Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhörung eines nicht sorgeberechtigten Elternteils in Kindschaftssachen

 

Leitsatz (amtlich)

Wer (Mit-)Inhaber der elterlichen Sorge ist, muss grundsätzlich angehört werden (§ 167 Abs. 4 FamFG). Auch ein nicht-sorgeberechtigter Elternteil ist nach § 160 FamFG nur dann nicht anzuhören, wenn von der Anhörung eine Aufklärung nicht erwartet werden kann.

Im Falle der Genehmigung der vorläufigen Unterbringung eines Minderjährigen ist das Jugendamt Beteiligter.

 

Normenkette

FamFG § 151 Nr. 6, §§ 160, 167 Abs. 4

 

Verfahrensgang

AG Haldensleben (Beschluss vom 02.12.2009; Aktenzeichen 16 F 587/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3 wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Haldensleben Zweigstelle Wolmirstedt vom 23.11.2009 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 2.12.2009 aufgehoben und die Sache zur weiteren Ermittlung und erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden - von der Beteiligten zu 3 abgesehen - nicht erstattet.

Der Beschwerdewert beträgt 1.500 EUR.

 

Gründe

I. Das betroffene Kind (Beteiligte zu 1), das die weißrussische Staatsbürgerschaft besitzt, wird in den nächsten Tagen sechzehn Jahre alt. Es wohnt bei der sorgeberechtigten Kindesmutter (Beteiligte zu 2) in H..

Am 21.10.2009 hat die Kindesmutter beim Familiengericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung - Genehmigung der vorläufigen Unterbringung ihres Kindes - eingereicht (§§ 151 Nr. 6, 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 312 Nr. 1, 331 Nr. 1 FamFG). Mit Beschluss vom 21.10.2009 hat das Familiengericht die Beteiligte zu 3 zum Verfahrensbeistand des Kindes bestellt (§ 158, § 167 Abs. 1, § 317 FamFG). Unter dem 28.10. und 23.11.2009 hat es ärztliche Zeugnisse von Frau Dr. K. von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des A. Klinikums H. eingeholt, die auf ein Attest der Psychologin R. von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 29.10.2009 Bezug nehmen (§ 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6, § 331 Nr. 2 FamFG). Am 29.10.2009 hat das Familiengericht das betroffene Kind persönlich angehört (§ 159 Abs. 1 Satz 1, § 167 Abs. 1 Satz 1, § 331 Nr. 4 FamFG). Am 23.11.2009 hat das Familiengericht mit dem betroffenen Kind, der sorgeberechtigten Kindesmutter (§ 167 Abs. 4 FamFG), dem Verfahrensbeistand des Kindes (§ 167 Abs. 1 Satz 1, § 331 Nr. 3 FamFG) und einer Vertreterin des zuständigen Jugendamts des Landkreises B. (§ 162 Abs. 1 Satz 1 FamFG) mündlich verhandelt. Am Schluss der mündlichen Verhandlung hat es die angefochtene einstweilige Anordnung verkündet (§ 167 Abs. 1 Satz 1, § 331 Nr. 1 FamFG), mit der die vorläufige Unterbringung des betroffenen Kindes in einer geschlossenen Einrichtung für längstens sechs Wochen (§§ 151, 167 Abs. 1, 333 Satz 1 FamFG) genehmigt (§ 1631b BGB) und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet worden ist (§§ 167 Abs. 1 Satz 1, 324 Abs. 2 FamFG).

II.1. Die zulässige sofortige Beschwerde (§ 63 Abs. 2, 64 FamFG) der Beteiligten zu 3

(§§ 167 Abs. 1 Satz 1, 335 Abs. 2 FamFG) ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, da das Verfahren des Familiengerichts an einem wesentlichen Mangel leidet, zur Entscheidung umfangreiche Ermittlungen notwendig wären und die Beteiligte zu 3 eine Aufhebung und Zurückverweisung beantragt hat (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG):

a) Das Familiengericht hat den Vater des betroffenen Kindes nicht angehört:

aa) Für den Fall, dass dem Vater gemeinsam mit der Kindesmutter die elterliche Sorge zusteht, gebietet die Bestimmung zu § 167 Abs. 4 FamFG seine persönliche Anhörung, bevor eine Unterbringungsmaßnahme getroffen wird. Dies entspricht dem bis 31.8.2009 geltenden Recht. Denn auch nach diesem Recht war in Verfahren nach § 1631b BGB die Anhörung beider sorgeberechtigter Eltern "in der Regel" vorgeschrieben (§ 50a Abs. 1 Satz 1 und 2 FGG); bei Verfahren nach § 1631b BGB handelt es sich nämlich um solche, welche die Personensorge betreffen (Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt, FGG, 15. Aufl., § 50a Rz. 6 m.w.N.).

bb) Falls der Kindesvater nicht sorgeberechtigt ist, ist seine Anhörung nach § 160 Abs. 1 und 2 FamFG geboten. Die Bestimmung gilt für sämtliche Verfahren in Kindschaftssachen i.S.v. § 151 FamFG (Schulte-Brunert/Weinreich, FamFG, § 160 Rz. 3), also auch für Unterbringungssachen i.S.v. § 151 Nr. 6 FamFG. Zwar spricht die Bestimmung zu § 160 Abs. 1 FamFG lediglich davon, dass das Gericht die Eltern persönlich anhören "soll". Nach Abs. 2 Satz 1 der Bestimmung "hat" das Gericht aber auch den nicht sorgeberechtigten Elternteil anzuhören; dies gilt lediglich in denjenigen Fällen nicht, in denen von der Anhörung des nicht sorgeberechtigten Elternteils "eine Aufklärung nicht erwartet werden kann" (§ 160 Abs. 2 Satz 2 FamFG). Das entspricht dem bis 31.8.2009 geltenden Verfahrensrecht; auch nach diesem Recht durfte nämlich von einer Anhörung nur abgesehen werden, wenn von ihr "eine Aufklärung nicht erwartet werden kann" (§ 50a Abs....

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