Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Die der strafprozessualen Anklageschrift und dem Strafbefehl nachgebildeten Anforderungen an den Bußgeldbescheid als wirksame Verfahrensgrundlage dürfen nicht überspannt werden. Entscheidend ist, dass der Betroffene anhand der Tatbeschreibung des Bußgeldbescheides erkennen kann, wegen welches nach der Lebensauffassung einheitlichen geschichtlichen Vorgangs er zur Verantwortung gezogen werden soll und dass insoweit eine Verwechslung mit einem möglichen gleichartigen anderen Fehlverhalten desselben Betroffenen ausgeschlossen ist.

  • 2.

    Der Umfang der gebotenen Tatschilderung wird maßgeblich von der Gestaltung des Einzelfalls und der Art der verletzten Vorschrift bestimmt. Da das Bußgeldverfahren eine schnelle und Verwaltungskosten einsparende Ahndung der Ordnungswidrigkeiten bezweckt, verbietet sich eine ausführliche Schilderung von selbst; auch ein in Rechtsfragen unerfahrener Bürger muss jedoch den Vorwurf verstehen können (Anschluss an BGHSt 23, 336/338 ff.).

  • 3.

    Den Bestimmtheitsanforderungen kann ein wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung erlassener Bußgeldbescheid auch dann genügen, wenn als Tatort ein signifikanter Streckenabschnitt eindeutig bezeichnet und die Tatzeit mit einem Zeitintervall von wenigen Minuten eingegrenzt ist. Insoweit bedarf es zur Erzielung eines zureichenden Bestimmtheitsgrades keiner "Ergänzung" durch Heranziehung des Akteninhalts (Anschluss an BayObLGSt 1994, 135/138 = NZV 1994, 448).

 

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Das AG hat den Betr. vom Vorwurf der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften freigesprochen. Nach den Feststellungen des nach Nr. 11.1.7 der Tabelle 1a zum BKat neben einer Geldbuße von 200 EUR ein einmonatiges Fahrverbot nach Maßgabe des § 25 II a StVG vorsehenden Bußgeldbescheids steuerte der Betr. den von ihm geführten Lkw über 7,5 t am 06.04.2007 um 11:55 Uhr auf der BAB A 3 in Fahrtrichtung Frankfurt bei "km 228,500, Kauppenabstieg" in Waldaschaff, wobei er die gemäß § 41 Abs. 2 StVO (i.V.m. Zeichen 274) angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h abzüglich eines Toleranzabschlages von 6 km/h um 32 km/h überschritt. Unter den Rubriken "Beweismittel", "Bemerkungen (insbes. Tatfolgen)" und "Zeugen" enthält der vorgenannte Bußgeldbescheid noch folgende Angaben:

"Beweismittel:

Fahrtenschreiber

Bemerkungen:(insbes. Tatfolgen)

Zulässige Höchstgeschwindigkeit am Kauppenberg: 60 km/h;festgestellte Geschwindigkeit lt. Schaublatt: 98 km/h;abzüglich Toleranz: 6 km/h; Überschreitung: 32 Km/h.Sattelauflieger: amtl. Kennzeichen (...).Kontrollort: A 3, km 225,000, FR Frankfurt;Kontrollzeit: 06.04.2007, 12.05 Uhr.

Zeugen:

POM A./VPI A."

Die gegen den Freispruch gerichtete und mit der Sachrüge begründete Rechtsbeschwerde der StA führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung an das AG.

 

Entscheidungsgründe

1.

Die gemäß § 79 I 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der StA erweist sich auf die Sachrüge hin als erfolgreich. Nach den bisherigen Feststellungen des AG kommt weder ein Freispruch des Betr. aus tatsächlichen Gründen noch eine - vom AG ersichtlich gewollte - Verfahrenseinstellung im Urteilswege gemäß § 206 a I StPO i.V.m. § 46 I OWiG, die vom Senat gegebenenfalls nach § 79 III OWiG i.V.m. § 349 IV StPO unter klarstellender Aufhebung des angefochtenen Urteils (OLG Bamberg NJW 2006, 1078 f. = NZV 2006, 314 f.) nachgeholt werden könnte, in Betracht. Hierzu hat die GenStA in ihrer Antragsschrift ausgeführt:

"Das AG hat den Betr. freigesprochen, da es ausweislich der Urteilsgründe den Bußgeldbescheid als Verfahrensgrundlage für unzureichend bestimmt erachtet. Damit nimmt das AG ein Verfahrenshindernis an, so dass selbst unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des AG kein Freispruch hätte erfolgen dürfen, sondern allenfalls eine Einstellung des Verfahrens durch Urteil gemäß § 71 I OWiG iVm. § 206 a StPO. Da es vorliegend um die Frage geht, ob ein Verfahrenshindernis vorliegt, steht dem Rechtsbeschwerdegericht im Freibeweisverfahren der gesamte Akteninhalt zur Verfügung. Der Senat ist insoweit nicht auf die Urteilsfeststellungen beschränkt.

Ausweislich des Bußgeldbescheides liegt dem Betr. zur Last, am 06.04.2007 um 11.55 Uhr auf der A 3 bei km 228,5 im Bereich des Kauppenabstiegs als Führer des LKW mit dem amtlichen Kennzeichen (...) die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 32 km/h überschritten zu haben, wobei der Bußgeldbescheid noch festhält, dass eine Kontrolle bei km 225,0 um 12.05 Uhr erfolgte. Das vom Tatrichter erholte Sachverständigengutachten zur Auswertung der Diagrammscheibe kam zu dem Ergebnis, dass nicht exakt feststellbar ist, welche Geschwindigkeit der Betr. bei km 228,5 einhielt. In diesem Bereich sei lediglich eine Geschwindigkeit von maximal etwa 75 km/h eingehalten worden. Der Sachverständige stellt weiter fest, dass im Bereich der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 60 km/h Geschwin...

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