Leitsatz (amtlich)

Eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs ist auch unterhalb der für die fristlose Kündigung geltenden Grenze des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB möglich. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters liegt jedoch nicht vor, wenn der Mietrückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt und die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt.

§ 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB findet keine entsprechende Anwendung auf die ordentliche Kündigung.

 

Normenkette

BGB § 573 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 01.03.2012; Aktenzeichen 67 S 42/11)

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Entscheidung vom 17.12.2010; Aktenzeichen 19 C 28/10)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 67 des LG Berlin vom 1.3.2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Beklagte ist seit 1972 Mieter einer Wohnung in Berlin. Die Klägerin, eine aus zwei Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ist durch Eigentumserwerb im Jahr 2003 in die Vermieterstellung eingetreten.

Rz. 2

Gemäß § 4 des Mietvertrags ist die Miete monatlich im Voraus, spätestens am dritten Werktag, zu entrichten. Nach § 5 des Mietvertrags kann der Mieter gegenüber Mietforderungen mit Gegenforderungen nur aufrechnen, wenn er seine Absicht dem Vermieter mindestens eine Woche vor Fälligkeit angekündigt hat.

Rz. 3

Nach dem Anschluss der ursprünglich nur mit Einzelöfen ausgestatteten Wohnung des Beklagten an die Fernwärmeversorgung verlangte die Klägerin ab März 2008 neben der Grundmiete (252,81 EUR) monatliche Heizkostenvorschüsse i.H.v. 70 EUR. Dem Beklagten waren zu diesem Zeitpunkt vom Jobcenter monatliche Leistungen von 302,81 EUR für Heizung und Unterkunft bewilligt, wovon das Jobcenter 252,81 EUR direkt an die Klägerin und 50 EUR monatlich auf ein vom Beklagten benanntes Konto überwies.

Rz. 4

Der Beklagte zahlte die von der Klägerin ab März 2008 verlangten Vorschüsse zunächst nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 6.5.2009 teilte er mit, er sei davon ausgegangen, dass das Jobcenter monatliche Vorschüsse von 50 EUR an die Klägerin gezahlt habe, und kündigte Zahlungen in dieser Höhe für die Zukunft an; für Mai und Juni 2009 zahlte er am 1.7.2009 100 EUR und danach monatlich 50 EUR.

Rz. 5

Mit Anwaltsschreiben vom 5.10.2009 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis fristgemäß zum 31.7.2010, weil der Beklagte die Heizkostenvorauszahlungen von März 2008 bis April 2009 (14x 70 EUR = 980 EUR) nicht gezahlt hatte. Die rückständigen Vorschüsse für diesen Zeitraum waren Gegenstand eines Zahlungsprozesses, in dem der Beklagte mit Urteil des AG vom 12.11.2009 antragsgemäß verurteilt wurde. Der Beklagte leistete die ausstehenden Zahlungen am 30.7.2010. Das Urteil des AG wurde durch Zurückweisung der Berufung am 15.11.2010 rechtskräftig.

Rz. 6

Mit Schreiben vom 12.11.2010 kündigte die Klägerin erneut fristgemäß, weil der Beklagte zu diesem Zeitpunkt die Miete für den laufenden Monat noch nicht gezahlt hatte.

Rz. 7

Das AG hat der Räumungsklage stattgegeben, das LG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der Klageabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 8

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Rz. 9

Das Berufungsgericht (LG Berlin, GE 2012, 548) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Rz. 10

Die Kündigung vom 5.10.2009 scheitere zwar nicht daran, dass sie nicht von der Klägerin, sondern von deren Gesellschaftern persönlich erklärt worden sei. Ungeachtet der Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei es den Gesellschaftern unbenommen, persönlich die Kündigung des Mietverhältnisses zu erklären.

Rz. 11

Der Beklagte könne gegen die Kündigung auch nicht mit Erfolg einwenden, dass ihn kein Verschulden an den Zahlungsrückständen treffe. Der Beklagte habe selbst eingeräumt, dass das Jobcenter an ihn 50 EUR monatlich für Heizkosten überwiesen habe, was ihm jedenfalls im Juni 2009 durch einen entsprechenden Ausdruck der Zahlungen des Jobcenters klar gewesen sein müsse. Allerdings könne die Kündigung unwirksam sein, wenn die Vorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB auf die ordentliche Kündigung anzuwenden sei. Dies könne indes dahinstehen, weil jedenfalls die weitere Kündigung vom 12.11.2010 das Mietverhältnis beendet habe. Der Beklagte sei im Zeitpunkt dieser weiteren Kündigung mit der vollen Novembermiete in Rückstand gewesen. Dies rechtfertige eine ordentliche Kündigung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB, denn es handele sich angesichts der Höhe des Rückstands um eine erhebliche Pflichtverletzung. Der Rückstand mit einer Monatsmiete genüge für die ordentliche Kündigung. Auf die in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB i.V.m. § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB genannte Grenze könne für die ordentliche Kündigung nicht abgestellt werden, denn sonst liefe diese bei Verletzung der Hauptleistungspflicht leer.

II.

Rz. 12

Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung lediglich im Ergebnis stand. Die Kündigung vom 12.11.2010 ist unwirksam, weil Zahlungsrückstände des Mieters die ordentliche Kündigung nicht rechtfertigen, wenn sie - wie hier - den Betrag einer Monatsmiete nicht übersteigen und im Zeitpunkt der Kündigung weniger als einen Monat angedauert haben. Gleichwohl hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen, denn das Mietverhältnis der Parteien ist bereits durch die Kündigung vom 5.10.2009 beendet worden.

Rz. 13

1. Die Kündigung der Klägerin vom 12.11.2010 ist unwirksam, weil die Pflichtverletzung des Beklagten, auf die sie gestützt ist - die Nichtzahlung der neun Tage zuvor fälligen Miete - keine "nicht unerhebliche Pflichtverletzung" i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellt.

Rz. 14

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Miete für den Monat November 2010 gem. § 4 des Mietvertrags am 3.11.2010 fällig wurde. Zwar wurde der Mietvertrag noch unter Geltung von § 551 BGB a.F. abgeschlossen, wonach die Miete jeweils am Monatsende zu zahlen war. Eine Formularklausel, die hiervon abweichend eine Zahlung jeweils bis zum dritten Werktag eines Monats im Voraus verlangt, ist nach der Rechtsprechung des Senats gleichwohl wirksam (BGH vom 26.10.1994 - VIII ARZ 3/94, BGHZ 127, 245, 249 f.). Entgegen der Ansicht der Revision gilt dies auch dann, wenn die Fälligkeitsklausel - wie hier - mit einer sog. Ankündigungsklausel kombiniert ist (BGH, Urt. v. 4.5.2011 - VIII ZR 191/10, NJW 2011, 2201 Rz. 15; BGH v. 7.9.2011 - VIII ZR 345/10, WuM 2011, 676 Rz. 3).

Rz. 15

b) In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der mietrechtlichen Literatur ist streitig, wie hoch ein vom Mieter verschuldeter Zahlungsrückstand sein und wie lange er angedauert haben muss, um die ordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Rz. 16

aa) Nach einer teilweise vertretenen Auffassung soll den in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB für die fristlose Kündigung festgelegten Voraussetzungen eine allgemeingültige Bedeutung zukommen. Deshalb setze auch eine auf Zahlungsverzug gestützte ordentliche Kündigung voraus, dass sich der Mieter mit einem Betrag i.H.v. zwei vollen Monatsmieten oder für zwei aufeinanderfolgende Monate mit einem nicht unerheblichen Teil der Miete in Verzug befinde (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 10. Aufl., § 573 BGB Rz. 27; Häublein in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 573 Rz. 59).

Rz. 17

bb) Nach der Gegenauffassung kommt auch bei einem Zahlungsverzug unterhalb der Schwelle des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine ordentliche Kündigung in Betracht. Dabei werden an die Höhe des Rückstands und die Dauer des Verzugs unterschiedliche Anforderungen gestellt. Teilweise soll jeder Zahlungsverzug zur Kündigung berechtigen, soweit es sich nicht um einen solchen handele, der auch bei jedem gutwilligen Vertragspartner einmal auftreten könne und nur zu einer kurzfristigen Störung des Vertragsverhältnisses führe (Schmid, DWW 1982, 77, 84); auch Rückstände unterhalb einer Monatsmiete und einer Verzugsdauer unterhalb eines Monats werden gelegentlich als ausreichend angesehen (Grapentin in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Rz. IV 64).

Rz. 18

Überwiegend wird jedoch eine erhebliche Pflichtverletzung erst bei einem Rückstand von einer Monatsmiete und einer Verzugsdauer von mindestens einem Monat angenommen (LG Wiesbaden NZM 2003, 713: rückständige titulierte Monatsmiete; Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2011, § 573 Rz. 47; Bamberger/Roth/Hannapel, BGB, 3. Aufl., § 573 Rz. 28; Schmid/Gahn, Miete, 2006, § 573 Rz. 22; Erman/Lützenkirchen, BGB, 13. Aufl., § 573 Rz. 24; vgl. auch Palandt/Weidenkaff, BGB, 71. Aufl., § 573 Rz. 16: mindestens ein halber Monat Verzugsdauer).

Rz. 19

cc) Der Auffassung, dass auch unterhalb der in § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB festgelegten Grenzen eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs möglich ist, gebührt der Vorzug. Die fristlose Kündigung setzt voraus, dass dem Vermieter unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die Fortsetzung des Vertrags nicht bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist zugemutet werden kann. Demgegenüber knüpft die ordentliche Kündigung an eine nicht unerhebliche Vertragsverletzung des Mieters an, die dem Vermieter die Lösung vom Vertrag nur unter Beachtung gesetzlicher oder vereinbarter Kündigungsfristen erlaubt. Angesichts dieser unterschiedlichen Anforderungen an die fristlose und die ordentliche Kündigung besteht kein Grund, die vom Gesetzgeber für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs festgelegten Grenzen auf die ordentliche Kündigung zu übertragen.

Rz. 20

Hiervon geht auch das Berufungsgericht im Ansatzpunkt zutreffend aus. Allerdings muss bei der Bewertung einer Pflichtverletzung als "nicht unerheblich" die Dauer und die Höhe des Zahlungsverzugs berücksichtigt werden. Nicht jeder geringfügige oder nur kurzfristige Zahlungsverzug rechtfertigt die Annahme einer nicht unerheblichen Pflichtverletzung. In Anlehnung an die überwiegend vertretenen Auffassungen erscheint dem Senat die Erheblichkeitsgrenze nicht überschritten, wenn der Rückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt und zudem die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt. Hier befand sich der Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung vom 12.11.2010 mit der Miete für November neun Tage in Verzug, so dass die Grenze zur "nicht unerheblichen" Pflichtverletzung noch nicht überschritten war.

Rz. 21

2. Das Urteil des Berufungsgerichts erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, denn das Mietverhältnis der Parteien ist bereits durch die Kündigung der Klägerin vom 5.10.2009 beendet worden.

Rz. 22

a) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Kündigung vom 5.10.2009 nicht deswegen unwirksam, weil sie nicht im Namen der Vermieterin erklärt worden wäre. Auf die - nach Ansicht der Revision zu verneinende - Frage, ob die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein von der Gesellschaft eingegangenes Mietverhältnis persönlich kündigen können, kommt es nicht an, weil die anwaltliche Kündigung vom 5.10.2009 im Namen der Gesellschaft ausgesprochen worden ist. Denn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat darin auf eine von beiden Gesellschaftern erteilte Vollmacht und das mit dem Beklagten bestehende Mietverhältnis Bezug genommen. Hieraus ergibt sich hinreichend, dass die Kündigung im Namen der Gesellschaft als Vermieterin erfolgte.

Rz. 23

b) Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses (§ 573 Abs. 1 BGB), weil der Beklagte seine Pflichten aus dem Mietvertrag schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB), indem er in der Zeit von März 2008 bis April 2009 keine Zahlungen auf die i.H.v. 70 EUR monatlich geschuldeten Heizkostenvorauszahlungen leistete.

Rz. 24

Dass er diese Pflichtverletzung mangels Verschulden nicht zu vertreten hätte (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), lässt sich dem Vorbringen des Beklagten entgegen der Auffassung der Revision nicht entnehmen. Zu Recht hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass eine unverschuldete wirtschaftliche Notlage, die den Beklagen an der Zahlung der Vorschüsse gehindert hätte, schon deshalb nicht vorlag, weil er im fraglichen Zeitraum monatlich 50 EUR für Heizkostenvorauszahlungen vom Jobcenter erhielt. Dass er diese Beträge "versehentlich" zur Tilgung anderer Verbindlichkeiten verwendete, ändert nichts daran, dass dem Beklagen zumindest Fahrlässigkeit zur Last fiel. Selbst wenn nur monatliche Vorauszahlungen von 50 EUR berücksichtigt würden, wäre in dem Zeitraum von März 2008 bis April 2009 ein erheblicher, zwei Monatsmieten übersteigender und vom Beklagten auch zu vertretender Rückstand aufgelaufen.

Rz. 25

Soweit der Beklagte geltend macht, er sei irrig davon ausgegangen, dass er die Vorauszahlungen nicht leisten müsse, könnte ihn dies nur unter den Voraussetzungen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums entlasten (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2006 - VIII ZR 102/06, NZM 2007, 35 Rz. 25, 27 sowie v. 11.7.2012 - VIII ZR 138/11, WuM 2012, 499 Rz. 19). Für das Vorliegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums bestehen nach dem Sachvortrag des Beklagten jedoch keine Anhaltspunkte. Der Umstand, dass der Beklagte nach eigenen Angaben davon ausging, dass die Zahlungen i.H.v. monatlich 50 EUR für ihn vom Jobcenter erbracht worden seien, und er Zahlungen in dieser Höhe ab Mai 2009 tatsächlich auch leistete, spricht im Gegenteil dafür, dass er sich darüber im Klaren war, nach dem Anschluss seiner Wohnung an die Fernwärmeversorgung Heizkostenvorauszahlungen entrichten zu müssen. Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigt der Umstand, dass dem Beklagten im Zahlungsprozess in der ersten Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, keine andere Beurteilung.

Rz. 26

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revision steht der Kündigung vom 5.10.2009 auch nicht die "Sperrwirkung" des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB entgegen. Diese Vorschrift bestimmt für die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB, dass im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung des Mieters zur Zahlung einer erhöhten Miete nach §§ 558 bis 560 BGB das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung gekündigt werden kann, wenn nicht die Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung schon wegen der bisher geschuldeten Miete erfüllt sind.

Rz. 27

Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf die ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Es besteht schon keine Regelungslücke, die eine solche analoge Anwendung rechtfertigen könnte.

Rz. 28

aa) Wie der Senat für den ähnlich gelagerten Fall der in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geregelten Schonfristzahlung ausgeführt hat (BGH, Urt. v. 16.2.2005 - VIII ZR 6/04, NZM 2005, 334 unter II 2a, c), sprechen bereits die unterschiedlichen Kündigungsvoraussetzungen für die außerordentliche fristlose Kündigung in § 543 BGB und für die ordentliche Kündigung in § 573 BGB dagegen, dass der Gesetzgeber die in § 569 Abs. 3 BGB enthaltenen Schutzvorschriften nur versehentlich auf die außerordentliche Kündigung beschränkt haben könnte. Der Zweck der Schutzvorschriften besteht darin, in bestimmten Konstellationen eine Obdachlosigkeit des Mieters infolge einer fristlosen Kündigung zu vermeiden; eine solche Gefahr der Obdachlosigkeit besteht angesichts der bei der ordentlichen Kündigung einzuhaltenden Kündigungsfrist nicht oder jedenfalls nicht in gleichem Maße (BGH, Urt. v. 16.2.2005 - VIII ZR 6/04, a.a.O., unter II 2d aa). Im Übrigen kann von einem gesetzgeberischen Versehen, die Schutzvorschriften des § 569 Abs. 3 BGB entgegen der eigentlichen Intention nicht auch auf die ordentliche Kündigung bezogen zu haben, auch deshalb nicht (mehr) ausgegangen werden, weil der Gesetzgeber im Mietrechtsreformgesetz vom 19.6.2001 (BGBl. I, 1149) zwar die Schonfrist bei der fristlosen Kündigung auf zwei Monate verlängert, gleichwohl aber bei dieser Gelegenheit für die ordentliche Kündigung keine anderweitige Regelung getroffen hat, obwohl die obergerichtliche Rechtsprechung schon in den 1990er Jahren eine analoge Anwendung der Regelung über die Schonfristzahlung auf die ordentliche Kündigung verneint hat (vgl. BGH, Urt. v. 16.2.2005 - VIII ZR 6/04, a.a.O., unter II 2b).

Rz. 29

bb) Auch bei der Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB handelt es sich um eine Regelung mit Ausnahmecharakter. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt deshalb - mangels Bestehen einer Regelungslücke - eine analoge Anwendung weder für den preisgebundenen Wohnraum (BGH, Urt. v. 9.5.2012 - VIII ZR 327/11, NJW 2012, 2279 Rz. 16) noch für den Fall in Betracht, dass der Vermieter wegen Mietrückständen, die aus erhöhten Betriebskostenvorauszahlungen (§ 560 Abs. 4 BGB) resultieren, nach § 543 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b BGB kündigt, ohne zuvor auf Zahlung der Rückstände zu klagen (BGH, Urt. v. 18.7.2012 - VIII ZR 1/11, WuM 2012, 497 Rz. 21). Für die ordentliche Kündigung gilt nichts anderes; auch insoweit ist für eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB kein Raum.

Rz. 30

d) Entgegen der Auffassung der Revision führt die vom Beklagten am 30.7.2010 nachträglich geleistete Zahlung ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Rz. 31

Allerdings hat der Senat im Zusammenhang mit der Bedeutung der Schonfristzahlung für eine ordentliche Kündigung ausgeführt, die innerhalb der Frist des § 569 BGB erfolgte nachträgliche Zahlung könne die Pflichtverletzung des Mieters in einem milderen Licht erscheinen lassen und unter diesem Gesichtspunkt von Bedeutung sein (vgl. BGH vom 16.2.2005 - VIII ZR 6/04, a.a.O., unter II 2d cc). Ob dies - wie es im damaligen Senatsurteil möglicherweise anklingt - im Rahmen der Wirksamkeit der Kündigung oder - was aus systematischen Gründen näher liegen dürfte - im Rahmen von § 242 BGB zu prüfen ist, weil sich die Berufung auf eine wirksam ausgesprochene Kündigung aufgrund nachträglich eingetretener Umstände im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich darstellen kann (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 13.10.2010 - VIII ZR 78/10, NJW 2010, 3775 Rz. 14, zur Anbietpflicht), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die im Juli 2010 und somit fast neun Monate nach der Kündigung erfolgte Zahlung lässt die schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten, der in der Zeit vom März 2008 bis April 2009 Rückstände i.H.v. mehr als zwei Monatsmieten hat auflaufen lassen, auch nachträglich nicht in einem milderen Licht erscheinen. Die nachträgliche Zahlung steht daher dem Räumungsbegehren der Klägerin weder unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit der Kündigung noch mit Rücksicht auf Treu und Glauben entgegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3499569

BGHZ 2013, 64

NJW 2012, 6

NJW 2013, 159

NWB 2012, 4137

EBE/BGH 2012, 390

JR 2014, 70

JurBüro 2013, 165

NZM 2012, 5

NZM 2013, 20

WM 2013, 1085

ZAP 2013, 119

ZIP 2012, 5

ZMR 2013, 104

JZ 2013, 64

MDR 2012, 13

MDR 2013, 24

NJ 2012, 7

NJ 2013, 227

NJ 2013, 70

WuM 2012, 682

WuM 2013, 46

GK/BW 2014, 22

GuT 2012, 21

MietRB 2013, 1

NJW-Spezial 2013, 65

NWB direkt 2012, 1402

RÜ 2013, 9

RdW 2013, 254

BBB 2013, 60

FMP 2013, 3

GK/Bay 2013, 261

IWR 2013, 64

ImmWert 2012, 37

LL 2013, 28

MK 2013, 23

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