Leitsatz (amtlich)

Die Anhörung der Eltern zum Sorgerecht (§ 613 Abs. 1 S. 2 ZPO) erhöht weder den Streitwert des Scheidungsverfahrens noch löst sie eine Beweisgebühr unter Einbeziehung des Gegenstandswerts der elterlichen Sorge aus (entgegen OLG Köln v. 16.3.2000 – 10 WF 39/00, FamRZ 2000, 1383).

 

Normenkette

ZPO § 613

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 11.04.2003; Aktenzeichen 49 F 58/02)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gem. § 9 Abs. 2 S. 1 und 2 BRAGO, § 25 Abs. 3 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Streitwertbeschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Zu Recht und aus zutreffenden, im Nichtabhilfebeschluss vom 19.5.2003 näher erläuterten Erwägungen hat das AG es abgelehnt, für die im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.1.2003 erfolgte Anhörung zur elterlichen Sorge betreffend die gemeinsamen Kinder M. und N. einen gesonderten Streitwert neben den festgesetzten selbständigen Werten für das Scheidungsverfahren, den Versorgungsausgleich und das Verfahren über den nachehelichen Unterhalt festzusetzen. Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer Abänderung dieser Entscheidung, die die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin aus eigenem Recht anfechten können (vgl. § 9 Abs. 2 S. 2 BRAGO), keinen Anlass.

In Rspr. und Lit. ist umstritten, welche gebührenrechtliche Folge an die Anhörung der Eltern zum Sorgerecht für gemeinsame Kinder im Rahmen eines Scheidungsverfahrens gem. § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO i.d.F. des am 1.7.1998 in Kraft getretenen Kindschaftsrechtsreformgesetzes vom 16.12.1997 (BGBl. I 2942) zu knüpfen ist. Teilweise wird aus dem Wortlaut von § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO abgeleitet, dass bei einer Anhörung zur elterlichen Sorge eine Beweisgebühr nach deren Gegenstandswert selbst dann anfalle, wenn kein Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge anhängig ist (vgl. OLG Koblenz v. 8.6.1999 – 13 WF 326/99, OLGReport Koblenz 1999, 421 = FamRZ 2000, 626 = JurBüro 1999, 469; FamRZ 2001, 1930 = JurBüro 2001, 359; KG JurBüro 1999, 634; AG Rendsburg FamRZ 1999, 1359; AG Euskirchen FamRZ 1999, 1683; OLG Köln v. 16.3.2000 – 10 WF 39/00, FamRZ 2000, 1383; Hartmann, Kostengesetze, BRAGO, 32. Aufl., § 31 Rz. 179 f.). Demgegenüber geht die inzwischen deutlich überwiegende Auffassung dahin, dass eine Anhörung zum Sorgerecht nach § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO jedenfalls dann, wenn – wie im Streitfall – kein Sorgerechtsverfahren anhängig ist, weder als solche die Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO auslöst noch den Gegenstandswert des Verbundverfahrens erhöht (vgl. OLG Brandenburg v. 22.3.2000 – 9 WF 48/00, FamRZ 2000, 1384; OLG Düsseldorf JurBüro 2001, 361; OLG Frankfurt v. 29.9.2000 – 6 WF 86/00, FamRZ 2001, 506; OLG Oldenburg v. 23.2.2001 – 12 WF 15/01, OLGReport Oldenburg 2001, 93; OLG Hamm, Rpfleger 2001, 323; AG Rendsburg v. 7.12.2000 – 13 F 33/00, FamRZ 2001, 694; OLG Zweibrücken Rpfleger 2001, 323; OLG Koblenz FamRZ 2001, 1389; OLGReport 2001, 181; OLG Hamburg v. 27.12.2000 – 10 WF 93/00, OLGReport Hamburg 2001, 80; OLG Naumburg EzFamR aktuell 2001, 208; OLG Nürnberg v. 3.4.2001 – 10 WF 4418/00, FamRZ 2002, 1206; OLG Celle NdsRpfleger 2002, 331; Zöller/Philippi ZPO, 23. Aufl., § 613 Rz. 15; Musielak/Borth, ZPO, 3. Aufl., § 613 Rz. 12; Thomas/Putzo/Hüsstege, ZPO, 25. Aufl., § 613 Rz. 6; Zimmermann, ZPO, 6. Aufl., § 613 Rz. 3; Madert/Müller-Rabe, Kostenhandbuch, Familiensachen, B III Rz. 29, C I Rz. 22; Hofrath, JurBüro 1999, 7 [8]; Müller/Rabe, FamRZ 2000, 137 [138 f.]; Enders FuR 2000, 466 [467]).

Der erkennende Senat, der die Streitfrage bislang (vgl. Beschl. v. 21.11.2000 – 4 WF 96/00, unveröffentlicht) offen lassen konnte, schließt sich nunmehr der letztgenannten Auffassung an.

Zwar mag der Wortlaut des § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO auf den ersten Blick die Annahme nahe legen, dass im Falle der Anhörung der Ehegatten zur elterlichen Sorge gem. § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO neben der Beweisgebühr nach dem Wert der Ehesache eine weitere Beweisgebühr bzw. eine Beweisgebühr nach dem um den Wert der Sorgerechtsangelegenheit erhöhten Streitwert entsteht. Denn nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO erhält der Rechtsanwalt eine volle Gebühr „für die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren oder bei der Anhörung oder Vernehmung einer Partei nach § 613 der Zivilprozessordnung … (Beweisgebühr)”. Da § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO i.d.F. des Kindschaftsrechtsreformgesetzes die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung der Parteien im Scheidungsverfahren auf die Frage der elterlichen Sorge erweitert hat, spricht die pauschale Bezugnahme auf § 613 ZPO zunächst dafür, dass die Gebühr des § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO aus einem entspr. erhöhten, also nicht auf den Wert der Scheidungssache beschränkten Streitwert entsteht. Zwingend ist diese allein am Wortlaut der Vorschrift ausgerichtete Auslegung aber nicht. Die allgemeine Verweisung auf § 613 ZPO lässt vielmehr auch Raum für ein – einschränkendes – Gesetzesverständnis, wonach f...

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