BGH: Beschluss kann nicht von fehlendem Widerspruch abhängen

Ein Beschlussergebnis kann nicht unter der Bedingung festgestellt werden, dass kein Wohnungseigentümer innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht. Geschieht dies dennoch, ist ein Beschluss nicht zustande gekommen.

Hintergrund: Umlaufbeschluss unter Bedingung

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft plante ein Eigentümer, mehrere Dachgauben seiner Wohnung umzubauen. Der Verwalter informierte die Eigentümer über die geplanten Änderungen und übersandte ihnen eine Vorlage für einen Zustimmungsbeschluss. Für die Stimmabgabe zu dem Umlaufbeschluss setzte er eine Frist bis zum 8.3.2013.

Ein Eigentümer lehnte den Beschlussantrag innerhalb dieser Frist ab, die übrigen Eigentümer stimmten zu. Der Eigentümer, der mit „Nein“ gestimmt hatte, zog seine Stimme jedoch am 12.3.2013 zurück und erklärte, der Maßnahme nunmehr auch zuzustimmen. Der Verwalter teilte dies den Eigentümern mit. Eigentlich sei der Beschluss mangels Zustimmung aller Eigentümer innerhalb der Frist abgelehnt, er werde den Beschluss aber dennoch als angenommen werten, wenn bis zum 24.3.2013 kein Eigentümer widerspreche. Ein Widerspruch wurde nicht erhoben, woraufhin der bauwillige Eigentümer den Umbau durchführte.

Nach Abschluss des Umbaus verlangen die Eigentümer einer Wohnung, dass Baumaßnahme rückgängig gemacht wird.

Entscheidung: Beschlussfeststellung muss eindeutig sein

Die Eigentümer können keinen Rückbau verlangen.

Dies ergibt sich aber nicht schon aus dem Zustimmungsbeschluss, denn ein solcher ist nicht wirksam zustande gekommen. Dem im schriftlichen Verfahren nach § 23 Abs. 3 WEG zur Abstimmung gestellten Beschluss (Umlaufbeschluss) haben nicht alle Wohnungseigentümer zugestimmt, denn ein Eigentümer hat innerhalb der gesetzten Frist mit „Nein“ gestimmt und erst danach sein Stimmverhalten geändert. Ob dies zulässig ist, kann offenbleiben, denn jedenfalls fehlt es an einer wirksamen Verkündung eines auf dieser Grundlage gefassten Beschlusses. Ein Umlaufbeschluss kommt erst mit der Feststellung und einer an alle Wohnungseigentümer gerichteten Mitteilung des Beschlussergebnisses zustande.

Im Schreiben des Verwalters vom 15.3.2013 wurde aber kein endgültiges Beschlussergebnis festgestellt, sondern lediglich mitgeteilt, der Beschlussantrag werde als angenommen gewertet, wenn kein Wohnungseigentümer widerspreche. Die Feststellung eines Beschlussergebnisses nach Ablauf der Widerspruchsfrist ist aber unterblieben.

Es reichte nicht aus, dass der Verwalter ankündigte, den Beschluss als angenommen zu werten, wenn kein Eigentümer widerspricht. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist eine verbindliche Feststellung erforderlich, was eine Feststellung unter einer Bedingung ausschließt. Steht eine Beschlussfeststellung unter der Bedingung, dass kein Eigentümer innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht, ist kein Beschluss zustande gekommen.

Treu und Glauben schließt Anspruch auf Rückbau aus

Obwohl ein Zustimmungsbeschluss nicht zustande gekommen ist, ist ein Rückbau nicht erforderlich. Bei der durchgeführten Maßnahme handelte es sich um eine bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum, die nur mit Zustimmung aller Eigentümer zulässig ist, die durch die Maßnahme beeinträchtigt werden. Weil der Umbau von Gauben eine erhebliche optische Veränderung des Gebäudes zur Folge hat, sind alle Eigentümer beeinträchtigt, so dass deren Zustimmung erforderlich ist. Ob die Zustimmung zwingend einen förmlichen Beschluss erfordert (der hier fehlt) oder die tatsächliche Zustimmung ausreicht, kann offenbleiben, denn es verstößt hier jedenfalls gegen Treu und Glauben, wenn Eigentümer die Rückgängigmachung einer Maßnahme verlangen, der sie und alle anderen Eigentümer zugestimmt hatten.

Zwar ist nicht jeder Widerspruch zwischen zwei Verhaltensweisen eine unzulässige Rechtsausübung. Widersprüchliches Verhalten ist aber dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Das ist hier der Fall. Es lag die Zustimmung sämtlicher Eigentümer zu der Baumaßnahme vor. Damit wurde ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Der Umbau wurde in der erkennbaren Erwartung durchgeführt, dass wohnungseigentumsrechtlich alles seine Richtigkeit hat und ein späterer Rückbau nicht verlangt werden kann. Dieses Vertrauen ist schutzwürdig, denn es musste sich nicht aufdrängen, dass der vom Verwalter initiierte Beschluss nicht zustande gekommen war. Demgegenüber sind für die Eigentümer, die nun den Rückbau verlangen, keine Gründe ersichtlich, die ihr Verlangen trotz der mit einem Rückbau verbundenen erheblichen Nachteile für die Eigentümer, die den Umbau vorgenommen haben, rechtfertigen könnten.

(BGH, Urteil v. 6.7.2018, V ZR 221/17)

Lesen Sie auch:

BGH-Rechtsprechungsübersicht zum Wohnungseigentumsrecht