Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht eines Geschäftsinhabers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Treppen zu einem Geschäftslokal sind grundsätzlich zu sichern. Bei Verkaufsstätten über 2.000 Quadratmetern ist dies nach Maßgabe der Verkaufsstättenverordnung zwingend. Bei kleineren Verkaufsstätten kann hierauf bei kurzen Treppen bis zu 5 Stufen verzichtet werden, wenn sie verkehrssicher sind.

2. Ein fehlender Handlauf ist nicht ursächlich für einen Unfall, der sich außerhalb des durch einen Handlauf zu sichernden Treppenbereichs ereignet hat.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 30.06.2003; Aktenzeichen 16 O 305/02)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.6.2003 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 16. Zivilkammer des LG Koblenz wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Sicherheitsleistungen können auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaften eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts erbracht werden.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin beansprucht von den Beklagten aus dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht den Ausgleich materieller Schäden und die Zahlung von Schmerzensgeld. Außerdem begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, künftige Schäden zu ersetzen.

Die Beklagten zu 1) und zu 2) sind Eigentümer eines geschäftlich genutzten Hausanwesens in Bad Neuenahr. Der Beklagte zu 3) war Inhaber eines in dem Anwesen befindlichen Geschäftslokals, zu dessen Eingang eine aus vier Stufen bestehende Treppe hinaus führt.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Am 25.11.2000 habe sie in dem Geschäft des Beklagten zu 3) eingekauft. Als sie das Geschäft verlassen habe, sei sie zwischen der zweiten und dritten Treppenstufe gestürzt (Bl. 93 GA). Die Stufen seien uneben und hätten unterschiedliche Tritthöhen, wobei es sich gefahrerhöhend auswirke, dass die letzte Stufe unmittelbar in dem Bürgersteigbereich hineinrage. Zur Unfallzeit sei die Treppe nicht mit einem Handlauf gesichert gewesen. Nach den örtlichen Gegebenheiten hätten zwei Handläufe vorhanden sein müssen. Derart gesichert wäre es nicht zum Sturz gekommen.

Sie habe eine Luxationsfraktur des linken Sprunggelenks erlitten, habe monatelang im Rollstuhl gesessen und sei bis September 2002 auf die Benutzung von Krücken angewiesen gewesen. Aufgrund der verletzungsbedingten Gehbehinderung habe sie Rückenprobleme. Sie müsse Kompressionsstrumpfhosen und besonderes Schuhwerk tragen. Mit einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes sei zu rechnen. Sie habe in eine ebenerdig gelegene Wohnung umziehen müssen und sei gezwungen, sich ein Fahrzeug mit automatischem Getriebe anzuschaffen. Die Unfallverletzungen hätten schließlich zu ihrer Frühpensionierung geführt.

Die Beklagten zu 1) und zu 2) haben den Unfallhergang mit Nichtwissen bestritten und sich gegen die behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigungen und die materiellen Schäden gewandt.

Die Treppe sei ausreichend mit einem Handlauf gesichert gewesen und weise keine unterschiedlichen Tritthöhen auf bis auf die unterste Stufe, die nicht einmal halb so hoch wie die übrigen drei Stufen sei. Im Übrigen müssten Treppen nur dann mit einem Handlauf gesichert werden, wenn sie mehr als vier Stufen hätten.

Der Beklagte zu 3) ist in erster Instanz dem Klagevorbringen nicht entgegengetreten.

Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen (Bl. 100–106 GA) mit im Wesentlich folgender Begründung:

Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sei nicht festzustellen. Zwar sehe § 33 Abs. 7 LBO Rheinland-Pfalz vor, dass Treppen mindestens auf einer Seite mit einem festen und sicheren Handlauf versehen sein müssten. Hierauf könne gem. § 33 Abs. 9 LBO aber dann verzichtet werden, wenn die Verkehrssicherheit gewährleistet sei. Das sei hier der Fall. Die Treppe sei ausweislich der Lichtbilder weder steil noch habe sie gravierende Unebenheiten. Geringfügige Unterschiede seien hinzunehmen. Aufgrund der geringen Breite der Treppe – sie sei nicht breiter als die Ladentür – und der beiderseitigen Einfassung durch die Hauswand sei es möglich, sich hieran abzustützen und zu sichern.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die – unter Erhöhung der Klage – folgendes vorbringt:

Das LG hätte zum Zustand der Treppe Beweis erheben müssen. Zum verkehrswidrigen Zustand sei eingehend vorgetragen worden. Da die Treppe zu einem Geschäftsraum führe, seien an die Verkehrssicherung hohe Anforderungen zu stellen. Die Bauvorschriften legten allenfalls einen Mindeststandard fest. Die Verkehrssicherungspflicht gehe im vorliegenden Fall darüber hinaus. Der Verweis auf eine ausreich...

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