BGH: Altvertrag und Wirtschaftlichkeitsgebot

Ein vor Abschluss eines Mietvertrages geschlossener ungünstiger Vertrag des Vermieters mit einem Dienstleister kann allein keinen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot begründen. Ein Verstoß kommt erst in Betracht, wenn der Vermieter eine Möglichkeit zur Korrektur nicht ergreift.

Hintergrund: Vermieter lässt Müll kontrollieren und sortieren

Die Vermieterin von Wohnungen in einer größeren Wohnanlage hat seit 2010 ein Unternehmen mit einem sogenannten Müllmanagement beauftragt. Dieses umfasst unter anderem die Nachsortierung des Abfalls sowie den Betrieb eines Chipsystems, mit dem die Restmüllmenge pro Haushalt erfasst wird. Das für die Anlage zur Verfügung stehende Mülltonnen-Volumen wurde zu keiner Zeit vollständig ausgeschöpft.

Die nach Einrichtung des Müllmanagements abgeschlossenen Mietverträge sehen vor, dass die Kosten für die Abfallentsorgung sowohl nach der Quadratmeterzahl als auch dem individuellen Verbrauch je Wohneinheit unter Berücksichtigung einer wöchentlichen Mindestmenge von 20 Litern Restmüll für jeden Haushalt auf die Mieter umgelegt werden.

Für 2016 errechnete die Vermieterin Entsorgungskosten von 2.450 Euro, davon 740 Euro für Leistungen des Dienstleisters, und legte diese in den Betriebskostenabrechnungen als Kosten der Abfallbeseitigung auf die Mieter um; ebenso enthielten die Abrechnungen für 2017 und 2018 auch Müllmanagement-Kosten.

Die Mieter mehrerer Wohnungen verlangen die Rückzahlung der Kosten für das Müllmanagement. Sie meinen, die Kosten seien nicht umlagefähig. Amts- und Landgericht sahen dies genauso. Die Entscheidung für das Müllmanagement stelle einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot dar. Hierdurch fielen zusätzlich zu den reinen Entsorgungs- und Abfuhrkosten weitere Kosten an. Betriebskosten dürfe der Vermieter aber nur bei ordnungsgemäßem Kostengrund und angemessener Kostenhöhe an den Mieter weitergeben. Die Beweislast, dass die zusätzlichen Kosten dem Grunde nach erforderlich sind, liege – anders als hinsichtlich der Höhe der Kosten – beim Vermieter. Diesen Nachweis habe der Vermieter nicht erbracht, denn er habe nicht dargelegt, dass die über die Leerungs- und Abfuhrkosten hinausgehenden Kosten des Dienstleisters erforderlich seien.

Es sei auch kein sachlicher Grund für eine Nachsortierung des Restmülls ersichtlich, zumal das vorhandene Behältervolumen nie ausgeschöpft werde und deshalb kein Kostenersparnis erreicht werden könne.

Entscheidung: Rücksichtnahmepflicht erst ab Abschluss des Mietvertrages

Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist die Sache dorthin zurück.

Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ist vertragliche Nebenpflicht des Vermieters

Vermieter haben gemäß § 556 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BGB gegenüber den Mietern die vertragliche Nebenpflicht, bei Maßnahmen und Entscheidungen, die Einfluss auf die Höhe der von diesen zu tragenden Betriebskosten haben, auf ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis Rücksicht zu nehmen (sogenannter Wirtschaftlichkeitsgrundsatz). Die Verletzung dieser Pflicht kann zu einem Schadensersatzanspruch des Mieters führen, der auf Rückzahlung der unnötigen Kosten beziehungsweise auf Freihaltung von diesen gerichtet ist.

Bestandsvertrag allein kann keinen Verstoß begründen

Eine Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots kann hier aber nicht bereits darin liegen, dass die Vermieterin ein Müllmanagement eingeführt und einen Vertrag mit einem externen Dienstleister geschlossen hat.

Wurde ein die Betriebskosten auslösender Dienstleistungsvertrag – wie hier – schon vor Abschluss des Mietvertrags geschlossen, kann das Eingehen dieser Verbindlichkeit keine Nebenpflichtverletzung sein, weil zu diesem Zeitpunkt noch keine mietvertragliche Rücksichtnahmepflicht bestand. Vielmehr kommt in diesem Fall eine Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots nur in Betracht, soweit dem Vermieter - im Falle eines nicht angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnisses – eine Korrektur der zu überhöhten Kosten führenden Maßnahme während des Mietverhältnisses möglich und wirtschaftlich zumutbar gewesen wäre und er diese Möglichkeit – etwa durch Kündigung eines Vertrags mit ungünstigen Bedingungen – nicht ergriffen hat.

Ob die Vermieterin hier - einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Abwägung zwischen den Kosten und dem Nutzen dieses Vertrags unterstellt - nach Abschluss der Mietverträge die Möglichkeit gehabt hätte, den Vertrag mit dem Dienstleister zu kündigen oder abzuändern, ist unklar, weil das Landgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat.

Maßnahmen nicht deshalb unwirtschaftlich, weil immer genug Platz in den Mülltonnen ist

Unabhängig davon ist der Betrieb einer Anlage zur Müllmengenerfassung durch einen externen Dienstleister nicht allein deshalb unwirtschaftlich, weil das vorhandene Behältervolumen nie komplett ausgenutzt wird. Eine verbrauchs- und verursachungsabhängige Abrechnung schafft grundsätzlich mehr Abrechnungsgerechtigkeit und fördert einen kostenbewussten Umgang mit Müll.

Auch die Nachsortierung durch einen Dienstleister ist nicht deshalb unwirtschaftlich, weil das Behältervolumen nicht ausgenutzt wird. Das Nachsortieren dient nicht nur dazu, die Menge an Restmüll zu reduzieren, sondern soll auch Fehlbefüllungen der Abfallbehälter verhindern.

Beweislast für Verstoß gegen Wirtschaftlichkeitsgebot vollständig beim Mieter

Zudem liegt, anders als das Landgericht meint, die Beweislast für ein pflichtwidriges Verhalten des Vermieters auch im Hinblick auf den Kostengrund beim Mieter. Es obliegt daher den Mietern, darzulegen und nachzuweisen, dass ein Festhalten am Müllmanagement dem Wirtschaftlichkeitsgebot widerspricht.

(BGH, Urteil v. 25.1.2023, VIII ZR 230/21)


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