Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsschutzbedürfnis für verwaltungsgerichtlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Beweisbeschluss eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Grenzen des Untersuchungsrechts eines solchen Ausschusses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für den Antrag eines Bürgers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Beweisbeschluss eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses außer Vollzug zu setzen, ist der Rechtsweg zu den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit eröffnet (§ 40 Abs. 1 VwGO).

2. Ist Gegenstand des Beweisbeschlusses die Vorlage behördlicher Akten an den Untersuchungsausschuss, kann nur ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Außervollzugsetzung des Beweisbeschlusses bejaht werden.

3. Das Untersuchungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses wird begrenzt durch den Untersuchungsauftrag des Parlaments und die Grundrechte betroffener Bürger.

 

Normenkette

GG Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 i.V.m., Art. 1 Abs. 1, Art. 14, 19 Abs. 3; Sverf Art. 79 Abs. 2 S. 1; VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 61 Nr. 3, § 123 Abs. 1, § 146 Abs. 4 S. 6; AGVwGO § 19; StGB § 353b; GVG § 17a; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1; AO § 30; LTG §§ 37, 54 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

VG des Saarlandes (Beschluss vom 16.06.2010; Aktenzeichen 11 L 544/10)

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16. Juni 2010 – 11 L 544/10 – wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,– EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

In seiner Sitzung vom 11.2.2010 hat der Landtag des Saarlandes die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit dem Titel (Kurzbezeichnung “Untersuchungsausschuss Landtagswahlen 2009”) beschlossen. Der Untersuchungsausschuss ist Antragsgegner und Beschwerdegegner. Der Beschlussfassung über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses lagen ein Antrag der Landtagsfraktion DIE LINKE vom 4.2.2010 (Landtagsdrucksache 14/85) und ein Antrag der CDU-, FDP- und der B90/GRÜNE-Landtagsfraktionen vom 10.2.2010 (Landtagsdrucksache 14/102) zugrunde, die beide mit der erforderlichen Mehrheit angenommen wurden.

In dem Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 4.2.2010 heißt es, der Untersuchungsausschuss solle eingesetzt werden

“vor dem Hintergrund

– von offenkundigen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Unternehmungen der A…-Gruppe und an der Bildung der saarländischen Landesregierung beteiligten Personen,

– dass im Zuge der Koalitionsverhandlungen fünf gegen A… gerichtete Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft und/oder Finanzverwaltung eingestellt wurden.”

Insoweit hätten

“sich zahlreiche Fragen aufgeworfen im Hinblick auf

– die Rolle A… bei der Regierungsbildung,

– die Umstände der gegen A… geführten und zeitgleich mit Bildung der jetzigen Regierungskoalition eingestellten Ermittlungsverfahren,

– den steuerlichen Umgang mit Unternehmungen der A…-Gruppe.”

Diese ungeklärten Fragen bedürften im Interesse der Rechtsstaatlichkeit umfassender und vollständiger Aufklärung.

Im Antrag der CDU-, FDP- und der B90/GRÜNE-Landtagsfraktionen vom 10.2.2010 ist als Betreff genannt: “Erweiterung und Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes des Untersuchungsausschusses (Drucksache 14/85)” Zu dem Beschlussantrag heißt es:

“Vor dem Hintergrund

– der in den vergangenen Monaten erhobenen Vorwürfe gegen Mitglieder der Regierung des Saarlandes sowie andere an der Regierungsbildung beteiligte Personen und Herrn A….

– sowie dem Versuch von SPD und LINKEN, nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche für ein Bündnis mit der Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN den Eindruck zu erwecken, dass von Seiten des Unternehmers A… sowie den ihm zuzuordnenden Unternehmen eine einseitige finanzielle Unterstützung der heutigen Regierungsparteien erfolgt sei,”

hätten “sich zahlreiche Fragen aufgeworfen im Hinblick auf:

– die Gründe des politischen Scheiterns der Regierungsbildung zwischen SPD, der Partei DIE LINKE und der Partei Bündnis 90/Die GRÜNEN,

– sowie mögliche strafbare Handlungen insbesondere in Bezug auf Delikte des 14. Abschnitts des Strafgesetzbuchs gegen die an der Regierungsbildung beteiligten Personen sowie gegen Herrn A….”

Die ungeklärten Fragen bedürften im Interesse der Wahrung der Würde der politischen Kultur umfassender und vollständiger Aufklärung.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer ist in der konstituierenden Sitzung des Untersuchungsausschusses “Landtagswahlen 2009” (Beschwerdegegner) am 24.3.2010 als Betroffener im Sinne des § 54 Abs. 1 Landtagsgesetz (LTG) festgestellt worden.

Am 24.3.2010 fasste der Beschwerdegegner (u.a.) folgenden “2. Beweisbeschluss”:

“Es soll Beweis erhoben werden über die Gründe und Umstände der Einleitung und in zeitlichem Zusammenhang mit der Regierungsbildung 2009 erfolgten Einstellung von fünf gegen A… oder Unternehmungen der A…-Gruppe geführten Ermittlungsverfahren.

A. In diesem Zusammenhang sollen die Gründe und Umstände der betreffenden bei de...

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