An rechtskräftiger Beschlussersetzung ist nicht zu rütteln

Hintergrund: Gericht ersetzt Eigentümerbeschluss
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit zwölf Einheiten stimmte der Eigentümer von acht Einheiten, der auch mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile hält, in einer Eigentümerversammlung gegen die Sanierung schadhafter Kellertüren, sodass der Beschlussantrag abgelehnt wurde. Daraufhin erhoben die übrigen Eigentümer Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage.
Durch Versäumnisurteil wurde der Negativbeschluss vom Amtsgericht für ungültig erklärt und im Wege der Beschlussersetzung folgender Beschluss gefasst:
"Die Wohnungseigentümer beschließen, ... alle Kellertüren und die Kellerzwischenwände/Trennwände aus Holz durch Kellertüren und Zwischenwände aus einem anderen Material (z.B. Kunststoff/Metall o.ä. in Leichtbauweise) zu ersetzen. Der Verwalter soll drei Angebote von Fachfirmen einholen und den Auftrag an den kostengünstigsten Anbieter vergeben. Die Kosten tragen die Wohnungseigentümer entsprechend ihrer Miteigentumsanteile. Der Verwalter wird beauftragt, eine Sonderumlage in Höhe des Auftragswerts und entsprechend der jeweiligen Miteigentumsanteile von den Wohnungseigentümern zu erheben und den Auftrag erst nach vollständigen Gutschriften zu erteilen."
Der Mehrheitseigentümer ist gegen das Versäumnisurteil nicht vorgegangen, sodass dieses rechtskräftig geworden ist.
Die Verwalterin holte sodann drei Angebote ein und forderte auf Basis des günstigsten Angebots bei den Eigentümern die anhand der jeweiligen Miteigentumsanteile berechnete Sonderumlage an. Der Mehrheitseigentümer weigert sich, den auf ihn entfallenden Anteil an der Sonderumlage zu zahlen. Er meint, der durch das Versäumnisurteil ersetzte Beschluss sei nichtig, weil die jeweiligen Einzelbeträge der Sonderumlage nicht schon bei Beschlussfassung betragsmäßig bestimmbar waren.
Entscheidung: Kein Einwand der Nichtigkeit nach Rechtskraft
Der Mehrheitseigentümer muss die Sonderumlage zahlen. Grundlage hierfür ist der durch das Amtsgericht ersetzte Beschluss.
Es kommt nicht darauf an, ob dieser Beschluss nach wohnungseigentumsrechtlichen Grundsätzen nichtig wäre. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte die Nichtigkeit aufgrund der Rechtskraft des Versäumnisurteils nicht mehr geltend gemacht werden.
Wenn die Wohnungseigentümer eine nach dem Gesetz erforderliche Maßnahme nicht treffen, kann das Gericht - wie hier durch das Versäumnisurteil geschehen - gemäß § 21 Abs. 8 WEG an ihrer Stelle nach billigem Ermessen durch Gestaltungsurteil entscheiden. Dabei muss das Gericht das Gebot ordnungsgemäßer Verwaltung beachten.
Der Rechtsschutz gegen ein beschlussersetzendes Urteil und die Wirkung eines solchen Urteils richten sich nicht nach den Regelungen, die für Beschlüsse der Wohnungseigentümer gelten, sondern nach den für Urteile maßgeblichen rechtlichen Regelungen. Anders als bei einem in der Eigentümerversammlung gefassten Beschluss wird der Rechtsschutz daher nicht durch die Anfechtungsklage nach § 46 WEG gewährleistet, sondern wie bei jedem Urteil durch die verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsmittel.
Nach den für Urteile maßgeblichen Regeln bestimmen sich ferner der Eintritt der Rechtskraft und die Reichweite der Gestaltungswirkung. Mit Rechtskraft eines stattgebenden Gestaltungsurteils tritt die Gestaltungswirkung ein; zugleich erwächst die Feststellung in materielle Rechtskraft, dass das Gestaltungsrecht des Klägers im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestand und die Gestaltungswirkung daher zu Recht eingetreten ist.
Diese Wirkungen entfaltet das Urteil auch, wenn das Gericht etwaige materiell-rechtliche Nichtigkeitsgründe wie etwa das Fehlen der Beschlusskompetenz nicht beachtet hat; solche Rechtsfehler führen nicht zur Wirkungslosigkeit des Urteils und können nur im Rechtsmittelverfahren eingewendet werden. Rechtsmittel wurden gegen das Urteil aber nicht eingelegt.
Wenn ein Urteil über eine Beschlussersetzung nicht unbestimmt oder in sich widersprüchlich sowie rechtskräftig geworden ist, steht mit Wirkung für und gegen die Wohnungseigentümer und deren Sondernachfolger fest, dass der (ersetzte) Beschluss gültig ist. Daher kann nicht mehr geltend gemacht werden, er sei nichtig.
Das gilt auch, wenn das Gericht die Beschlussersetzung – wie hier – durch Versäumnisurteil ausgesprochen hat. Der Mehrheitseigentümer hätte Einspruch einlegen und dem Gericht seine Argumente gegen eine Beschlussersetzung unterbreiten können. Er hatte es also in der Hand, den Eintritt der materiellen Rechtskraft abzuwenden; von dieser Möglichkeit hat er keinen Gebraucht gemacht. Auf der anderen Seite haben die klagenden Eigentümer ein berechtigtes Interesse daran, dass die Rechtslage abschließend gestaltet und geklärt wird.
Hieran gemessen steht für den Prozess über die Zahlung der Sonderumlage fest, dass ein gültiger Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage gefasst worden ist. Dieser ist hinreichend bestimmt. Die Verwalterin hat sich beim Anfordern der Sonderumlage auch an die Vorgaben aus dem Urteil gehalten.
(BGH, Urteil v. 16.2.2018, V ZR 148/17)
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