Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 11.10.2000; Aktenzeichen 8 O 673/00)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 11.10.2000 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg – 8 O 673/00 – wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Kläger übersteigt 60.000.– DM nicht.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des

Tatbestandes

wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg:

1. Die Widerklage (Bl. 55) ist zulässig:

Nach erfolgter Klagerücknahme wird eine bereits vorher rechtshängig gewordene Widerklage nicht hinfällig, da die Rechtshängigkeit der Hauptklage nur für die Erhebung, nicht aber für die Durchführung der Widerklage Voraussetzung ist (Münchener Kommentar-Luke, ZPO, 2. Aufl., § 269, Rn. 38; Stein-Jonas-Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 269, Rn. 51; Zöller-Greger, ZPO, 22. Aufl., § 269, Rn. 17; jeweils m.w.N.).

2. Die Widerklage ist mindestens in der Höhe, in der die Kläger vom Landgericht verurteilt worden sind, auch begründet:

a) Dem Beklagten steht der mit der Widerklage geltend gemachte Mietzinsanspruch zu (§ 535 S. 2 BGB):

aa) Der Beklagte hat den rückständigen Mietzins unter Zugrundelegung eines (Netto-) Mietzinses von 2.800.– DM bis August 1997 (Bl. 58 I) zutreffend mit 35.050.– DM errechnet (Bl. 57-60 I). Demgegenüber ist die Berechnung der Kläger, wonach diese 950.– DM überzahlt haben (Bl. 14-20 I, 123-130 I) fehlerhaft, da die Kläger von August 1994 bis einschließlich August 1997 nicht 2.200.– DM brutto, sondern 2.800.– DM netto schuldeten. Zwar haben die Parteien im Mietvertrag vom 30.07.1992 vereinbart, dass die Miete (2.800.– DM plus 200.– DM Nebenkostenvorauszahlung) bis zum Neubau der Toilettenanlage und der Renovierung der Küche auf 2.200.– DM reduziert sein sollte (Bl. 66 I). Gleichwohl kann die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob die Küche und die Toilette bereits im Frühjahr 1994 oder niemals vertragsgemäß fertiggestellt worden sind (vgl. Bl. 57, 133 f, 185 I) dahingestellt bleiben. Es ist nämlich anerkannt, dass in einer hinsichtlich der Miethöhe von der vertraglichen Regelung abweichenden Vertragspraxis eine konkludente Vertragsänderung liegen kann, wenn sich die dem Ursprungsvertrag widersprechende Übung über einen längeren Zeitraum erstreckt und vom Einverständnis beider Parteien getragen ist (vgl. Barthelemess, Wohnraumkündigungsschutzgesetz, Miethöhegesetz, 5. Aufl., § 2 MHG, Rn. 123; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., II, Rn. 805; jeweils m.w.N.). Der Senat hat zwar bereits mehrfach entschieden, dass hierfür regelmäßig ein Zeitraum von weniger als zwei Jahren nicht ausreicht (OLG Naumburg, Urt. v. 19.12.2000 – 9 U 132/00 – sowie Urt. v. 16.01.2001 – 9 U 168/00 –). Vorliegend haben die Kläger ausweislich ihrer eigenen Aufstellung (Bl. 14-17 I) jedoch von August 1994 bis August 1997, d.h. drei Jahre lang monatlich 3.000.– DM entrichtet. Für die Folgezeit haben sich die Parteien darüber geeinigt, den (Brutto-) Mietzins von 3.000.– DM auf 2.750.– DM zu senken (Bl. 16, 29 I). Dies setzt voraus, dass sie für die Zeit davor von einem (Brutto-) Mietzins i.H.v. 3.000.– DM und nicht i.H.v. 2.200.– DM ausgegangen sind. Soweit die Kläger vortragen, sie hätten die 3.000.– DM unter dem Vorbehalt späterer Verrechnung oder ggf. Rückzahlung als Vorauszahlung geleistet (Bl. 131, 186 I), ist dies nicht hinreichend dargetan, geschweige denn unter Beweis gestellt. Bei dieser Sachlage ist von einer konkludenten Einigung der Parteien über einen Mietzins i.H.v. 2.800.– DM netto = 3.000.– DM brutto im Zeitraum August 1994 bis einschließlich August 1997 auszugehen.

bb) Der Mietvertrag ist nicht gem. § 138 BGB nichtig. Hierfür fehlt es bereits an einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Bei einem gewerblichen Mietverhältnis ist ein solches erst gegeben, wenn der vereinbarte den ortsüblichen Mietzins um knapp 100 % übersteigt (vgl. BGH, DWW 2000, 20, 22). Die Kläger tragen jedoch – unter Vorlage eines Privatgutachtens (Bl. 44 II) – selbst lediglich eine Überschreitung um knapp 60 % vor (Bl. 135, 187 I). Im Übrigen sind weder die subjektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 BGB (vgl. hierzu Jauernig, BGB, 9. Aufl., § 138, Rn. 23 m.w.N.) noch die Voraussetzungen für ein wucherähnliches Geschäft i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB dargetan. Aus einem um annähernd 100 % überhöhten Mietzins kann nur bei privaten Mietern auf eine verwerfliche Gesinnung des Vermieters geschlossen werden (vgl. BGH, DWW 2000, 20, 22; ZIP 1997, 931, 932; OLG Stuttgart, NJW-RR 1993, 654 f). Bei einem Kaufmann oder Freiberufler greift diese Vermutung nicht ein; vielmehr muss dieser die zur Bejahung der Sittenwidrigkeit erforderlichen, über das auffällige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hinausgehenden besonderen Umstände darlegen und beweisen (vgl. BGH, NJW 1991, 1810, 1811; NJW 1995, 1019, 1022; OLG Nürnberg, WM 1996, 497, 500)...

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