Die Rechtsbehelfe der Nachbarn gegen Lärm- und Geruchsbelästigungen durch Gast- und Vergnügungsstättenbetriebe bemessen sich wie oben in Kap. 2 ausgeführt

  • zum einen nach den Vorschriften des Gaststättenrechts und dem Inhalt der Gaststättenerlaubnis,
  • zum anderen nach dem Verhältnis der Gaststättenerlaubnis zur Baugenehmigung und der Bindungswirkung der Baugenehmigung für Erstere.

Von dem Verhältnis dieser Erlaubnisse zueinander hängt es ab, welche Genehmigung angefochten werden muss.

4.1 Wer ist Nachbar?

Soweit es nach dem Immissionsschutzrecht um den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen in Form erheblicher Belästigungen durch Lärm und Gerüche im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 BImSchG geht, ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch im Gaststättenrecht auf den in dieser Vorschrift verwendeten Begriff der Nachbarschaft abzustellen.[1] Dieser Begriff soll den Kreis derjenigen Personen abgrenzen, denen über den objektiven Schutz hinaus, den das Gesetz der Allgemeinheit und damit letztlich auch jedem Einzelnen als Teil dieser Allgemeinheit vermittelt, auch das subjektive Recht eingeräumt werden soll, einen solchen Schutz gerichtlich durchzusetzen.

Dieses subjektive Recht setzt nach Meinung des Gerichts ein besonderes Verhältnis des Betroffenen zu dem störenden Gaststättenbetrieb im Sinne einer "engen räumlichen und zeitlichen Beziehung" voraus. Eine solche Beziehung kann sich zum einen aus der Nähe eines den Lärm- und Geruchsbelästigungen ausgesetzten Wohnhauses zur Störquelle ergeben. Sie kann aber auch begründet werden durch die Auswirkungen in einem weiteren Umfeld des Gaststättenbetriebs, die diesem aufgrund seiner Betriebsweise und auch in räumlicher Hinsicht noch zuzurechnen sind, weil sie den Bezug zum störenden Gaststättenbetrieb noch nicht verloren haben. Typisches Beispiel für eine solche Zurechenbarkeit ist der Zu- und Abfahrtsverkehr und der damit verbundene Lärm der motorisierten Besucher einer Gast- oder Vergnügungsstätte, der diesen Betrieben in räumlicher Hinsicht bis hin zu einer Entfernung zugerechnet wird, in der sich der Zu- und Abgangsverkehr mit dem allgemeinen Verkehr soweit vermischt hat, dass eine Zurechnung nicht mehr möglich ist. Nach Nr. 7.4 TA Lärm wird insoweit von einer Zurechenbarkeit bis zu einer Entfernung von 500 m vom störenden Betrieb entfernt ausgegangen.

Der Begriff des Nachbarn im Baurecht ist nicht so weit gefasst wie im Immissionsschutzrecht. Nachbarn nach dem Verständnis des Baurechts sind vielmehr nur Inhaber dinglicher Rechte an benachbarten Grundstücken, also Grundstückseigentümer, Erbbauberechtigte und Nießbraucher. Generell keine Nachbarn im Sinne des Baurechts sind Mieter oder Pächter, anders als im Immissionsschutzrecht.

Welche räumliche Nähe zu dem Bauvorhaben für die Bejahung der Nachbarschaft erforderlich ist, wird im Baurecht nicht unmittelbar geregelt. Jedenfalls ist die Reichweite der Nachbarschaft nicht auf die unmittelbar angrenzenden Grundstücke beschränkt, sondern reicht darüber hinaus. Hier kommt es auf den Einzelfall an, wie weit die Auswirkungen eines Bauvorhabens auf seine Nachbargrundstücke ausstrahlen.

[1] So BVerwG, Beschluss v. 7.5.1996, 1 C 10.95, DVBl 1996 S. 1192; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 6.3.2018, 6 S 1168/17.

4.2 Nachbarschutz bei der Neuerrichtung oder Nutzungsänderung von Gaststätten und Vergnügungsstätten

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts[1] entfaltete die Baugenehmigung Bindungswirkung für die Gaststättenerlaubnis insoweit, als mit der Baugenehmigung über die typischerweise mit der bestimmungsgemäßen Nutzung einer Gast- oder Vergnügungsstätte in ihrer konkreten baulichen Lage verbundenen Lärm- und Geruchsbelästigungen für die Nachbarschaft entschieden wird und die Gaststättenerlaubnis nicht aus eben diesen Gründen versagt werden darf.

[1] Vgl. BVerwG, Urteil v. 17.10.1989, 1 C 18/87, NVwZ 1990 S. 559; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 23.5.2018, 4 A 2588/14.

4.2.1 Baunachbarklage

Mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sollten Sie als Nachbar die Baugenehmigung für den Neu-, Um- oder Erweiterungsbau sowie die Nutzungsänderung einer Gast- oder Vergnügungsstätte genau prüfen und im Zweifel mit der Baunachbarklage in Form der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Ihre Rechte wahrnehmen.

Von dem Bauvorhaben erfahren Sie als Nachbar dadurch, dass Sie von der Baubehörde von dem Vorhaben benachrichtigt werden. Seien Sie vorsichtig, wenn der Bauherr Sie als Nachbar um Ihre Unterschrift unter die Lagepläne und Bauzeichnungen bittet. Diese Unterschrift könnte als Zustimmung zu dem Bauvorhaben gewertet werden. Das hätte die fatale Folge, dass Sie keine Rechtsbehelfe mehr gegen die Baugenehmigung geltend machen könnten. Vorsicht ist also geboten.

Entscheidend für den Erfolg einer Baunachbarklage ist eine Verletzung nachbarschützender Rechte im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO durch die Baugenehmigung.

Festsetzungen im Bebauungsplan

Die Festsetzungen in Bebauungsplänen über die Art der baulichen Nutzung etwa als reines Wohngebiet, allgemeines Wohngebiet oder Mischgebiet haben nach der Rechts...

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