Leitsatz

  1. Eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs ist auch unterhalb der für die fristlose Kündigung geltenden Grenze des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB möglich. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters liegt jedoch nicht vor, wenn der Mietrückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt und die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt.
  2. § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB findet keine entsprechende Anwendung auf die ordentliche Kündigung.

(amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

BGB §§ 569 Abs. 3 Nr. 3, 573 Abs. 2 Nr. 1

 

Kommentar

Zwischen den Parteien bestand ein Mietvertrag über eine Wohnung zu einer monatlichen Grundmiete von 252,81 EUR. Die Wohnung wurde ursprünglich mit Einzelöfen beheizt. Im Frühjahr 2008 wurde sie an die Fernwärmeversorgung angeschlossen. Zur Deckung der Heizkosten verlangte die Vermieterin ab März 2008 neben der Grundmiete einen Heizkostenvorschuss von 70 EUR/Monat.

  1. Der Mieter hat den monatlichen Heizkostenvorschuss in den Monaten März 2008 bis April 2009 (14 Monate x 70 EUR = 980 EUR) zunächst nicht bezahlt. Aus diesem Grund hat die Vermieterin Zahlungsklage erhoben und mit Schreiben vom 5.10.2009 fristgemäß gekündigt. Den Zahlungsanspruch hat das Amtsgericht mit Urteil vom 12.11.2009 zuerkannt; das Urteil ist rechtskräftig. Der Mieter zahlte den Urteilsbetrag am 30.7.2010.
  2. Nach den vertraglichen Vereinbarungen war die Miete am 3. Werktag eines Monats zu bezahlen. Die Miete für den Monat November hat der Mieter 9 Tage nach der Fälligkeit bezahlt. Aus diesem Grund erklärte die Vermieterin am 12.11.2010 eine weitere ordentliche Kündigung.

Der BGH hatte zu entscheiden, ob das Mietverhältnis durch die Kündigungen vom 5.10.2009 oder 12.11.2010 beendet worden ist.

Als Kündigungsgrund kommt in beiden Fällen § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Betracht. Danach kann der Vermieter u.a. dann kündigen, "wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat".

1 Kündigung vom 12.11.2010

Der BGH befasst sich zunächst mit der Kündigung vom 12.11.2010. Im Überschreiten des Fälligkeitstermins um 9 Tage liegt eine Pflichtverletzung i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Fraglich ist insoweit, ob diese Pflichtverletzung als "nicht unerheblich" im Sinne dieser Vorschrift zu bewerten ist.

Hinsichtlich einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs werden hierzu im Wesentlichen 2 Ansichten vertreten:

  1. Nach einer Meinung ist das Tatbestandsmerkmal "nicht unerheblich" unter Rückgriff auf die für die fristlose Kündigung geltende Vorschrift des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu konkretisieren.

    Danach liegt eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung vor, wenn der Mieter mit 2 Monatsmieten in Verzug ist (Blank, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 573 BGB Rdn. 27; Häublein, in MünchKomm, § 573 Rdn. 59).

  2. Nach der Gegenmeinung ist eine ordentliche Kündigung auch wegen geringerer Rückstände möglich, wobei meist ein Rückstand von 1 Monatsmiete und eine Verzugsdauer von mindestens 1 Monat gefordert wird (Rolfs, in Staudinger (2011), § 573 Rdn. 47; Lützenkirchen, in Ermann, § 573 Rdn. 24).

Der BGH schließt sich dieser Ansicht an. Danach scheidet eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs aus, "wenn der Mietrückstand 1 Monatsmiete nicht übersteigt und die Verzugsdauer weniger als 1 Monat beträgt" (Rz. 20).

2 Kündigung vom 5.10.2009

Außerordentliche fristlose Kündigung gilt nicht analog

Zum Zeitpunkt dieser Kündigung betrug der Rückstand mit der Heizkostenvorauszahlung 980 EUR; das sind mehr als 2 Monatsmieten. Das Merkmal der nicht unerheblichen Pflichtverletzung lag deshalb zweifelsfrei vor.

Fraglich war hier, ob die Kündigung deshalb ausgeschlossen ist, weil der Mieter erst durch Urteil vom 12.11.2009 – also nach dem Ausspruch der Kündigung – zur Zahlung der Rückstände verurteilt wurde. Das Problem folgt aus der Regelung in § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB. Diese Vorschrift behandelt den Fall, dass wegen einer Erhöhung der Betriebskosten eine Zahlungsklage anhängig war. In einem solchen Fall kann der Vermieter das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs des Mieters nicht vor Ablauf von 2 Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung kündigen. Die Regelung gilt – wie der gesamte § 569 BGB – allerdings nur für die außerordentliche fristlose Kündigung.

Deshalb stellt sich die Frage, ob die Vorschrift auf die ordentliche Kündigung analog anzuwenden ist. Dies wird zum Teil bejaht (LG Berlin, Urteil v. 1.3.2012, 67 S 42/11, GE 2012 S. 548; Blank, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 569 BGB Rdn. 67), zum Teil verneint (Lützenkirchen, in Erman, § 569 Rdn. 24; Hinz, NZM 2010, S. 57, 68). Der BGH wendet § 569 BGB nicht analog an; er führt zur Begründung aus, dass es an einer Regelungslücke fehle.

Zeitpunkt der nachträglichen Zahlung ist wichtig

Hier hatte das Amtsgericht über die Räumungsklage am 17.12.2010 entschieden. Der Mieter zahlte den Urteilsbetrag aus der Zahlungsklage am 30.7.2010. Dies führt zu der Frage, ob die nachträgliche Zahlung nach § 242 BGB zugunsten des Mieters zu berücksichtigen ist.

Der BGH hat diese Frage ...

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