Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg bei Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist die Abgrenzung zwischen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art und einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit nicht allein nach formalen, an die konkreten Beteiligten anknüpfenden Gesichtspunkten vorzunehmen; entscheidend ist vielmehr, ob der jeweilige, am Verfassungsleben teilhabende Beteiligte (hier der Untersuchungsausschuss als Antragsgegner) in dem konkreten Streitfall – gegebenenfalls auch durch einen Bürger – spezifisch in seiner sich aus der Verfassung ergebenden Funktion in Anspruch genommen wird, ob also ein zentraler Bereich der dem Untersuchungsausschuss von Verfassungs wegen zukommender Betätigung berührt ist.

2. Wird die aus der Festlegung des Untersuchungsauftrags folgende verfassungsrechtliche Kompetenz des Untersuchungsausschusses zur Festlegung des Umfangs der Beweiserhebung angegriffen, ist das erheblich mehr als lediglich eine im Rahmen der Untersuchung auftretende verfahrensrechtliche Frage. Denn gerade die Beweiserhebung – ihr Umfang – ist das eigentlich verfassungsrechtlich Wesentliche der Kompetenz eines Untersuchungsausschusses und macht ihn zum schärfsten parlamentarischen Kontrollmittel.

3. Kern eines solchen Rechtsstreits ist dann die Auslegung des Art. 79 Abs. 2 Satz 1 Sverf, so dass es um spezifisch verfassungsrechtliche Fragen geht, zu deren Beantwortung im konkreten Zusammenhang die Verfassungsgerichtsbarkeit berufen ist.

 

Normenkette

Sverf Art. 79 Abs. 2 S. 1; VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 123 Abs. 1; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

OVG des Saarlandes (Beschluss vom 03.08.2010; Aktenzeichen 3 B 205/10)

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

 

Gründe

Der am 04.06.2010 bei Gericht eingegangene Antrag,

“gem. § 123 Abs. 1 VwGO folgende einstweilige Anordnung zu erlassen

“Der 2. Beweisbeschluss des Antragsgegners, der in der Sitzung vom 24.03.2010 gemäß dem durch XXX vorgelegten Beweisantrag beschlossen wurde, wird einstweilen unter A) 1 bis 6 außer Vollzug gesetzt.”,

ist unzulässig, weil es sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO handelt.

Bei Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist nach der ständigen Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. nur Beschluss der erkennenden Kammer vom 13.05.2002 – 11 F 12/02 –; OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 17.07.2002 – 1 W 15/02 – und vom 05.11.2002 – 1 W 29/02 –; zum Streitstand auch Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Beschluss vom 27.05.2002 – Lv 2/02 ea –, zitiert nach juris) die Abgrenzung zwischen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art und einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit nicht allein nach formalen, an die konkreten Beteiligten anknüpfenden Gesichtspunkten vorzunehmen; entscheidend ist vielmehr, ob der jeweilige, am Verfassungsleben teilhabende Antragsgegner in dem konkreten Streitfall – gegebenenfalls auch durch einen Bürger – spezifisch in seiner sich aus der Verfassung ergebenden Funktion in Anspruch genommen wird, ob also ein zentraler Bereich der dem Antragsgegner von Verfassungs wegen zukommenden Betätigung berührt ist.

Dies trifft hier zu.

Nach dem nunmehr übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten (vgl. die jeweiligen Schriftsätze vom 11.06.2010, Bl. 65 – 67 sowie Bl. 69 – 73 der Gerichtsakte) ist nicht in erster Linie die Herausgabe der den Antragsteller betreffenden Steuerakten an den Antragsgegner im Streit – für dieses Begehren wäre nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO der Finanzrechtsweg gegeben (vgl. Beschluss der erkennenden Kammer vom 10.04.1992 – 11 F 21/92 –) –, sondern es besteht ein Streit über die Reichweite des Beweiserhebungsrechts des Untersuchungsausschusses. So ist der Antragsteller der Auffassung, die im angegriffenen Beweisbeschluss benannten Beweismittel stünden nicht in dem gebotenen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Auftrag und dem Gegenstand des Untersuchungsausschusses; dem Beweisbeschluss fehle auch die hinreichende Bestimmtheit. Damit greift der Antragsteller die aus der Festlegung des Untersuchungsauftrags folgende verfassungsrechtliche Kompetenz des Antragsgegners zur Festlegung des Umfangs der Beweiserhebung an. Das ist erheblich mehr als lediglich eine im Rahmen der Untersuchung auftretende verfahrensrechtliche Frage. Denn gerade die Beweiserhebung – ihr Umfang – ist das eigentlich verfassungsrechtlich Wesentliche der Kompetenz eines Untersuchungsausschusses und macht ihn zum schärfsten parlamentarischen Kontrollmittel.

Kern des Rechtsstreits ist mithin die Auslegung des Art. 79 Abs. 2 Satz 1 SVerf, so dass es um spezifisch verfassungsre...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge