Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4. März 2022 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - Einzelrichterin - aufgehoben.

2. Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

3. Für das Betragsverfahren wird die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht Frankfurt (Oder) zurückverwiesen.

4 Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 66.358,59 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt im Wege der Amtshaftungsklage Ersatz für einen Überschwemmungsschaden, den sie auf eine unzureichende Dimensionierung und Wartung der Regenwasserabläufe durch die beklagte Gemeinde zurückführt.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks im Gebiet der Beklagten. Das Grundstück liegt am Tiefpunkt einer nach beiden Seiten ansteigenden, durch 10 cm hohe Bordsteine gefassten, befestigten Stadtstraße. Der ihm gegenüber befindliche Park mit Pfuhl bildet mit seiner Lage unter dem Straßenniveau einen örtlichen Tiefpunkt für ein größeres Niederschlagswasser-Einzugsgebiet. Der maßgebliche Straßenbereich verfügt über vier Straßenabläufe.

Im Jahr 2011 kam es zu einer Überschwemmung des klägerischen Grundstücks. Die Beklagte wies ihre Verantwortung für die dadurch verursachten Schäden unter Verweis auf die ungewöhnliche Stärke des Regenereignisses zurück. Am 7. Juli 2017 kam es erneut zu einer Überflutung auf dem Grundstück der Klägerin. Die Feuerwehr konnte das nicht ausreichend von der Kanalisation aufgenommene Regenwasser rechtzeitig abpumpen. Am 22. Juli 2017 floss erneut das Regenwasser die gefasste Straße herab, staute sich vor dem Grundstück der Klägerin und gelangte schließlich auf dieses Grundstück und in das Kellergeschoss des Hauses. Nach den - bestrittenen - Angaben der Klägerin kam es am 18. August 2017 wiederum zu einer Überschwemmung ihres Grundstücks durch nicht ausreichend abgeleitetes Regenwasser, das sich vor ihrem Grundstück staute. In der Folgezeit wurde der Bordstein auf der Parkseite der Straße auf einer Länge von 50 cm ausgespart und an dieser Stelle ein Durchlass zum Pfuhl hin geschaffen.

Die Klägerin beziffert den ihr am 22. Juli 2017 entstandenen Schaden mit 66.358,69 EUR. Sie verweist auf Schäden im Keller und an den Türen und Möbeln, auf die unterspülte Grundstückspflasterung sowie auf Trocknungs- und Reinigungsarbeiten. Die Beklagte verweist wiederum auf die ungewöhnliche Stärke des Regenereignisses, das statistisch nur alle 81 Jahre auftrete.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Niederschlagsintensität und zur Leistungsfähigkeit der Regenentwässerung abgewiesen. Zur Begründung heißt es, die Sammlung und Beseitigung der Abwässer obliege der Beklagten zwar als hoheitliche Aufgabe. Das schadensursächliche Regenereignis sei aber so außergewöhnlich gewesen, dass die Anlage der Beklagten hierauf nicht habe eingerichtet sein müssen. Der Schaden wäre auch bei einer ausreichenden Dimensionierung der allerdings für sich unzureichenden Anlage eingetreten.

Die Klägerin, der das landgerichtliche Urteil am 10. März 2022 zugestellt worden ist, hat am 31. März 2022 Berufung eingelegt und diese innerhalb der auf ihren Antrag vom 26. April 2022 hin bis zum 10. Juni 2022 verlängerten Frist begründet.

Die Klägerin rügt das landgerichtliche Urteil als Überraschungsentscheidung, nachdem das Gericht die Klage zuvor noch dem Grunde nach für begründet erachtet habe. Teils unstreitigen Vortrag zu den Niederschlagsereignissen bezeichne es als streitig. Ferner übergehe das Landgericht ihren Vortrag, dass es nach der Schaffung des Wasserabflusses zum Park und Pfuhl hin auch bei starken Regenfällen nicht mehr zu einer Überschwemmung gekommen sei. Das habe auch der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten bestätigt. Dem entsprechend sei die Annahme des Landgerichts ohne tragfähige Grundlage, auch bei einer ordnungsgemäßen Anlage wäre es zu dem Schaden gekommen. Tatsächlich sei die Regenentwässerung im Nahbereich wie im gesamten Einzugsgebiet mangelhaft. Die Wiederkehrhäufigkeit eines Regenereignisses lasse keinen sicheren Schluss auf die Häufigkeit des Abflussereignisses zu. Keine Beachtung erfahre die Möglichkeit der Absenkung der Borde zum Park hin, nicht einmal als wenigstens geeignetes Provisorium. Zudem lägen die Voraussetzungen eines enteignungsgleichen Eingriffs vor.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) zum Aktenzeichen 11 O 119/19 vom 04.03.2022, zugestellt am 10.03.2022 die Beklagte zu verurteilen, an sie 66.358,59 EUR nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 28.07.2019 zu zahlen und

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.085,95 EUR nebst...

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