Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.12.2018; Aktenzeichen I ZR 112/17)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 28.07.2016 (10 O 17/16) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil des Landgerichts und dieses Urteil des Senats sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 200.000,00 EUR

 

Gründe

I. 1. Sachverhalt und Vortrag in erster Instanz

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Unterlassung der kostenlosen Verteilung eines Stadtblatts wegen eines geltend gemachten Verstoßes gegen den sogenannten Grundsatz der Staatsfreiheit oder Staatsferne der Presse, wenn es wie in der Anlage K 21 gestaltet ist.

Der Streitgegenstand des vorliegenden Hauptsacheverfahrens entspricht dem des einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Landgericht Ellwangen (4 O 135/15) und dem Senat (4 U 167/15). Daneben wurde ein Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Ellwangen wegen der Veröffentlichung von einzelnen Artikeln sowie Veranstaltungshinweisen von Kirchen und Vereinen geführt (4 O 68/16); der Senat hat zu den Veranstaltungshinweisen ebenfalls entschieden (4 U 110/16).

Die Klägerin - Verlegerin der Tageszeitung H... (Auflage ca. 5.000) und des Anzeigenblatts W... - verlangt Unterlassung der kostenlosen Verteilung des Stadtblatts, wenn es wie in der Anlage K 21 gestaltet ist (Stadtblatt Nr. 24 vom 11.06.2015). Die Beklagte vertreibt seit 1968 das Stadtblatt, seit dem 01.01.2016 wieder kostenfrei (an ca. 17.000 Haushalte, vorher etwa 4.000 Exemplare im Abonnement). Die Beklagte hat es sich, wie dies ihrem eigenen damaligen Internetauftritt zu entnehmen ist, zur Aufgabe gemacht, mit der Herausgabe des Stadtblatts

"über das gesamte politische und gesellschaftliche Geschehen"

in der Gemeinde zu berichten (K 4, K 18).

Der Oberbürgermeister der Beklagten hat in einem Interview vom 28.11.2013 dazu unter anderem wie folgt ausgeführt (K 22, K 23; Auslassungen sind durch .... gekennzeichnet):

OB M...: ..... Wir haben hier eine besondere Situation. Der Landrat hat es leider nicht erwähnt aber wir haben ein eigenes Stadtblatt.

Moderatorin: Das hab ich schon gehört.

OB M...: Oder wie heißt es so schön: "Kleine Nickeligkeiten haben". Aber es ist natürlich mit der Wochenzeitung, die wir sozusagen haben als Stadt, ist etwas ganz Anderes, als ein tagesaktuelles Blatt, mit dem wir natürlich in besonderer Weise leben. Das ist völlig klar.

Moderatorin: Aber das ist ja eher ungewöhnlich, also dass es so Gemeindeblätter gibt, das ist normal, aber dass man als OB eine eigene Zeitung rausgibt mit richtig journalistischen Beiträgen ist schon ungewöhnlich oder?

OB M...: Das ist es so und das wird sehr begrüßt, es wird In der Bevölkerung sehr begrüßt und auch vom Gemeinderat, der auch in dieser Stadt Gemeinderat heißt, wird es sehr begrüßt. Das ist damals auch eingeführt worden vor meiner Zeit und ich genieße das auch, dass es so ist.

...

Moderatorin: Okay, das wollte Ich jetzt sagen. Wie, es wird natürlich als billigere Konkurrenz gesehen und deshalb auch Argusaugen betrachtet, jetzt vom H....

OB M...: Ja, ich denke es ist auch gerechtfertigt, dass man mit Argusaugen guckt, weil es ist natürlich auch immer die Konkurrenzsituation, eine Zeitung ist wirtschaftlich Leben und die öffentliche Hand darf nicht In dem Maß Konkurrenz machen, dass es die Privatwirtschaft über die Maßen beeinträchtigt. Aber das denke ich, passiert auch nicht, weil wir jetzt weder aggressiv Anzeigen einwerben noch in sonstiger Form versuchen, die wirtschaftliche Prosperität dieses Blattes über des eigenen Blattes über die Maße hinaus voranzutreiben, aber wir gucken schon, dass wir nicht über die Maßen Schulden produzieren.

...

Moderatorin: Hat das vielleicht auch, dass Sie Ihr eigenes Blatt herausgeben, hat das vielleicht auch was damit zu tun, dass wie ich erfahren habe, dass Ihre Vorgänger durch die Berichterstattung des H... vor Gericht gebracht und aus dem Amt gebracht wurden am Ende. Hat das vielleicht auch damit was zu tun?

OB M...: Da brauch ich nicht drüber spekulieren, das ist halt immer etwas für die Archive sag ich mal. Wenn ich jetzt drin wühlen würde, würde ich vielleicht rausfinden, ansonsten sag ich mal, es ist ein ordentliches Blatt, das die Informationen, die manchmal im Tagesgeschäft einer Tageszeitung verloren gehen, vertiefen kann. Und auch in speziellen Sparten vertiefen kann, die für eine Tageszeitung nicht wirtschaftlich sind.

...

Ob M...: Ich vermute, dass die [die Monopolstellung] die Ursache war. Wobei die S... kennt man ja schon eine ganze Weile. Besonders gut kenne ich auch den Z... [Z..., Tageszeitung für den ...-Kreis] für den B... Bereich. Man ist schon erstaunt, wie weitflächig sich...

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