Spaltung des Tarifs sei wettbewerbswidrig und verstoße gegen das Energiewirtschaftsgesetz, heißt es in dem Beschluss, über den das Nachrichtenmagazin "Spiegel" zuerst berichtet hatte. Angestrengt hatte das Verfahren ebenfalls Lichtblick. Alle Kunden in der Grund- und Ersatzversorgung müssten grundsätzlich gleichbehandelt werden, werden die Richter zitiert.

Auch das Landgericht Hannover hat einem Stadtwerk untersagt, von Neukunden höhere Preise zu verlangen. In dem Urteil geht es um die Preisspaltung bei der EVI Energieversorgung Hildesheim (Az. 25 O 6/22).

Pro Tarifsplit beim Strompreis: Das sagen andere Gerichte

Das Landgericht Köln (Az. 31 O 14/22) wiederum hat am 8.2.2022 einen Antrag der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (NRW) auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Aufspaltung der Strom- und Gasgrundversorgung in Bestands- und Neukundentarife zurückgewiesen. Zwar schreibe § 36 Abs. 1 EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) im Grundsatz eine Gleichpreisigkeit im Bereich der Grundversorgung vor, aus dem Gebot resultiere aber nicht, dass es nur einen Tarif geben dürfe. Das Gericht verwies zudem auf Ausführungen der Landeskartellbehörde zur Zulässigkeit der Preisspaltung.

Das Verfahren landete vor dem Oberlandesgericht Köln, das sich der Auffassung der Vorinstanz anschloss, wie es am 8.3.2022 bekannt gab (Beschluss v. 2.3.2022, Az. 6 W 10/22). Die Grundversorger seien nach § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG zwar verpflichtet, Allgemeine Bedingungen und Preise öffentlich bekannt zu geben und jeden Haushaltskunden entsprechend zu beliefern. Allerdings müssten sie deswegen nicht sämtliche Kunden zu gleichen Preisen beliefern, so der 6. Zivilsenat.

Das Landgericht Berlin hatte am 25.1.2022 den Eilantrag eines Wettbewerbers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in einem Dauerstreit abgewiesen: Dem Grundversorger sollte die Preisspaltung bei den Tarifen untersagt werden (Az. 92 O 1/22 Kart).


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