Entscheidungsstichwort (Thema)

Richtlinie 85/577/EWG. Art. 4. Verbraucherschutz. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge. Widerrufsrecht. Belehrungspflicht des Gewerbetreibenden. Nichtigkeit des Vertrags. Geeignete Maßnahmen

 

Beteiligte

Martín Martín

Eva Martín Martín

EDP Editores SL

 

Tenor

Art. 4 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen verwehrt es einem nationalen Gericht nicht, von Amts wegen die Nichtigkeit eines Vertrags, der in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, aus dem Grund festzustellen, dass der Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurde, obwohl der Verbraucher die Nichtigkeit vor den zuständigen nationalen Gerichten zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Audiencia Provincial de Salamanca (Spanien) mit Entscheidung vom 20. Mai 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Mai 2008, in dem Verfahren

Eva Martín Martín

gegen

EDP Editores SL

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter A. Borg Barthet und M. Ilešič,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der EDP Editores SL, vertreten durch J. M. Sanchez Garcia, abogado,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch B. Plaza Cruz und J. López-Medel Bascones als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Vidal Puig und W. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 7. Mai 2009

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABl. L 372, S. 31, im Folgenden: Richtlinie).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der EDP Editores SL (im Folgenden: EDP) und Frau Martín Martín wegen deren Weigerung, ihre Verpflichtungen aus einem Vertrag zu erfüllen, den sie in ihrer Wohnung mit einem Vertreter von EDP abgeschlossen hatte.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 4 bis 6 der Richtlinie wird Folgendes ausgeführt:

„Verträge, die außerhalb der Geschäftsräume eines Gewerbetreibenden abgeschlossen werden, sind dadurch gekennzeichnet, dass die Initiative zu den Vertragsverhandlungen in der Regel vom Gewerbetreibenden ausgeht und der Verbraucher auf die Vertragsverhandlungen nicht vorbereitet ist. Letzterer hat häufig keine Möglichkeit, Qualität und Preis des Angebots mit anderen Angeboten zu vergleichen. …

Um dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, die Verpflichtungen aus dem Vertrag noch einmal zu überdenken, sollte ihm das Recht eingeräumt werden, innerhalb von mindestens sieben Tagen vom Vertrag zurückzutreten.

Außerdem ist es geboten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass der Verbraucher schriftlich von seiner Überlegungsfrist unterrichtet ist.”

Rz. 4

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Diese Richtlinie gilt für Verträge, die zwischen einem Gewerbetreibenden, der Waren liefert oder Dienstleistungen erbringt, und einem Verbraucher geschlossen werden:

  • anlässlich eines Besuchs des Gewerbetreibenden

    i) beim Verbraucher in seiner oder in der Wohnung eines anderen Verbrauchers,

sofern der Besuch nicht auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers erfolgt.”

Rz. 5

Art. 4 der Richtlinie bestimmt:

„Der Gewerbetreibende hat den Verbraucher bei Geschäften im Sinne des Artikels 1 schriftlich über sein Widerrufsrecht innerhalb der in Artikel 5 festgelegten Fristen zu belehren und dabei den Namen und die Anschrift einer Person anzugeben, der gegenüber das Widerrufsrecht ausgeübt werden kann.

Diese Belehrung ist zu datieren und hat Angaben zu enthalten, die eine Identifizierung des Vertrages ermöglichen. Sie ist dem Verbraucher auszuhändigen

  1. im Fall von Artikel 1 Absatz 1 zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses;

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften geeignete Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers vorsehen, wenn die in diesem Artikel vorgesehene Belehrung nicht erfolgt.”

Rz. 6

Art. 5 der Richtlinie sieht vor:

„(1) Der Verbraucher besitzt das Recht, von der eingegangenen Verpflichtung zurückzutreten, indem er dies innerhalb von mindestens sieben Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem ihm die in Artikel 4 genannte Belehrung erteilt wurde, entsprechend dem Verfahren und unter Beach...

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