Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung, sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts aus § 23 Nr. 1 GVG bei Inanspruchnahme eines Kunden vor dem Hintergrund dargelegter Zahlungs-rückstände auf Duldung des Zutritts zu seinen Räumlichkeiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Voraussetzungen der ausschließlichen Zuständigkeit des Landgerichts gemäß § 102 Abs. 1 EnWG sind nicht erfüllt, wenn ausschließlich die Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen eines einzel-nen Kunden, insbesondere die Nichterfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen, im Streit stehen.

2. Nimmt das Energieversorgungsunternehmen einen Kunden vor dem Hintergrund dargelegter Zah-lungsrückstände auf Duldung des Zutritts zu seinen Räumlichkeiten zum Zwecke der Einstellung der Energie- und Wasserversorgung sowie des Ausbaus der Strom-, Gas- und Wasserzähler in Anspruch, folgt die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts aus § 23 Nr. 1 GVG und nicht die des Landgerichts aus § 102 Abs. 1 EnWG.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6; EnWG § 102 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 07.03.2008; Aktenzeichen 90 O 23/08)

LG Bonn (Aktenzeichen 10 O 14/08)

 

Tenor

Zuständig ist das LG Köln.

 

Gründe

Das zuständige Gericht ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen, nachdem sich sowohl das AG Euskirchen mit Beschluss vom 28.12.2007 (Bl. 23 GA), als auch das LG Bonn mit Beschluss vom 21.2.2008 (Bl. 67-68 GA) und das LG Köln mit Beschluss vom 7.3.2008 (Bl. 77-78 GA) für unzuständig erklärt haben (§§ 36 Abs. 1 Ziff. 6, 37 ZPO). Zuständig ist das LG Köln.

I. Die Klägerin beliefert den Beklagten mit Energie. Mit der am 18.9.2007 (Bl. 1 GA) bei dem AG Euskirchen eingereichten Klage nimmt sie ihn auf Duldung des Zutritts zu von ihm genutzten Räumlichkeiten sowie auf Duldung der Einstellung der dortigen Energieversorgung durch Ausbau des Stromzählers in Anspruch. Sie macht geltend, dass der Beklagte unberechtigt 11.240,21 EUR für Energieverbrauch nicht bezahlt habe und ihr daher ein Zurückbehaltungsrecht bezüglich weiterer Energielieferungen zustehe.

Nachdem es sowohl der Klägerin unter dem 12.10.2007 (Bl. 7 GA) als auch dem Beklagten unter dem 30.11.2007 (Bl. 23 GA) Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, hat das AG Euskirchen durch Beschluss vom 28.12.2007 (Bl. 23 GA) den Streitwert auf zwei Drittel der in Rede stehenden Summe (= 7.476 EUR) festgesetzt, sich gem. §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG Bonn verwiesen.

Unter dem 21.1.2008 (Bl. 36/36 GA) wies das LG Bonn die Klägerin darauf hin, dass das LG Köln für den Rechtsstreit örtlich zuständig sein dürfte gem. §§ 102, 103 Abs. 1 EnWG (Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung - Energiewirtschaftsgesetz - Energiewirtschaftsgesetz) i.V.m. § 1 der Verordnung über die Ermächtigung des Justizministeriums zum Erlass von Rechtsverordnungen nach § 103 Abs. 1 EnWG (Delegations-VO - § 103 EnWG) vom 23.5.2006 (GV. NRW. S. 217) i.V.m. § 1 Nr. 3 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach dem Energiewirtschaftsgesetz (Konzentrations-VO - § 103 EnWG) vom 24.7.2006 (GV. NRW. S. 388), weil der Beklagte mit Schreibens seines Vertreters vom 27.12.2007 (27 GA) "neben der Höhe des Tarifs auch die Transparenz (§ 42 EnWG) gerügt" (Bl. 36 GA) habe; es räumte der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme ein. Nachdem die Klägerin zunächst mit Schriftsatz vom 4.2.2008 (Bl. 40 GA) die Ansicht vertreten hatte, dass es sich hier um eine Auseinandersetzung im Zusammenhang mit einem individuellen Vertragsverhältnis handele, die keine Fragen aus dem Bereich des Energiewirtschaftsgesetzt berühre, hat sie mit Schriftsatz vom 5.2.2008 (Bl. 52 GA) gleichwohl die Verweisung an das LG Köln beantragt. Auf richterlichen Hinweis vom 6.2.2008 (Bl. 53 GA) hat auch der Beklagte mit Schriftsatz vom 21.2.2008 (Bl. 64 GA) die Verweisung an das LG Köln - Kammer für Handelssachen - beantragt. Mit Beschluss vom selben Tag (Bl. 67-68 GA) hat sich das LG Bonn für örtlich und funktionell unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG Köln - Kammer für Handelssachen - verwiesen.

Da sie die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 Satz 1 EnWG nicht als erfüllt ansah, hat sich die 10. Kammer für Handelssachen des LG Köln mit Beschluss vom 7.3.2008 (Bl. 77-78 GA) für unzuständig erklärt und die Sache dem OLG Köln zur Entscheidung zur Bestimmung der Zuständigkeit gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt.

II. 1. Das OLG Köln ist als nächst höheres gemeinschaftliches Gericht des AG Euskirchen sowie der LG Bonn und Köln zur Entscheidung des zwischen diesen Gerichten bestehenden Zuständigkeitsstreits berufen (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO).

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind gegeben.

a) Dass weder die Klägerin noch der Beklagte um die Bestimmung des zuständigen Gerichts nachgesucht haben, ist trotz des Wortlauts des § 37 Abs. 1 ZPO ("Gesuch") unschädlich. Der Senat hat sich in ständiger Rechtsprechung der u.a. vom BGH get...

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