Leitsatz (amtlich)

Eine Erklärung des Streithelfers mit Nichtwissen ist unzulässig, wenn sie eine Tatsache betrifft, die entweder eine eigene Handlung der unterstützten Hauptpartei oder Gegenstand von deren Wahrnehmung gewesen ist.

Die in der Rechtsberaterhaftung für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis von den den Schadensersatzanspruch begründenden Umständen liegt vor, wenn der Mandant aus den ihm bekannten Umständen den Schluss auf einen gegen den Berater gerichteten Schadensersatzanspruch gezogen hat (Ergänzung zu BGH, Urt. v. 6.2.2014 - IX ZR 245/12, BGHZ 200, 172).

 

Normenkette

ZPO § 67 S. 1, § 138 Abs. 4; BGB § 199 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 10.12.2019; Aktenzeichen I-24 U 55/18)

LG Mönchengladbach (Entscheidung vom 19.01.2018; Aktenzeichen 11 O 44/17)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin wird das Urteil des 24. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 10.12.2019 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin nimmt die beklagte Rechtsanwältin auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin wirft der Beklagten vor, sie in dem Verfahren über den Versorgungsausgleich mit ihrem geschiedenen Ehemann fehlerhaft vertreten zu haben.

Rz. 2

Die Klägerin ist Finanzbeamtin (Besoldungsgruppe A 9). Sie wurde im November 1998 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt und erhält seitdem Versorgungsbezüge. Ihre Ehe wurde am 13.4.2011 geschieden. In dem abgetrennten Verfahren über den Versorgungsausgleich erteilte das dem vorliegenden Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin als Streithelfer beigetretene Land durch das L. auf Anfrage des FamG mit Schreiben vom 25.3.2011 Auskunft über die von der Klägerin während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften. Als ruhegehaltfähige Dienstbezüge berücksichtigte das L. D-Mark-Beträge, die es irrtümlich in Euro auswies. Dies führte dazu, dass der Vorschlag für den Ausgleichswert zu Lasten der Klägerin um nahezu das Doppelte übersetzt war.

Rz. 3

Die Beklagte stellte den Fehler nicht fest. Auch das FamG nahm keinen Anstoß an der Auskunft. Mit Beschluss vom 23.1.2013 regelte es den Versorgungsausgleich auf Grundlage der erteilten Auskunft. Die Beklagte übersandte der Klägerin den Beschluss mit dem Hinweis auf das Rechtsmittel der Beschwerde und dem Bemerken, bei Durchsicht des Beschlusses seien keine Unrichtigkeiten aufgefallen. Der Beschluss wurde rechtskräftig. Nachdem der Fehler aufgefallen war, versuchte der Streithelfer, die Berichtigung oder Abänderung des Wertausgleichs zu erreichen. Sein Antrag wurde vom FamG zurückgewiesen, die Beschwerde des Streithelfers hatte keinen Erfolg. Nach Zurückweisung des Antrags des Streithelfers durch das FamG machte die Beklagte im Namen der Klägerin Regressansprüche gegen den Streithelfer geltend. Der Streithelfer wies die Regressforderungen zurück und teilte mit, er sei an die im Versorgungsausgleich getroffenen Regelungen gebunden.

Rz. 4

Mit ihrer im Februar 2017 anhängig gemachten Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz für die Nachteile, die ihr infolge des fehlerhaften Versorgungsausgleichs entstanden sind. Für den Zeitraum bis einschließlich Januar 2017 hat sie im ersten Rechtszug zuletzt Zahlung und Freistellung verlangt sowie ab Februar 2017 die Zahlung eines monatlichen Betrags i.H.v. 478,62 EUR. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das LG hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Streithelfer Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat den Streithelfer darauf hingewiesen, dass der geltend gemachte Schaden bislang nicht hinreichend dargelegt sei. Der Streithelfer hat daraufhin näher zum Schaden vorgetragen. Dabei hat er höhere (Monats-)Beträge angegeben, als die Klägerin ihrer Schadensberechnung bislang zugrunde gelegt hatte. Mit Schriftsatz vom 6.5.2019 hat daraufhin die Klägerin ihre Zahlungsanträge für die Zeit ab Februar 2017 bis einschließlich April 2019 angepasst und für den Zeitraum ab Mai 2019 einen Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten angekündigt. Wegen eines Teils der in der Berufungsinstanz erstmals geltend gemachten Mehrbeträge - betreffend die Ansprüche für die Zeit ab dem 1.1.2018 - hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Im Übrigen hat es die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin hat Anschlussrevision eingelegt. Ihr Ziel ist die Verurteilung der Beklagten auch soweit das Berufungsgericht die Klage abgewiesen hat.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 5

Die unbeschränkt zugelassene Revision hat Erfolg. Auch die Anschlussrevision ist begründet. Die Rechtsmittel führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Rz. 6

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagte habe die ihr gegenüber der Klägerin obliegenden Pflichten fahrlässig verletzt, indem sie die dem Versorgungsausgleich zugrunde liegende Auskunft des L. nicht ausreichend sorgfältig überprüft habe. Als Schaden sei der Betrag zu ersetzen, um den die Klägerin infolge des fehlerhaften Versorgungsausgleichs zu geringe Versorgungsbezüge erhalte. Der Versorgungsausgleich wirke unmittelbar rechtsgestaltend und gehe der materiellen Rechtslage vor. Die Entscheidung über die Höhe des Schadensersatzanspruchs bedürfe noch weiterer Aufklärung. Die Beklagte habe die Schadenshöhe bestritten, so dass im Betragsverfahren der vom Streithelfer angebotene Sachverständigenbeweis zu erheben sei.

Rz. 7

Die Ersatzpflicht der Beklagten sei nicht aufgrund eines Mitverschuldensanteils der Klägerin zu kürzen. Auch eine Kürzung der Schadensersatzpflicht nach den Grundsätzen über den gestörten Gesamtschuldnerausgleich komme nicht in Betracht. Es fehle schon an einem Gesamtschuldverhältnis zwischen der Beklagten und dem Streithelfer. Das aus § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB folgende Haftungsprivileg des Streithelfers stehe der Annahme einer haftungsrechtlichen Gesamtschuld entgegen.

Rz. 8

Gegenüber den ursprünglich geltend gemachten Ansprüchen könne sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg auf Verjährung berufen. Die Klägerin habe die für den Beginn der Verjährungsfrist nötige Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht schon im Laufe des Jahres 2013 erlangt. Die Verjährung sei erst mit Ablauf des Jahres 2014 in Lauf gesetzt worden. Das LG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Beklagte schon im Dezember 2013 aufgefordert habe, deren Haftpflichtversicherung einzuschalten, weil ihr ein Schaden entstanden sei. Die für den Lauf der Verjährungsfrist notwendige Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis sei aber auch dann nicht anzunehmen, wenn man von der Aufforderung zur Einschaltung der Haftpflichtversicherung im Jahr 2013 ausgehe. Die Beklagte (richtig: der Streithelfer) habe zunächst versucht, beim FamG im Wege der Abänderung und Berichtigung eine Korrektur der Entscheidung über den Versorgungsausgleich zu erreichen. Dass dieser Versuch erfolglos geblieben sei, habe die Klägerin erst im Laufe des Jahres 2014 erfahren. Die Erhebung der Einrede der Verjährung wäre überdies auch treuwidrig. Durch ihren Versuch (richtig: den des Streithelfers), den Fehler des L. zu korrigieren, und die Geltendmachung von Regressansprüchen gegenüber dem Streithelfer habe die Beklagte ihre Pflichtverletzung vertuscht und die Klägerin von der rechtzeitigen Geltendmachung des gegen sie gerichteten Schadensersatzanspruchs abgehalten.

Rz. 9

Gegenüber den in der Berufungsinstanz klagerweiternd geltend gemachten Ansprüchen für die Zeit ab dem 1.1.2018 greife die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung hingegen durch. Die Verjährung der nachgeschobenen Erhöhungsbeträge sowie der mit dem Feststellungsantrag erstmals geltend gemachten Ansprüche sei selbständig zu beurteilen. Insoweit sei Verjährung eingetreten, weil der Lauf der Verjährungsfrist bereits mit Ablauf des Jahres 2014 in Gang gesetzt worden sei.

II.

Rz. 10

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht stand.

Rz. 11

1. Die Revision der Beklagten ist aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) ohne Einschränkungen statthaft. Eine nach ständiger Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschl. v. 29.1.2004 - V ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365 f.; v. 17.5.2017 - IV ZB 25/16, BGHZ 215, 109 Rz. 19) im Grundsatz mögliche Beschränkung der Revisionszulassung hat das Berufungsgericht nicht wirksam vorgenommen. Das hat zur Folge, dass die Revision unbeschränkt zugelassen ist (BGH, Urt. v. 20.5.2003 - XI ZR 248/02 NJW 2003, 2529).

Rz. 12

a) Die Zulassung der Revision kann auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Streitstoffs beschränkt werden, welcher Gegenstand eines Teilurteils sein kann oder auf den der Revisionskläger seine Revision beschränken könnte (BGH, Urt. v. 20.5.2003, a.a.O.; v. 14.4.2010 - VIII ZR 123/09 NJW 2010, 2122 Rz. 12; st.Rspr.). Demgegenüber sind Beschränkungen der Revisionszulassung auf einzelne rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte, bestimmte Rechtsfragen oder einzelne Urteilselemente unzulässig (BGH, Urt. v. 8.3.2006 - IV ZR 263/04 NJW-RR 2006, 877 Rz. 16).

Rz. 13

b) Das Berufungsgericht hat die Revision nicht im Urteilsausspruch der angefochtenen Entscheidung zugelassen. Die Zulassung der Revision findet sich erst am Ende der Urteilsgründe. Sie bezieht sich ausdrücklich auf die Frage, ob die Grundsätze des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs auch im Fall des Haftungsprivilegs gem. § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB anwendbar sind, sowie auf die Frage, ob sich die Pflicht des Rechtsberaters zur Überprüfung der Versorgungsauskunft auf offenbare Unstimmigkeiten und Fehler auch auf Auskünfte über den eigenen Mandanten bezieht. Dabei handelt es sich um bestimmte Rechtsfragen, die sich auf einzelne Voraussetzungen des mit der Klage verfolgten Schadensersatzanspruchs beziehen. Eine derart vorgenommene Beschränkung der Zulassung der Revision ist unzulässig.

Rz. 14

2. Die Revision ist begründet. Nach den vom Berufungsgericht bisher getroffenen Feststellungen hat die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung Erfolg.

Rz. 15

a) Die Verjährung des (hier unterstellten) Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte richtet sich nach den §§ 194 ff. BGB. Danach beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre (§ 195 BGB). Da kein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, wurde die Verjährungsfrist in Lauf gesetzt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden war und die Klägerin von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person der Beklagten als Anspruchsschuldnerin Kenntnis erlangt hatte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 BGB).

Rz. 16

aa) Der Schadensersatzanspruch war bereits im Jahr 2013 entstanden.

Rz. 17

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH entsteht der Schaden dann, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen durch die Pflichtverletzung des Rechtsberaters im Vergleich zu seinem früheren Vermögensstand objektiv verschlechtert hat. Dafür genügt es, dass der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist, mag auch seine Höhe noch nicht beziffert werden können. Es muss nicht feststehen, dass die Vermögenseinbuße bestehen bleibt und damit endgültig wird. In der Regel verschlechtert sich die Vermögenslage des Mandanten bereits mit der ersten nachteiligen Gerichtsentscheidung infolge anwaltlichen Fehlverhaltens in einem Verfahren. Seine frühere Auffassung, dass ein Schaden infolge eines Anwaltsfehlers im Prozess regelmäßig noch nicht eingetreten sei, solange nicht auszuschließen sei, dass die Entscheidung in einem weiteren Rechtszug zugunsten des Mandanten geändert werde, hat der Senat ausdrücklich aufgegeben (BGH, Urt. v. 6.6.2019 - IX ZR 104/18 ZIP 2019, 1483 Rz. 17 m.w.N.).

Rz. 18

(2) Im Streitfall ist danach der Schaden der Klägerin bereits mit dem Beschluss des FamG über den Versorgungsausgleich vom 23.1.2013 eingetreten, mit dem im Blick auf die von der Klägerin während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften zu deren Lasten ein um nahezu das Doppelte übersetzter Ausgleichswert berücksichtigt worden ist. Zu diesem Zeitpunkt verschlechterte sich die Vermögenslage der Klägerin infolge der Pflichtverletzung der Beklagten (vgl. BGH, Urt. v. 6.6.2019, a.a.O., Rz. 18).

Rz. 19

bb) Die Klägerin hat bereits im Laufe des Jahres 2013 Kenntnis von den die Schadensersatzforderung begründenden Umständen und der Person der Beklagten als Anspruchsschuldnerin erlangt. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung des im landgerichtlichen Tatbestand als unstreitig festgestellten Umstands, die Klägerin habe die Beklagte am 10.12.2013 persönlich aufgefordert, den Haftpflichtversicherer zu informieren, weil ihr ein Schaden entstanden sei.

Rz. 20

(1) Die Revision rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe sie am 10.12.2013 persönlich aufgefordert, den Haftpflichtversicherer zu informieren, weil ihr ein Schaden entstanden sei, als unstreitig behandeln müssen.

Rz. 21

(a) Dies folgt schon aus § 314 und § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Nach § 314 ZPO liefert der Tatbestand des Urteils Beweis für das mündliche Vorbringen. Dieser Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden. Eine etwaige Unrichtigkeit tatbestandlicher Feststellungen kann nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO behoben werden (BGH, Urt. v. 8.1.2007 - II ZR 334/04 NJW-RR 2007, 1434 Rz. 11; v. 9.7.2007 - II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 Rz. 21; v. 18.9.2009 - V ZR 75/08 NJW 2009, 3787 Rz. 35; v. 17.1.2012 - XI ZR 457/10 NJW-RR 2012, 622 Rz. 18). Wird die Berichtigung im ersten Rechtszug getroffener Feststellungen nicht beantragt, sind sie für das Berufungsverfahren bindend zugrunde zu legen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO; BGH, Urt. v. 18.9.2009, a.a.O.; vom 17.1.2012, a.a.O.).

Rz. 22

Danach war das Berufungsgericht an die tatbestandliche Feststellung des LG gebunden. Das LG hatte die Aufforderung der Beklagten durch die Klägerin vom 10.12.2013 zur Einschaltung des Haftpflichtversicherers im unstreitigen Tatbestand geschildert und in den Entscheidungsgründen ausdrücklich als unstreitig bezeichnet. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 ZPO haben weder die Klägerin noch der Streithelfer gestellt.

Rz. 23

(b) Auch ohne die aus §§ 314, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO folgende Bindungswirkung hätte das Berufungsgericht die Aufforderung zur Einschaltung des Haftpflichtversicherers nicht als streitig behandeln dürfen. Zu der seitens der Beklagten behaupteten Aufforderung hat sich lediglich der Streithelfer und dies auch nur mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) erklärt. Die Erklärung mit Nichtwissen war nicht zulässig, was zur Folge hat, dass die Behauptung als zugestanden gilt (BGH, Urt. v. 8.1.2019 - II ZR 139/17 NJW-RR 2019, 747 Rz. 34).

Rz. 24

Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist aus der Sicht der unterstützten Hauptpartei zu beurteilen. Die Erklärung ihres Streithelfers mit Nichtwissen ist daher unzulässig, wenn sie eine Tatsache betrifft, die (ihre Wahrheit unterstellt) eine eigene Handlung der Hauptpartei oder Gegenstand von deren Wahrnehmung gewesen ist.

Rz. 25

Die aus § 67 ZPO folgenden Befugnisse des Streithelfers gehen nicht weiter als die der unterstützten Hauptpartei (vgl. BGH, Urt. v. 28.3.1985 - VII ZR 317/84 NJW 1985, 2480; Schultes in MünchKomm/ZPO, 6. Aufl., § 67 Rz. 4; Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 67 Rz. 10; Musielak/Voit/Weth, 17. Aufl., § 67 Rz. 4; BeckOK/ZPO/Dressler, 2020, § 67 Rz. 10). Ist demnach die unterstützte Hauptpartei nicht zu einer Erklärung mit Nichtwissen berechtigt, muss auch ihr Streithelfer (zumindest) einfach bestreiten. Ob die Voraussetzungen des § 138 Abs. 4 ZPO vorliegen, ist im Rahmen eines Prozessrechtsverhältnisses einheitlich aus Sicht der Parteien zu beurteilen. Daran ändert nichts, dass eine der an dem Verhältnis beteiligten Parteien durch einen Streithelfer unterstützt wird. Entsprechendes gilt, wenn der unterstützten Hauptpartei qualifizierter Gegenvortrag obliegt, weil ihr Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während die Hauptpartei sie hat und ihr nähere Angaben zumutbar sind (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1990 - II ZR 159/89 NJW 1990, 3151 f.). Dieser prozessualen Obliegenheit kann sich die Hauptpartei nicht dadurch entziehen, dass sie schweigt und ihr Streithelfer einfach bestreitet.

Rz. 26

(2) Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin die Beklagte am 10.12.2013 persönlich aufgefordert hat, den Haftpflichtversicherer zu informieren, weil ihr ein Schaden entstanden sei, ist davon auszugehen, dass sie bereits im Jahr 2013 Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person der Beklagten als Anspruchsschuldnerin hatte.

Rz. 27

(a) Allerdings machen es die Besonderheiten der Rechtsberaterhaftung erforderlich, nicht schon dann von einer Kenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auszugehen, wenn dem Mandanten nur die tatsächlichen Umstände bekannt sind, aus denen der Schadensersatzanspruch gegen den Berater folgt. Hinzukommen muss die Kenntnis von solchen Tatsachen, aus denen sich für den Mandanten - zumal wenn er juristischer Laie ist - ergibt, dass der Rechtsberater von dem üblichen rechtlichen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht eingeleitet hat, die aus rechtlicher Sicht zur Vermeidung eines Schadens erforderlich waren (BGH, Urt. v. 6.2.2014 - IX ZR 245/12, BGHZ 200, 172 Rz. 15). Dies findet seinen Grund darin, dass der Mandant in der Regel nicht fachkundig ist, seine rechtlichen Belange dem dazu berufenen Fachmann anvertraut und dessen etwaige Fehlleistungen - eben wegen seiner Rechtsunkenntnis - häufig nicht zu erkennen vermag. Die Fachkunde des Rechtsanwalts und das Vertrauen seines Auftraggebers begründen typischerweise im Rahmen eines Anwaltsvertrags eine Überlegenheit des Anwalts gegenüber seinem regelmäßig rechtsunkundigen Mandanten (vgl. BGH, Urt. v. 6.2.2014, a.a.O.).

Rz. 28

Für ein fehlerhaftes Verhalten des Beraters ist aus der Sicht des Mandanten regelmäßig kein Anhalt im Sinne grob fahrlässiger Unkenntnis gegeben, wenn der in Betracht kommende Fehler im Rechtsstreit kontrovers beurteilt wird und der Berater gegenüber dem Mandanten oder in Ausübung des Mandats nach außen hin die Rechtsansicht vertritt, ein Fehlverhalten liege nicht vor. Der Mandant darf sich darauf verlassen, dass der von ihm beauftragte Berater die anstehenden Rechtsfragen fehlerfrei beantwortet und der erteilte Rechtsrat zutreffend ist. Dem Mandanten obliegt es nicht, den Anwalt zu überwachen oder dessen Rechtsansichten durch einen weiteren Rechtsberater überprüfen zu lassen. Rät der Berater zur Fortsetzung des Rechtsstreits, hat der Mandant in der Regel sogar dann keine Kenntnis von der Pflichtwidrigkeit des Beraters, wenn das Gericht oder der Gegner zuvor auf eine Fristversäumung hingewiesen hat (BGH, Urt. v. 6.2.2014, a.a.O., Rz. 17; v. 25.10.2018 - IX ZR 168/17 WM 2019, 787 Rz. 9).

Rz. 29

(b) Anders liegt allerdings der Fall, wenn der Mandant aus den ihm bekannten Umständen selbst den Schluss auf einen gegen den Berater gerichteten Schadensersatzanspruch gezogen hat. Mit dem Schadensersatzverlangen gibt der Mandant zu erkennen, dass er dem Berater nicht mehr (uneingeschränkt) vertraut. Im Blick auf den Beginn der Verjährungsfrist ist der Mandant nun nicht mehr schutzwürdig. Er hat zumindest drei Jahre Zeit, den erkannten Schadensersatzanspruch durchzusetzen oder jedenfalls den Lauf der Verjährungsfrist zu hemmen. Gelingt es dem Rechtsberater, das Vertrauen des Mandanten zurückzugewinnen, führt dies weder zu einer Hemmung noch zu einem Neubeginn der Verjährungsfrist. Allerdings kann die vom Rechtsberater erhobene Einrede der Verjährung rechtsmissbräuchlich sein, wenn er seinen Mandanten davon abhält, die Verjährung rechtzeitig zu hemmen. Es gelten die vom BGH hierzu entwickelten Grundsätze (vgl. BGH, Urt. v. 29.2.1996 - IX ZR 180/95 ZIP 1996, 791, 793; Beschl. v. 20.11.2008 - IX ZR 145/06, BeckRS 2008, 26023 Rz. 2; Urt. v. 14.11.2013 - IX ZR 215/12 WM 2014, 854 Rz. 15).

Rz. 30

(c) Danach begann der Lauf der Verjährung mit Ablauf des Jahres 2013. Die Klägerin kannte nicht nur die den Schadensersatzanspruch begründenden tatsächlichen Umstände. Sie hatte darüber hinaus aus den Umständen den Schluss auf eine Schadensersatzpflicht der Beklagten gezogen und dies durch die Aufforderung zum Ausdruck gebracht, die Beklagte möge den Haftpflichtversicherer einschalten, weil ihr ein Schaden entstanden sei.

Rz. 31

cc) Die Ende 2013 in Lauf gesetzte Verjährungsfrist endete mit Ablauf des 31.12.2016. Die im Februar 2017 anhängig gemachte Klage konnte den Ablauf der Verjährung nicht mehr hemmen, wenn die Frist nicht schon zuvor gehemmt war oder neu begonnen hatte. Feststellungen zu einem Neubeginn oder einer vorangegangenen Hemmung der Verjährung hat das Berufungsgericht bisher nicht getroffen. Die von ihm getroffenen Feststellungen rechtfertigen auch nicht die Annahme, die Verjährungseinrede der Beklagten sei rechtsmissbräuchlich.

Rz. 32

(1) Der Arglisteinwand kann der Einrede der Verjährung (§ 214 Abs. 1 BGB) indes nicht nur dann entgegengesetzt werden, wenn der Schuldner den Gläubiger absichtlich von der Erhebung der Klage abgehalten hat. Es reicht aus, dass der Schuldner durch sein Verhalten objektiv - sei es auch unabsichtlich - bewirkt, dass die Klage nicht rechtzeitig erhoben wird, und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre. Insoweit ist ein strenger Maßstab anzulegen (BGH, Urt. v. 14.11.2013, a.a.O.). Ist der Arglisteinwand begründet, macht es der Zweck der bereits eingetretenen Verjährung erforderlich, dass der Gläubiger seinen Anspruch binnen einer nach Treu und Glauben zu bestimmenden Frist gerichtlich geltend macht (BGH, Urt. v. 14.11.2013, a.a.O., Rz. 18 f.).

Rz. 33

(2) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen getroffen, welche die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen könnten. Die mit dem Schluss des Jahres 2013 angelaufene Verjährung endete erst mit Ablauf des 31.12.2016. Es ist nicht ersichtlich, wodurch die Beklagte die Klägerin von der rechtzeitigen Hemmung der Verjährung abgehalten haben sollte. Nicht die Beklagte, sondern der Streithelfer hat versucht, eine Berichtigung oder Abänderung der Entscheidung über den Wertausgleich zu erreichen. Dieser Versuch scheiterte. Die Beschwerde des Streithelfers wurde durch das OLG im September 2014 zurückgewiesen. Zu diesem Zeitpunkt lief die Verjährungsfrist noch mehr als zwei Jahre. Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte die Klägerin durch die Geltendmachung von Regressansprüchen gegen den Streithelfer von der rechtzeitigen Hemmung der Verjährung des gegen sie gerichteten Schadensersatzanspruchs abgehalten hat. Ersichtlich hat der Streithelfer Regressansprüche von Anfang an abgelehnt. Wodurch es die Beklagte in Anbetracht dessen bewirkt haben könnte, dass die Klägerin von einer die Verjährungsfrist hemmenden Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs absah, ist nicht erkennbar.

III.

Rz. 34

Die zulässige Anschlussrevision ist begründet. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, die im Mai 2019 für die Zeit ab dem 1.1.2018 geltend gemachten, die ursprüngliche Klage übersteigenden Anspruchsteile seien verjährt.

Rz. 35

1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die von der Klägerin im Februar 2017 anhängig gemachte Klage die Verjährung gehemmt hat. Davon ist bei der Prüfung der Begründetheit der Anschlussrevision auszugehen.

Rz. 36

2. Anhand der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen lässt sich nicht beurteilen, ob die im Mai 2019 geltend gemachten Anspruchsteile verjährt sind.

Rz. 37

a) Zwar erstreckt sich die Hemmung bei einer "verdeckten Teilklage", d.h. einer solchen, bei der weder für die Beklagtenseite noch für das Gericht erkennbar ist, dass die bezifferte Forderung nicht den Gesamtschaden abdeckt, grundsätzlich nur auf den geltend gemachten Anspruch im beantragten Umfang. Etwas anderes gilt für die Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auf Schadensersatzansprüche aber, wenn mit der Klage von Anfang an ein bestimmter Anspruch in vollem Umfang geltend gemacht wird und sich dann Umfang und Ausprägung des Klageanspruchs ändern, nicht aber der Anspruchsgrund. Der Schadensersatzkläger klagt dann nicht eine Geldsumme, sondern den Schaden ein und hemmt damit die Verjährung der Ersatzforderung in ihrem betragsmäßig wechselnden Bestand. Für die endgültige Bemessung des Schadens ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend, aufgrund derer das Urteil ergeht, so dass dem Umfang der Verjährungswirkung daher durch den ursprünglich bezifferten Leistungsantrag keine Grenzen gezogen werden (BGH, Urt. v. 8.1.2014 - XII ZR 12/13 NJW 2014, 920 Rz. 25; vgl. auch Urt. v. 2.5.2002 - III ZR 135/01, BGHZ 151, 1, 2 ff.).

Rz. 38

b) Nach diesen Grundsätzen kann die vom Berufungsgericht angenommene Hemmung der Verjährung durch die im Februar 2017 anhängig gemachte Klage auch die im Mai 2019 geltend gemachten Anspruchsteile erfasst haben. Schon im Zeitpunkt der Klageerhebung im Februar 2017 war erkennbar, dass der auf Zahlung eines monatlichen Betrags von 478,62 EUR ab dem 1.2.2017 gerichtete Antrag nur den nach den seinerzeit gegebenen wirtschaftlichen Umständen anzunehmenden Schaden abbilden sollte. Die Geltendmachung künftiger Änderungen des monatlichen Schadensbetrags etwa aufgrund von Anpassungen der Versorgungsbezüge sollte ersichtlich nicht ausgeschlossen sein. Insoweit bezog sich die Klage auf eine Ersatzforderung in ihrem wechselnden Bestand. Soweit demnach die Anpassung der Anträge einer Veränderung des monatlichen Schadensbetrags infolge zwischenzeitlich eingetretener Veränderungen der wirtschaftlichen Umstände (Anpassung der Versorgungsbezüge pp.) geschuldet war, wäre die Verjährung schon durch die Erhebung der Klage im Februar 2017 gehemmt worden. Anders läge der Fall, wenn die im Jahr 2019 bezifferten Beträge schon zur Zeit der Klageerhebung feststanden und die Klägerin diese nur nicht hinreichend überschaute (vgl. BGH, Urt. v. 2.5.2002, a.a.O., S. 4 f.).

IV.

Rz. 39

Das Urteil ist danach aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird die Frage der Verjährung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats (§ 563 Abs. 2 ZPO) neu zu prüfen haben. Den Parteien wird Gelegenheit zu geben sein, hierzu ergänzend vorzutragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 14241328

DB 2021, 676

DStR 2021, 375

DStRE 2021, 441

NJW 2020, 8

NJW 2021, 1957

NWB 2021, 537

FA 2021, 32

WM 2022, 133

ZAP 2020, 1299

ZIP 2021, 251

AnwBl 2021, 237

JA 2021, 337

JZ 2021, 50

JZ 2021, 52

MDR 2021, 199

VersR 2021, 44

ZInsO 2021, 568

NZFam 2021, 78

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