Leitsatz (amtlich)

Sind in einem Mehrfamilienhaus asbesthaltige Wärmespeicheröfen unter Verstoß gegen § 39 Abs. 1 GefStoffV demontiert und zerlegt worden, können dem hierfür verantwortlichen Hauseigentümer Maßnahmen zur Feststellung einer Asbestbelastung der Räumlichkeiten auf seine Kosten aufgegeben werden.

 

Normenkette

OBG NRW § 14 Abs. 1; VwVfG NRW § 24; GefStoffV § 39

 

Verfahrensgang

VG Düsseldorf (Aktenzeichen 18 K 4711/99)

 

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer eines Mehrfamilienhauses, dessen Wohnungen mit Wärmespeicheröfen der Baujahre 1968 bis 1971 ausgestattet waren. Nach Herstellerangaben hatten die Öfen jeweils eine asbesthaltige Bodenplatte aus Hartstyropor. 1998 entschloss sich der Kläger, die komplette Heizungsanlage auszutauschen. Zusammen mit seinem Hauswart demontierte er die Speicheröfen, wobei diese größtenteils noch in den Wohnungen zerlegt wurden, um sie besser abtransportieren zu können. Etwa zwei Monate später erhielt der Beklagte als örtliche Ordnungsbehörde hiervon Kenntnis und veranlasste für drei der fünf Wohnungen stichprobenhafte Untersuchungen der Raumluft und des Hausstaubes auf ihre Asbestbelastung durch ein privates Umweltinstitut. Dabei wurden im Hausstaub einer der Wohnungen Asbestfasern festgestellt; im Übrigen ergaben die Untersuchungen keinen positiven Befund. Nachdem der Kläger es abgelehnt hatte, von sich aus in allen Wohnungen eingehendere Untersuchungen zu veranlassen, gab der Beklagte diese ebenfalls bei dem Umweltinstitut in Auftrag. Die Untersuchungen führten nur bei einem Teil der Wohnungen in einzelnen Räumen zu einem positiven Befund. Die ihm hierdurch entstandenen Kosten in Höhe von 14.987,20 DM stellte der Beklagte dem Kläger mit Leistungsbescheid in Rechnung. Die dagegen gerichtete Klage und der Antrag auf Zulassung der Berufung hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die vom Kläger in den Vordergrund seines Antragsvorbringens gestellte Kritik an der Auffassung des VG, die zweite – die hier streitigen Kosten auslösende – Untersuchung durch die Dr. W. GmbH (Auftrag vom 15./16.7.1998) habe nicht der dem Beklagten im Rahmen der Amtsermittlungspflicht nach § 24 VwVfG NRW obliegenden Gefahrerforschung gedient, sondern sei bereits eine – an sich vom Kläger zu treffende – Maßnahme der Gefahrenabwehr gewesen, durch welche die für eine Sanierung erforderlichen Erkenntnisse über das Ausmaß der Asbestbelastung ermittelt werden sollten, verhilft der Rüge ernstlicher Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ebenfalls nicht zum Erfolg. Selbst wenn man unterstellt, der zweite Untersuchungsauftrag habe jedenfalls hinsichtlich der bei der ersten, stichprobenhaften Untersuchung nicht als asbestbelastet erkannten Wohnungen der Mieter R. und D. der Abklärung der Frage des Vorliegens einer Gefahr gedient (Gefahrerforschungseingriff),

vgl. zu entsprechenden Abgrenzungsfragen im Zusammenhang mit dem Betrieb asbesthaltiger Nachtstromspeicheröfen auch Hamb. OVG, Beschluss vom 21.8.1991 – Bs II 67/91 –, NJW 1992, 524,

wäre die Ersatzvornahme im Wege des Sofortvollzuges rechtmäßig gewesen. Auch in diesem Fall hätte der Beklagte dem Kläger die Einholung des umstrittenen Gutachtens durch einen auf § 14 Abs. 1 OBG NRW gestützten Grundverwaltungsakt aufgeben können und damit innerhalb seiner Befugnisse im Sinne von § 55 Abs. 2 VwVG NRW gehandelt.

Es entspricht, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung, ganz herrschender Auffassung, dass die Behörde in Situationen, in denen aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Verdacht besteht, dass der Zustand einer Sache oder das Verhalten einer Person zu einem Schaden an einem polizeilich geschützten Rechtsgut führen kann oder schon geführt hat, auf der Grundlage der polizeilichen Generalklausel unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die erforderlichen Maßnahmen anordnen darf, um den Gefahrenverdacht weiter abzuklären. Überwiegend wird insoweit angenommen, dass auch (schon) der Gefahrenverdacht eine Gefahr im polizei- und ordnungsrechtlichen Sinne darstellt, und zwar insbesondere dann, wenn wegen der Größe und der Folgenschwere des möglichen Schadens nur geringe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen sind.

Vgl. etwa Schink, Amtsermittlung und Gefahrerforschung, DVBl. 1989, 1182 (1186 f.); Martensen, Materielle Polizeipflicht und polizeiliche Verpflichtbarkeit des Bürgers in Anscheins- und Verdachtslagen, DVBl. 1996, 286 (290); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., § 13 Anm. 2.c) jeweils m. w. N. auch aus der Rspr.; eingehend – auch zu anderen Begründungsansätzen: Weiß, Der Gefahrerforschungseingriff bei Altlasten – Versuch einer Neubestimmung – NVwZ 1997, 737.

Ein verbreiteter Konsens besteht zudem inzwischen darüber, dass die Behörde zumindest in den Fällen, in denen der Gefahrenverdacht vom sogenannten Verdachtsstörer durch rechtswidriges Verhalten herbeigeführt worden ist, nicht auf den Erlass einer Duldungsverfügung – zur Ermöglichung eigener Gefahrerforschungsmaßnahmen – beschränkt ist, sondern ...

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