Leitsatz (amtlich)
Im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit einer Ratenzahlungspflicht für die bedürftige Partei bestand bezüglich einer vorgerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts keine Beratungshilfeberechtigung des Mandanten gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BerHG. Insoweit entstand eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV, die bei der Vergütungsfestsetzung gem. §§ 45 ff. RVG die später anfallende Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV, §§ 45, 49 RVG) nach der Anrechnungsbestimmung vonTeil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV anteilig verkürzt.
Verfahrensgang
AG Göppingen (Beschluss vom 01.12.2008; Aktenzeichen 10 F 1031/07) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss der Familienrichterin des AG Göppingen - FamG - vom 1.12.2008 - 10 F 1031/07, wird zurückgewiesen.
II. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1. Die Beteiligten streiten im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. §§ 45 ff. RVG darüber, ob nach Prozesskostenhilfebewilligung für den Kläger mit Ratenzahlungsanordnung von monatlich 30 EUR ab 1.12.2007 seinem Bevollmächtigten die 1,3-Verfahrensgebühr von 209,30 EUR netto nach Nr. 3100 RVG-VV aus einem Gegenstandswert von 2.239,28 EUR ungekürzt zusteht oder infolge seiner vorgerichtlichen Tätigkeit wegen desselben Gegenstands nur vermindert gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV um die hälftige vorgerichtliche 1,3-Geschäftsgebühr von 104,65 EUR netto nach Nr. 2300 RVG-VV.
Der Kläger hat für die vorgerichtliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten keine Beratungshilfe in Anspruch genommen.
Das Hauptsacheverfahren wurde beendet durch Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO vom 21.7.2008, in dem die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben wurden.
Der Rechtspfleger hat die Vergütung unter Berücksichtigung der Anrechnung der 0,65-Geschäftsgebühr auf 569,83 EUR statt, wie beantragt, auf 694,37 EUR festgesetzt. Wegen der Differenz von 124,54 EUR wurde die hiergegen erhobene Erinnerung durch Beschluss der Familienrichterin vom 1.12.2008 zurückgewiesen, die zugleich die Beschwerde zugelassen hat. Der Beschwerdeführer hat am 17.12.2008 gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt, der nicht abgeholfen wurde. Vielmehr wurden die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
2. Das Rechtsmittel des Klägervertreters ist nach Zulassung durch das Erstgericht gem. §§ 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 und 3, Abs. 7 RVG statthaft und auch sonst zulässig, jedoch in der Sache unbegründet.
Der Beschwerdeführer stützt seine Auffassung, dass eine Anrechnung nur zu erfolgen habe, wenn die vorgerichtliche Geschäftsgebühr bezahlt sei auf die Entscheidung des Senats vom 15.1.2008 - 8 WF 5/08 (FamRZ 2008, 1013).
a) Diese Rechtsprechung wurde aber zwischenzeitlich unter Berücksichtigung der später ergangenen Entscheidungen des BGH zur Auslegung der Anrechnungsbestimmung in Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV (u.a. BGH NJW 2008, 1323; NJW-RR 2008, 1095; JurBüro 2008, 469; NJW 2008, 3641) und der hierauf getroffenen Entscheidungen anderer OLG im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. §§ 45 ff. RVG (u.a. OLG Hamm FamRZ 2008, 1764; OLG Schleswig MDR 2008, 947; OLG Oldenburg MDR 2008, 1185; OLG Oldenburg FamRZ 2008, 1765; OLG Oldenburg MDR 2008, 1006; OLG Bamberg RVGreport 2008, 343; OLG Braunschweig AGS 2008, 606) überarbeitet. Insoweit wird in vollem Umfang Bezug genommen auf den Beschluss des Senats vom 28.10.2008 - 8 W 438/08.
Danach wurde in Übereinstimmung mit OLG Oldenburg MDR 2008, 1006 entschieden, dass beim Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Beratungshilfe gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BerHG und bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Zahlungspflichten für die bedürftige Partei die Anrechnung einer hälftigen Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV nicht in Betracht kommt, sondern lediglich die im Rahmen der Beratungshilfe - fiktiv - entstehende Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 RVG-VV anteilig abzuziehen ist (Nr. 2503 Abs. 2 Satz 1 RVG-VV). Denn liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Rechtssuchende zu dem Kreis der nach dem BerHG Berechtigten gehört, ist der Rechtsanwalt gehalten, diesen auf die Möglichkeit von Beratungshilfe hinzuweisen. Versäumt er diese Pflicht, kann er von seinem Mandanten allenfalls die Zahlung der Beratungshilfegebühr nach Nr. 2500 RVG-VV, § 44 Satz 2 RVG, nicht aber die einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV verlangen (Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, Nr. 2500 RVG-VV Rz. 1). Die übrigen Gebühren nach Nr. 2501 bis 2508 RVG-VV entstehen ggü. der Staatskasse. Sind danach die Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe gegeben und ist der Rechtsanwalt bereits vorgerichtlich für seinen Mandanten tätig geworden, fällt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 RVG-VV an, die nach der Anrechnungsbestimmung von Nr. 2503 Abs. 2 RVG-VV bei der Festsetzung der PKH-Vergütung nach § 55 RVG die Verfahrensgebühr für den anschließenden Rechtsstreit (Nr. 3100 RVG-VV, §§ 45, 49 RVG) um die halbe Geschäf...