BGH: Wohngemeinschaft kann keine Mieterwechsel verlangen

Die Mitglieder einer Wohngemeinschaft haben keinen generellen Anspruch auf Zustimmung des Vermieters zum Austausch einzelner Mieter. Ein solcher besteht nur, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen der Vertragsparteien vorliegen.

Hintergrund: Wohngemeinschaft will Mieter austauschen

Mehrere Mieter einer Wohnung verlangen von der Vermieterin, dem Austausch einzelner Mieter zuzustimmen.

Im August 2013 hatten sechs männliche Personen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren die 7-Zimmer-Wohnung angemietet. Eine ausdrückliche Regelung über den künftigen Wechsel von Mietern enthält der Mietvertrag nicht.

Bereits vor Vertragsschluss wurde im vorgedruckten Mietvertragsformular der Name einer Person handschriftlich durch einen anderen ersetzt. Im Februar 2017 wurde in einem Nachtrag vereinbart, dass fünf Mieter aus dem Mietverhältnis ausscheiden und dafür sechs andere Personen eintreten und die Miete um 240 Euro monatlich erhöht wird. In einem weiteren Nachtrag vom Mai 2017 wurde vereinbart, dass einer der neu eingetretenen Mieter wieder aus dem Mietverhältnis ausscheidet und das Mietverhältnis stattdessen mit einer neu eintretenden Person fortgesetzt wird.

Nun verlangen die Mieter von der Vermieterin, erneut einem Austausch von Mietern zuzustimmen. Vier Personen sollen aus dem Vertrag ausscheiden und durch vier andere ersetzt werden. Diese wohnen bereits als Untermieter in der Wohnung anstelle der vier Personen, die aus dem Mietverhältnis ausscheiden wollen. Die Vermieterin ist mit einem nochmaligen Austausch von Mietern nicht einverstanden.

Entscheidung: Kein genereller Anspruch auf Mieterwechsel

Der BGH gibt der Vermieterin Recht. Die ausscheidungswilligen Mieter haben keinen Anspruch auf Zustimmung zu einem erneuten Mieterwechsel.

Ob bei Fehlen einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung zum Mieterwechsel ein Anspruch auf Zustimmung des Vermieters zu einem Mieterwechsel besteht, ist durch Auslegung des Mietvertrages im Einzelfall zu ermitteln. Hierbei sind die Interessen der Vertragsparteien zu berücksichtigen.

Kein gesetzliches Recht auf Mieterwechsel

Das Gesetz sieht ein Recht auf einen Mieterwechsel auch bei einer Mietermehrheit nicht vor. Dem Flexibilitätsinteresse der Mieter wird durch die Möglichkeit der Untervermietung sowie die für Mieter kurze Kündigungsfrist Rechnung getragen. 

Eine Vereinbarung, die einen Anspruch auf einen Mieterwechsel gibt, ginge hierüber deutlich hinaus. Dies dürfte ohne besondere Anhaltspunkte nicht vom Willen beider Parteien getragen sein. Allein aus dem Umstand, dass der Vertrag mit mehreren Mietern, die eine Wohngemeinschaft bilden, geschlossen wurde, lässt sich dementsprechend nicht ableiten, dass die Parteien einen Anspruch auf einen Mieterwechsel begründen wollten.

Ein Anspruch auf Zustimmung zu einem Mieterwechsel würde erhebliche Vorteile auf Mieterseite begründen. Bisherige Mieter scheiden – anders bei einer Untervermietung – aus dem Mietverhältnis aus und haften ab dem Ausscheiden nicht mehr für Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis. Auch müssen sie sich nicht um eine Kündigung oder Untervermietung kümmern. Die eintretenden Mieter würden von längerer Kündigungsfrist und möglicherweise geringerer Miete als bei einer Neuvermietung profitieren.

Zwar kann auch ein Vermieter ein Interesse daran haben, dass die eine Wohngemeinschaft bildenden Mieter bei einem Auszugswunsch eines Mieters jeweils selbständig für Ersatz sorgen und sich um die Abwicklung kümmern. Andererseits kann ein Recht auf einen Mieterwechsel für den Vermieter auch erhebliche Nachteile haben. So würde die Möglichkeit, die Wohnung neu zu vermieten oder anderweitig zu nutzen, deutlich erschwert, ebenso die Möglichkeit, bei Abschluss eines neuen Mietvertrages eine höhere Miete zu erzielen.

Bei der Auslegung des Mietvertrages ist außerdem zu berücksichtigen, dass es Sache der Mieter wäre, für eine ihnen vorteilhafte Vertragsgestaltung zu sorgen, die einen gesetzlich nicht vorgesehenen Mieterwechsel ermöglicht. So könnte ein Bewohner die Wohnung allein anmieten und dann mit Zustimmung des Vermieters an die Mitbewohner untervermieten. Denkbar wäre auch die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die Mieter und Anmietung durch die Gesellschaft. Dann könnten die in der Wohnung lebenden Personen durch einen Gesellschafterwechsel ausgetauscht werden.

Mietermehrheit allein begründet keinen Anspruch auf Mieterwechsel

Ausgehend von diesen Interessenlagen genügt die Tatsache, dass mehrere Personen als Wohngemeinschaft den Mietvertrag abschließen, nicht, um ein Recht auf den Austausch von Mietern anzunehmen. Die Gründe für die Errichtung einer Wohngemeinschaft können vielfältig sein, von freundschaftlicher Verbundenheit der Mitglieder bis hin zu einer reinen Zweckgemeinschaft, um Kosten zu sparen. Auch ist eine Wohngemeinschaft nicht zwingend auf einen regelmäßigen Bewohnerwechsel ausgelegt.

Absehbare Fluktuation kann Anspruch auf Mieterwechsel begründen

Nach den Umständen des Einzelfalls kann ein Mietvertrag aber auch so auszulegen sein, dass ein Anspruch auf einen Mieterwechsel bestehen soll. Das setzt voraus, dass sowohl Vermieter als auch Mieter bei Vertragsschluss davon ausgingen, dass häufig und in kurzen Abständen Bedarf besteht, die Zusammensetzung der Bewohner zu ändern, weil die Mieter voraussichtlich wegen ihrer persönlichen Lebensumstände bereits bei Vertragsschluss absehbar nur für einen kurzen Zeitraum an dem jeweiligen Ort leben werden und eine vertragliche Bindung über diesen Zeitraum hinaus nicht eingehen wollen. Das kann insbesondere bei Studierenden der Fall sein.

Im vorliegenden Fall handelte es sich nicht um eine Studierenden-WG. Es waren auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Wohngemeinschaft auf einen häufigen Mitgliederwechsel angelegt war. Ein Anspruch auf Zustimmung zu einem Mieterwechsel ließ sich daher nicht aus dem Mietvertrag herleiten.

Austausch einzelner Mieter führt nicht zu generellem Anspruch

Wenn der Anspruch auf einen Mieterwechsel nicht bereits im Mietvertrag angelegt ist, kann sich ein solcher auch aus nachträglichen Vereinbarungen ergeben. Indes ist den Nachträgen zum Mietvertrag, mit denen Mieter ausgetauscht wurden, kein generelles Recht auf Zustimmung zu weiteren Mieterwechseln zu entnehmen, so dass die Mieter auch hierauf keinen Anspruch auf einen Mieterwechsel stützen konnten.

(BGH, Urteil v. 27.4.2022, VIII ZR 304/21)


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