Leitsatz (amtlich)

Der Anrechnungsbestimmung gemäß Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG ist auch bei der Vergütungsfestsetzung zugunsten des im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts anzuwenden.

 

Verfahrensgang

AG Celle (Entscheidung vom 28.11.2008; Aktenzeichen 7 F 7076/08)

 

Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Kläger gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Celle vom 28. November 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Klägern durch Beschluss vom 19. Juni 2008 ratenzahlungsfreie Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Kindesunterhalt gegen den Beklagten bewilligt und ihnen die Rechtsanwältin G. als Prozessbevollmächtigte beigeordnet. Rechtsanwältin G. hatte die Kläger in dieser Unterhaltssache bereits vorgerichtlich vertreten. Mit Formularantrag vom 9. Oktober 2008 beantragte sie die Festsetzung einer Vergütung von 603,93 EUR aus der Staatskasse, wobei sie bezogen auf einen Streitwert von 3.374 EUR neben einer 1,3 Verfahrensgebühr nach VV-RVG Nr. 3100 (253,50 EUR) und einer 1,2 Terminsgebühr nach VV-RVG Nr. 3104 (234,00 EUR) die Post und Telekommunikationspauschale nach VV-RVG Nr. 7002 (20,00 EUR) sowie 19 % Umsatzsteuer geltend machte. Ferner teilte sie mit, von den Klägern keine vorgerichtliche Gebühren aus VVVG Nrn. 23002303 und aus der Staatskasse keine Gebühren für die Beratungshilfe nach VV-RVG Nr. 2503 erhalten zu haben.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim Amtsgericht hat die der Klägerbevollmächtigten aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren auf 453,09 EUR festgesetzt, nachdem es die Verfahrensgebühr nach VV-RVG Nr. 3100 auf eine 0,65 Gebühr (126,75 EUR) gekürzt hat. Hiergegen richtet sich die Erinnerung der Klägerbevollmächtigten, der die Familienrichterin nicht abgeholfen hat. Gegen deren Beschluss richtet sich die vom Amtsgericht zugelassene Beschwerde der Klägerbevollmächtigten, die sich für ihre vorgerichtliche Tätigkeit allenfalls die Hälfte einer Beratungshilfegebühr nach VV-RVG Nr. 2503 (35,00 EUR) auf die gerichtliche Verfahrensgebühr anrechnen lassen möchte. Sie weist darauf hin, dass bei den Klägern unzweifelhaft die wirtschaftlichen Voraussetzungen für Beratungshilfe vorgelegen hätten und nunmehr auch ein Antrag auf nachträgliche Bewilligung von Beratungshilfe gestellt worden sei.

II.

Die gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu VV-RVG Nr. 3100 wird eine wegen des selben Gegenstandes nach VV-RVG Nrn. 23002301 entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die gerichtliche Verfahrensgebühr nach VV-RVG Nr. 3100 zu mindern, nicht hingegen die vorgerichtliche Geschäftsgebühr, die ihrerseits unangetastet bleibt. Für die kostenrechtliche Anrechnung ist es ohne Bedeutung, ob die Geschäftsgebühr vom Prozessgegner auf materiellrechtlicher Grundlage zu erstatten, und ob sie insoweit zwischen den Parteien unstreitig geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist (BGH Beschlüsse vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07 - FamRZ 2008, 878 ff. und vom 20. April 2008 - III ZB 8/08 - FamRZ 2008, 1346 und vom 25. Juli 2008 - IV ZB 16/08 - FamRZ 2008, 2023 f.).

2. Ob und in welchen Fällen diese Grundsätze auch auf das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG anzuwenden sind, ist in der obergerichtlichen Kostenrechtsprechung umstritten.

a) Teilweise wird die auch von der Klägerbevollmächtigten geteilte Ansicht vertreten, dass beim Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Beratungshilfe nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BerHG und bei Bewilligung von ratenzahlungsfreier Prozesskostenhilfe für die bedürftige Partei die Anrechnung einer hälftigen Geschäftsgebühr nach VV-RVG Nr. 2300 gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu VV-RVG Nr. 3100 nicht in Betracht komme. Selbst dann, wenn Beratungshilfe tatsächlich nicht oder noch nicht in Anspruch genommen worden sei, könne in diesen Fällen lediglich die Hälfte der im Rahmen der Beratungshilfe fiktiv anfallenden Gebühr nach VV-RVG Nr. 2503 (mithin 35,00 EUR) abgezogen werden (OLG Oldenburg [5. Zivilsenat] MDR 2008, 1006. OLG Stuttgart, Beschlüsse vom 13. Januar 2009 - 8 WF 211/08 - und vom 28. Oktober 2008 - 8 W 438/08 - bei juris).

b) Nach wohl überwiegender Auffassung müsse es auch bei der Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung im Verfahren nach § 55 RVG grundsätzlich beachtet werden, wenn vorgerichtlich für den beigeordneten Rechtsanwalt eine Geschäftsgebühr nach VV-RVG Nr. 2300 angefallen und deshalb aufgrund der obligatorischen Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu VV-RVG Nr. 3100 die gerichtliche Verfahrensgebühr von vornherein nur in geminderter Höhe entstanden ist (OLG Oldenburg [13. Zivilsenat] FamRZ 2008, ...

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