Rz. 89

Der als Generalklausel ausgestaltete Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 1 Satz 1 ist von gleichem Gewicht wie die ein berechtigtes Interesse ausformulierenden Kündigungstatbestände des § 573 Abs. 2.

 
Hinweis

Berechtigtes Interesse

Daraus folgt, dass ein berechtigtes Interesse i. S. v. § 573 Abs. 1 Satz 1 nur angenommen werden kann, wenn das geltend gemachte Interesse ebenso schwer wiegt wie die in § 573 Abs. 2 beispielhaft aufgeführten Kündigungsgründe (BGH, Urteil v. 3.8.2021, VIII ZR 329/19, GE 2021, 1425; BGH, Urteil v. 16.12.2020, VIII ZR 70/19, GE 2021, 246).

Zu diesen Interessen gehört auch der Betriebsbedarf des Vermieters (vgl. dazu BGH, Urteil v. 29.3.2017, VIII ZR 44/16, GE 2017, 658; BGH, Urteil v. 29.3.2017, VIII ZR 45/16, GE 2017, 653).

6.1 Betriebsbedarf

 

Rz. 89a

Zu unterscheiden ist zwischen den Fällen, in denen die Wohnung schon von Betriebsangehörigen genutzt wird (Werkmiet- oder Werkdienstwohnungen nach §§ 576–576b), und den Wohnungen, die an Betriebsfremde vermietet sind, jetzt aber Betriebsangehörigen zur Verfügung gestellt werden sollen. Nur im letzten Fall spricht man von einer Kündigung wegen Betriebsbedarfs.

Die Kündigung gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1 wegen Betriebsbedarfs ist nur dann berechtigt, wenn die Wohnung für einen bestimmten Betriebsangehörigen benötigt wird (LG Berlin, Urteil v. 30.10.1995, 67 S 176/95, WuM 1996, 145; AG Frankfurt a. M., Urteil v. 26.3.1992, 3 C 5469/91, NJW-RR 1993, 526). Die im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis vermietete Wohnung kann daher gekündigt werden, wenn der Vermieter diese für einen anderen Arbeitnehmer anstelle desjenigen benötigt, dessen Arbeitsverhältnis beendet ist (Blank/Börstinghaus, § 573 Rn. 176). Dies gilt erst recht, wenn die gekündigte Wohnung an eine betriebsfremde Person vermietet worden ist (einschränkend OLG Stuttgart, RE v. 24.4.1991, REMiet 1/90, GE 1991, 817; LG Frankfurt a. M., Urteil v. 29.5.1992, 2/17 S 322/91, NJW-RR 1992, 1230). Allerdings muss das Bewohnen der Betriebswohnung durch den Arbeitnehmer für die ordnungsgemäße Führung des Betriebs erforderlich sein; geht es im Wesentlichen darum, dem Arbeitnehmer nach langer Arbeitszeit zu einem kurzen Heimweg innerhalb des Betriebsgeländes zu verhelfen, ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt (BGH, Urteil v. 23.5.2007, VIII ZR 122/06, NZM 2007, 639).

Die Feststellung, ob ein berechtigtes Interesse i. S. dieser Vorschrift gegeben ist, obliegt in erster Linie dem Tatrichter.

 

Rz. 90

Ein berechtigtes Interesse einer KG an der Beendigung des mit einem Betriebsfremden abgeschlossenen Mietverhältnisses kann gemäß § 573 Abs. 1 bestehen, wenn das Wohnen ihres Mitarbeiters gerade in dieser Wohnung nach seiner betrieblichen Funktion und Aufgabe für den Betriebsablauf von nennenswertem Vorteil ist. Dies gilt auch für den Geschäftsführer der Komplementärin der KG (BGH, Urteil v. 23.5.2007, VIII ZR 122/06, GE 2007, 1187; BGH, Urteil v. 23.5.2007, VIII ZR 113/06, ZMR 2007, 767).

 

Rz. 91

Wird ein Mitglied einer Wohnungsgenossenschaft, das von der Genossenschaft durch einen Dauernutzungsvertrag eine Wohnung gemietet hat, wegen genossenschaftswidrigen Verhaltens aus der Genossenschaft ausgeschlossen und wird die von ihm genutzte Wohnung für ein anderes Mitglied benötigt, so hat die Genossenschaft ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses (BGH, Urteil v. 10.9.2003, VIII ZR 22/03, NZM 2004, 25; LG Berlin, Urteil v. 25.11.2002, 61 S 103/02, GE 2003, 395). Genossenschaften oder ähnliche Unternehmen haben den satzungsmäßigen Zweck, Wohnungen einem bestimmten Personenkreis anzubieten. Tritt der Mieter aus der Genossenschaft aus oder ist die Genossenschaftswohnung erheblich unterbelegt, kann der Vermieter ein berechtigtes Interesse haben, die Wohnung einer der Genossenschaft angehörenden Familie bzw. einer größeren Familie mit entsprechendem Wohnbedarf zu vermieten (OLG Stuttgart, RE v. 11.6.1991, 8 REMiet 1/91, WuM 1991, 379, a. A. LG Köln, Urteil v. 14.3.1991, S 434/90, WuM 1991, 589; LG München I, Urteil v. 12.04.1989, 14 S 24252/88, NJW-RR 1989, 915).

Die Vergabe der Genossenschaftswohnungen nach bestimmten Präferenzen, aber ohne klare, allgemein gültige und stets beachtete Vergaberichtlinien, reicht jedoch nicht aus, um bei Abweichung hiervon eine als Kündigungsgrund ausreichende Fehl- oder Unterbelegung anzunehmen (LG Heidelberg, Urteil, v. 25.11.2013, 5 S 33/13, WuM 2014, 37).

Ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen in einem Ballungsgebiet hat ein berechtigtes Interesse daran zu kündigen, wenn die gekündigte Wohnung nur noch sporadisch als Stadtwohnung benutzt wird (LG München I, Urteil v. 3.7.1991, 14 S 142/91, NJW-RR 1992, 907). Ein Zimmer in einem Studentenwohnheim kann gekündigt werden, wenn es in Kürze nicht mehr satzungsgemäß genutzt werden soll (BGH, Urteil v. 13.6.2012, VIII ZR 92/12, ZMR 2013, 98), z. B. wenn das Staatsexamen kurz bevorsteht und das Mietverhältnis zu einem Zeitpunkt nach Beendigung des Staatsexamens beendet werden soll (AG Bonn, Urteil v. 26.6.1990, 6 C 128/90, NJW-...

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