Leitsatz (amtlich)

1. Die Einstellung der Arbeiten ist der Extremfall der unzureichenden Ausstattung einer Baustelle mit Arbeitskräften. § 5 Abs. 3 VOB/B begründet auf das Verlangen des Auftraggebers eine Pflicht des Auftragnehmers zur Abhilfe des unzureichenden Baustelleneinsatzes. Kommt der Auftragnehmer dieser Verpflichtung trotz berechtigten Abhilfeverlangens nicht nach, gerät der Auftragnehmer mit der Abhilfepflicht in Verzug.

2. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 VOB/B führt die unberechtigte Arbeitseinstellung des Auftragnehmers zu einem Kündigungsrecht des Auftraggebers nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B.

3. Zwar steht grundsätzlich eine notwendige, aber fehlende Mitwirkung des Auftraggebers (hier: Übergabe einer Statik) einem Verzug des Auftragnehmers entgegen. Das gilt jedoch dann nicht, wenn der Auftragnehmer seine Leistung von der Erfüllung nicht bestehender Gegenrechte abhängig macht (unberechtigte Forderung auf Abschlagszahlung) und deshalb unabhängig von der Mitwirkung des Auftraggebers seine Leistung verweigert.

4. Haben die Parteien eines Bauvertrags neben einem Zahlungsplan, der sich allein an Daten orientiert, einen Bauzeitenplan vereinbart, ist der Bauzeitenplan im Zweifel Geschäftsgrundlage des Zahlungsplans. Dann haben die Parteien keine Zahlungen unabhängig vom Baufortschritt, sondern Abschlagszahlungen vereinbart, die sich nach den vereinbarten Fälligkeitszeitpunkten und dem zu diesen Zeitpunkten nach dem Bauzeitenplan erwarteten Baufortschritt richten.

5. Ein Leistungsverweigerungsrecht oder Kündigungsrecht des Auftragnehmers wegen fehlender Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 5 S. 1 BGB a.F. steht dem bereits eingetretenen Verzug mit der Abhilfepflicht nach § 5 Abs. 3 VOB/B durch die Arbeitseinstellung des Auftragnehmers und einem daraus entstehenden Kündigungsrecht des Auftraggebers entgegen, wenn der Auftragnehmer seine eigene Leistung Zug um Zug gegen das Bewirken der Bauhandwerkersicherung anbietet.

6. Der Verzug des Auftragnehmers und damit das Kündigungsrecht des Auftraggebers bestehen fort, wenn der Auftragnehmer die Fertigstellung der Werkleistung neben der Erfüllung seines Anspruchs auf Bauhandwerkersicherung von der Zahlung weiterer, vertraglich nicht geschuldeter Abschläge abhängig macht.

 

Normenkette

BGB a.F. § 648a Abs. 5 S. 1; BGB §§ 273, 286, 650f Abs. 5 S. 1; VOB/B § 5 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 24.05.2019; Aktenzeichen 15 O 158/17)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 24.05.2019, Az. 15 O 158/17, insoweit abgeändert, als die Beklagte unter Ziffer. 1 des Tenors zur Zahlung von 252.100,84 EUR verurteilt wurde. Die Klage wird insoweit abgewiesen.

2. Soweit die Beklagte die Berufung zurückgenommen hat, hat dies den Verlust des Rechtsmittels zur Folge.

3. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen.

4. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

5. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 69 %, die Beklagte trägt 31 %. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt die Klägerin 78 %, die Beklagte trägt 22 %.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart ist hinsichtlich Ziffer 2 und 3 des Tenors ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags, sofern nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Vergütung aus einem gekündigten VOB/B-Bauvertrag und Herausgabe einer Vertragserfüllungsbürgschaft in Anspruch. Außerdem streiten die Parteien darum, ob in Bezug auf einen von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek zwischenzeitlich Erledigung eingetreten ist.

1. Die Klägerin, ein Bauunternehmen, und die Beklagte, eine Projektgesellschaft, waren durch einen "VOB-Bauvertrag als Generalunternehmen (GU) Pauschalvertrag" vom 10./11.07.2016 (Anl. K 1) miteinander verbunden. Die Klägerin sollte als Generalunternehmerin das Bauvorhaben "B., Sanierungsobjekt 4 Mehrfamilienhäuser mit 51 Wohnungen, Tiefgarage und Außenanlagen, C. Straße, R. Straße, L. Straße in E." im Auftrag der Beklagten zu einem Pauschalpreis von 2.521.008,40 EUR netto bzw. 3.000.000,00 EUR brutto erstellen. Der Vertrag nimmt Bezug auf ein Global-Angebot der Klägerin vom 26.06.2016 (Anl. K 2). In § 3 benennt der Vertrag als Grundlagen neben diesem Angebot das Verhandlungsprotokoll vom 28.06.2016, den Bauzeitenplan des Auftraggebers vom 01.07.2016, die VOB/C und die VOB/B in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aktuellsten gültigen Fassung. Unter § 4 wurde die Geltung eines Zahlungsplanes vom 04.07.2016 vereinbart (Anl. K 3). Als Fertigstellungstermin wurde der 31.12.2016 (Bezugsfertigkeit...

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