Rz. 16

Aus der Fassung des Gesetzes ergibt sich zwar, dass § 550 wie bisher auch § 566 a. F. nicht abdingbar ist; dem steht aber nicht entgegen, dass durch Vereinbarung im Verhältnis zwischen den ursprünglichen Mietvertragsparteien ein Berufen auf die Formungültigkeit ausgeschlossen werden kann. Eine solche Vereinbarung kann auch formularmäßig erfolgen; § 307 Abs. 2 Ziff. 1 steht nicht entgegen, weil insoweit keine Benachteiligung des Vertragspartners vorliegt.

Sogenannte Schriftformheilungsklauseln sind mit der nicht abdingbaren Vorschrift des § 550 BGB unvereinbar und daher unwirksam (BGH, Urteil v. 27.9.2017, XII ZR 114/16, NZM 2018, 38; Fortführung der Senatsurteile BGHZ 200, 98 und v. 30.4.2014, XII ZR 146/12, NJW 2014, 2102; OLG Düsseldorf, Urteil v. 29.11.2012, I-10 U 34/12, GE 2013, 744). Grundsätzlich ist es weder dem Vermieter noch dem Mieter verwehrt, sich auf den Formmangel zu berufen, wobei es auch keine Rolle spielt, ob der Vertrag zuvor jahrelang unbeanstandet durchgeführt worden ist (BGH, Urteil v. 5.11.2003, XII ZR 134/02, NZM 2004, 97; OLG Celle, Urteil v. 22.7.2004, 13 U 71/04, NZM 2005, 219). Das gilt auch für den Erwerber des Mietobjekts (OLG Düsseldorf, Urteil v. 25.4.2017, I-24 U 150/16, ZMR 2017, 471). Rechtsmissbrauch (§ 242) kann allerdings dann in Betracht kommen, "wenn die Formnichtigkeit nicht nur zu einem harten, sondern zu einem schlechterdings untragbaren Ergebnis führt" (BGH, Urteil v. 18.10.2000, XII ZR 179/98, GE 2001, 342; BGH, Urteil v. 2.11.2005, XII ZR 233/03, NJW 2006, 140; OLG Köln, Urteil v. 23.9.2005, 1 U 43/04, GuT 2006, 14). Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn sich der Mieter bei einer mündlich vereinbarten Herabsetzung der Miete auf eine Formunwirksamkeit des gesamten ursprünglich formgültig abgeschlossenen Mietvertrags beruft und (vorzeitig) kündigt. Denn diese Abrede begünstigt ihn allein, sodass er sich nicht auf den Schutzzweck im Hinblick auf einen potenziellen Grundstückserwerber berufen kann (vgl. dazu ausdrücklich BGH, Urteil v. 14.7.2004, XII ZR 68/02, Rn. 44, GE 2004, 1163). Haben die Parteien vereinbart, den Vertrag in schriftlicher Form abzuschließen, sich nicht auf fehlende Schriftform berufen zu wollen und die etwa fehlende Schriftform auch für Zusatz- und Nachtragsvereinbarungen nachzuholen, kann die Geltendmachung der nicht eingehaltenen Form treuwidrig sein (KG, Urteil v. 22.5.2003, 8 U 422/01, GE 2003, 1155; OLG Düsseldorf, Urteil v. 22.1.2004).

 
Hinweis

Treuwidriges Verhalten

Wird ein langfristiger Gewerberaummietvertrag, bei dem es noch auf keiner Seite eine Rechtsnachfolge durch Erwerb gegeben hat, wesentlich geändert und dabei die Schriftform nicht eingehalten, ist eine auf den Formmangel gestützte Kündigung treuwidrig, sofern die Parteien in dem insoweit schriftlich vorliegenden Gewerberaummietvertrag vereinbart haben, auf Verlangen die Handlungen vorzunehmen und die Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um der gesetzlichen Schriftform Genüge zu tun; das gilt auch, wenn die Schriftformheilungsklausel durch Allgemeine Geschäftsbedingung vereinbart worden ist (OLG Braunschweig, Urteil v. 17.9.2015, 9 U196/14, GE 2016, 192).

Enthält der Mietvertrag zusätzlich auch die – formularmäßig – vereinbarte Regelung, dass die Parteien den Schriftformverstoß nicht zum Anlass für eine (ordentliche Kündigung) des Mietvertrags nehmen werden, soll nach Auffassung des OLG Düsseldorf (Urteil v. 29.11.2012, I – 10 U 34/12, Mietrecht kompakt 2013, 2-3) Unwirksamkeit der gesamten Schriftformklausel nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 anzunehmen sein, weil auch ein Grundstückserwerber hieran gebunden sei. Das kann nicht überzeugen: Es ging in dem zugrunde liegenden Fall nicht um die Wirksamkeit der Regelung als solcher, die z. B. vom KG in einem Urteil v. 13.11.2006 (8 U 51/06, GE 2007, 650) zu Recht ohne Weiteres angenommen worden ist, sondern darum, ob eine solche Klausel auch den Grundstückserwerber binden konnte. Wenn die Regelung – wie das OLG angenommen hat – zum Zeitpunkt des für die Beurteilung maßgeblichen Vertragsschlusses einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhielt, konnte sie nicht nachträglich dadurch unwirksam werden, dass ein Eigentümerwechsel stattfand. Genau das entspricht der in § 566 Abs. 1 normierten Betrachtungsweise: wer Grundstücke erwirbt, muss die vorhandenen Mietverträge so übernehmen, wie sie abgeschlossen worden sind, also auch mit etwaigen Klauseln zur Nachholung der vielleicht nicht eingehaltenen Schriftform. Weshalb darin ein Verstoß gegen § 550 liegen soll, wie das OLG unter Hinweis auf z. B. Ingendoh, AnwZert MietR 24/2009, Anm. 2, meint, erschließt sich nicht. Dem Schutzzweck der Bestimmung (in welche langfristigen Mietverträge tritt ein potenzieller Erwerber ein?) ist doch (schon) genügt, wenn ein schriftlicher Mietvertrag vorliegt. Ob daneben Ergänzungen oder Änderungen mündlich vorgenommen worden sind, ergibt sich aus dem Mietvertrag nicht, gleichgültig, ob der Vertrag eine Nachholklausel enthält oder nicht. Der Kaufinteressent muss ...

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