Verfahrensgang

LG Ellwangen (Urteil vom 24.09.2015; Aktenzeichen 4 O 135/15)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des LG Ellwangen vom 24.09.2015 (Az. 4 O 135/15) abgeändert:

Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, untersagt, ab dem 01.01.2016 das "Stadtblatt" kostenfrei an alle Haushalte der Großen Kreisstadt C. zuzustellen/zustellen zu lassen, wenn das "Stadtblatt" wie in der Anlage AS 19 gestaltet ist.

2. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 100.000,00 EUR

 

Gründe

I.1. Die Parteien streiten über die Berechtigung der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagte) zur kostenlosen Verteilung eines Stadtblatts.

Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) verlegt die Tageszeitung H. Tagblatt und ein Anzeigenblatt Wochenpost. Die Beklagte vertreibt seit 1968 das Stadtblatt, im Untertitel Amtsblatt der Großen Kreisstadt C. Bis 2003 erfolgte dies kostenlos, seitdem gegen Entgelt. Die Beklagte hat es sich, wie dies ihrem eigenen Internetauftritt zu entnehmen ist, zur Aufgabe gemacht, mit der Herausgabe des Stadtblatts "über das gesamte politische und gesellschaftliche Leben" in der Gemeinde zu berichten (AS 4, AS 16). Der Gemeinderat der Beklagten hat am 25.06.2015 beschlossen, das Stadtblatt ab dem 01.01.2016 wieder kostenlos zu verteilen.

Die Klägerin ist der Auffassung, der kostenfreie Vertrieb verstoße angesichts des (umfangreichen) redaktionellen Teils gegen das Gebot der Staatsferne der Presse und begehrt insoweit wegen eines daraus zu folgernden Wettbewerbsverstoßes ein Unterlassungsgebot.

Die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts ergeben sich aus der nachfolgenden tabellarischen Auflistung der maßgeblichen Eckdaten:

Datum

Beschreibung

Fundstelle,

Blatt

Seit 2003

Stadtblatt erscheint in der jetzigen Form und wird kostenpflichtig vertrieben (Aufl. ca. 4.000 Stück) 19

20.12.2005

Schreiben des RP S wegen Rüge der Klägerin

21, B 7

22.12.2014

Aufforderung der Beklagten zur Mitteilung über Konditionen für Druck und Vertrieb

22, B 10

12.02.2015

Angebot der Klägerin

22, B 11

25.06.2015

Beschluss des Gemeinderats über die kostenfreie Verteilung des Stadtblatts mit Onlinevariante

5, 21, AS 8

02.07.2015

Erste Beratung des Gemeinderats über Redaktionsstatut

20

14.07.2015

Abmahnung

6, AS 13 = B 12

21.07.2015

Ablehnung der Abgabe einer Unterlassungserklärung

AS 14 = B 13

22.07.2015

Ausdruck der Homepage mit Nachweis der Ausschreibung (geplante Auflage: ca. 17.000 Stück) 5, AS 10, 11

24.07.2015

Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

27.07.2015

Eingang der Schutzschrift der Beklagte

17

05.08.2015

Angebotseröffnung

AS 11, AS 20

16.09.2015

Ablauf der Angebotsfrist

AS 20

24.09.2015

Beratung des Gemeinderats über Redaktionsstatut

20

24.09.2015

Mündliche Verhandlung vor dem LG Ellwangen

115

08.10.2015

Urteil des LG Ellwangen

119

2. Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, weil es an der erforderlichen Eilbedürftigkeit fehle. Die Klägerin habe bereits seit Dezember 2014 Kenntnis von den Planungen der Beklagten gehabt, der Gemeinderatsbeschluss habe demgegenüber nichts substantiell Neues gebracht, zumal der Anspruch ausschließlich mit der inhaltlichen Gestaltung des redaktionellen Teils des Stadtblatts begründet werde. Diese Frage sei nicht abhängig von der Durchführung einer Ausschreibung, der Vergabe von Verlagsleistungen, der Finanzierung oder Bezuschussung, der Auflagenhöhe und der Frage, ob das Stadtblatt kostenlos oder entgeltlich vertrieben werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und zu den Feststellungen des LG wird auf das Urteil des LG Ellwangen vom 24.09.2015 (Az. 4 O 135/15) Bezug genommen (Blatt 119 - 129; § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

3. Die Berufung der Klägerin rügt eine rechtsfehlerhafte Entscheidung.

a. Für § 2 Nr. 1 UWG sei zwischen internen Planungsüberlegungen, deren Umsetzung in konkrete Vorbereitungshandlungen und den dann folgenden Handlungen auf dem Markt zu differenzieren. Bis zum Gemeinderatsbeschluss vom 25.06.2015 habe es lediglich verwaltungsinterne Überlegungen, einen Plan für eine Umstellung gegeben, weshalb der (verwaltungs-) interne Bereich noch nicht verlassen worden sei und keine geschäftlichen Handlungen vorgelegen hätten. Erst mit dem Gemeinderatsbeschluss seien konkrete, nach außen wirkende Vorbereitungshandlungen eingeleitet worden. Die Phase bis zum Beschluss vom 25.06.2015 habe noch keine fassbaren Außenwirkungen gehabt. Der Gemeinderat hätte das Projekt auch scheitern lassen können, eine Reduzierung des Seitenumfangs oder ähnliches beschließen können, weshalb bezogen auf den Zeitraum vor dem Gemeinderatsbeschluss in keinem Fall von geschäftlichen Handlungen im Sinne von § 2 Nr. 1 UWG ausgegangen werden könne.

Auch die vom LG genannten Schreiben vom 22.12.2014 (B 10) und 22.01.2015 (B 15) hätten le...

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