Tenor
Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 26. Juli 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten zu 1 erkannt worden ist.
Die Sache wird in diesem Umfang zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die beklagten Eheleute waren Inhaber eines Straßenbau- und Tiefbauunternehmens. Mit notariellem Vertrag vom 13. März 1992 verkauften sie ihr mit Gewerbegebäuden und einem Wohnhaus bebautes Betriebsgrundstück nebst angrenzender Verkehrsfläche und zwei weiteren unbebauten Nachbargrundstücken zu einem Gesamtkaufpreis von 7.081.475 DM an die Klägerin. Das größere der beiden unbebauten Grundstücke (Flurstück Nr. 407) war im Laufe der Jahre mit Bodenaushub aufgefüllt worden, der aus Erdarbeiten des Bauunternehmens stammte.
Der Kaufvertrag enthält unter IV. 2 folgende Regelung zur Sachmängelgewährleistung:
„Der Käufer hat das Vertragsobjekt besichtigt. Es wird übernommen wie es steht und liegt, also ohne Gewährleistung für Sachmängelfreiheit. Der Verkäufer haftet namentlich nicht für die Bau- und Bodenbeschaffenheit. Verdeckte, ihm bekannte Mängel hat der Verkäufer nicht verschwiegen. … Ferner haftet der Verkäufer nicht für die Tauglichkeit des Vertragsgegenstandes für die Zwecke des Käufers.”
In der Folgezeit errichtete die Klägerin – wie geplant – auf dem Flurstück Nr. 407 ein Einkaufszentrum. Dabei ließ sie auch Bodenproben durchführen. Nach Vorliegen des Ergebnisses dieser Proben leitete sie ein Beweissicherungsverfahren ein, das sie später aber nicht weiterbetrieb. Statt dessen erhob sie Klage auf Schadenersatz wegen arglistiger Täuschung über das Vorhandensein von im Erdreich des Flurstücks Nr. 407 befindlichen Industrieabfällen, insbesondere von Bauschutt, Kabelresten, Kunststoffteilen, Bitumenbrocken, Drähten, Schildern und Reifen. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage auf Zahlung von 176.155,80 DM nur hinsichtlich des Beklagten zu 1 dem Grunde nach entsprochen und die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten zu 1, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt. Die ursprünglich auch von der Beklagten zu 2 eingelegte Revision hat sie zwischenzeitlich wieder zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht bejaht eine Schadenersatzverpflichtung des Beklagten zu 1 gemäß § 463 BGB wegen arglistigen Verschweigens im Erdreich befindlicher Kabelreste, Metallteile und Reifen. Die von ihm gewonnene Überzeugung vom Vorhandensein offenbarungspflichtiger Abfallablagerungen stützt es dabei auf die Bekundungen der Zeugen G. und W., wonach von außen nicht sichtbares Abfallmaterial erst einige Meter unter der Erdoberfläche zum Vorschein gekommen sei. Daneben folgt das Berufungsgericht auch den Schilderungen des Zeugen B., der bei einer Geländebesichtigung kurz vor Kaufvertragsabschluß nicht nur Kabelreste, sondern 1 bis 2 m aus der Erde herausragende Postkabel und weiteren Unrat bemerkt haben will, und entnimmt dieser Aussage die Kenntnis des Beklagten zu 1 vom Vorliegen aufklärungspflichtiger Bodenverunreinigungen.
II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Mit Recht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe die von ihm zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO getroffen. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung ist durch das Revisionsgericht darauf zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozeßstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Senat, Urt. v. 9. Juli 1999, V ZR 12/98, NJW 1999, 3481, 3482; BGH, Urt. v. 11. Februar 1987, IVb ZR 23/86, NJW 1987, 1557, 1558; Urt. v. 14. Januar 1993, IX ZR 238/91, NJW 1993, 935, 937). Diesen Anforderungen wird das Berufungsgericht nicht gerecht. Es legt seiner Entscheidung verfahrensfehlerhaft zwei sich gegenseitig ausschließende Sachverhaltsvarianten zugrunde. Einerseits folgert es aus den Bekundungen der Zeugen G. und W., die im Sommer 1994 Erd- und Sortierungsarbeiten auf dem Flurstück Nr. 407 ausgeführt haben, daß die zutage geförderten Abfallmaterialien bereits zum Zeitpunkt des Kaufs bzw. des Gefahrübergangs in dem Grundstück verborgen waren und daher der Klägerin hätten offenbart werden müssen. Andererseits gelangt es aufgrund der Darstellung des Zeugen B. zu der Überzeugung, unmittelbar vor Kaufvertragsabschluß seien Abfallablagerungen, insbesondere 1 bis 2 m aus der Erde herausragende Postkabel, ohne weiteres auf der Grundstücksoberfläche sichtbar gewesen. Dies ist zwar nicht, wie die Revision meint, ein Verstoß gegen den Beibringungsgrundsatz, weil die Klägerin sich die Aussage ausweislich des Tatbestandes insgesamt zu eigen gemacht hat. Wohl aber liegt darin ein innerer Widerspruch. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht die Ambivalenz der Aussagen des Zeugen B. verkannt, indem es aus dessen Bekundungen lediglich auf die Erkennbarkeit von Abfallablagerungen für den Beklagten zu 1 geschlossen, nicht dagegen die in der Berufungsbegründung von den Beklagten aufgezeigte Möglichkeit in Betracht gezogen hat, daß diese Abfälle damit auch für den als Verhandlungsführer eingesetzten Ehemann der Klägerin bei der unstreitig vor Vertragsabschluß erfolgten Geländebesichtigung erkennbar waren. Auch dies stellt einen revisionsrechtlich relevanten Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO dar (vgl. Senat, Urt. v. 20. März 1992, V ZR 7/91, NJW 1992, 1963, 1964; BGH, Urt. v. 22. Januar 1991, VI ZR 97/90, NJW 1991, 1894, 1895 f; Urt. v. 23. Januar 1997, I ZR 29/94, NJW 1997, 2757, 2759).
2. Mit Erfolg macht die Revision weiter geltend, das Berufungsgericht habe die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung fehlerhaft beurteilt.
a) Das Verschweigen eines Fehlers (§ 463 Satz 2 BGB) stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich dieses Mangels auch angesichts der entgegengesetzten Interessen der Vertragsparteien eine Aufklärungspflicht besteht. Eine Offenbarungsverpflichtung trifft den Verkäufer aber nur bei verborgenen, wesentlichen Mängeln oder bei nicht erkennbaren Umständen, die nach der Lebenserfahrung auf das Entstehen bestimmter Mängel schließen lassen (Senat, Urt. v. 23. März 1990, V ZR 233/88, NJW-RR 1990, 847, 848). Dagegen kann ein Käufer eine Aufklärung über Mängel, die einer Besichtigung zugänglich und damit ohne weiteres erkennbar sind, nicht erwarten, weil er sie bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann (Senat, Urt. v. 8. April 1994, V ZR 178/92, NJW-RR 1994, 907; BGHZ 132, 30, 34; Urt. v. 20. Oktober 2000, V ZR 285/99, ZIP 2000, 2257, 2258). In der angefochtenen Entscheidung finden sich jedoch weder Ausführungen zur Offenkundigkeit des festgestellten Mangels für die Klägerin noch zu dessen Erheblichkeit. Das Berufungsgericht schließt lediglich aus der Schilderung der Zeugen G. und W. auf das Vorliegen eines verborgenen und damit offenbarungspflichtigen Mangels, ohne sich jedoch in diesem Zusammenhang mit der abweichenden Darstellung des Zeugen B. über die Erkennbarkeit von Abfalllagerungen zu befassen. Wenn die Kabelstücke und sonstiger Unrat wirklich – wie vom Zeugen B. bekundet – bereits bei oberflächiger Besichtigung des Grundstücks vor Kaufvertragsabschluß erkennbar waren, dann entfiel schon aus diesem Grunde eine Aufklärungspflicht des Beklagten zu 1. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der auf der Erdoberfläche sichtbare Abfall keine tragfähigen Rückschlüsse auf Art und Umfang im Erdreich selbst befindlicher, wesentlicher Bodenverunreinigungen erlaubte. In diesem Fall bestand die Offenbarungspflicht des Verkäufers fort, da der Mangel für den Käufer nicht in seinem vollen Ausmaß erkennbar war.
b) Fehlerhaft sind aber auch die Ausführungen zur Arglist. Ein Verkäufer, der eine nach diesen Maßstäben gebotene Aufklärung unterläßt, verhält sich auch arglistig, sofern er den Fehler mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, daß sein Vertragspartner den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (Senat, Urt. v. 3. März 1995, V ZR 43/94, NJW 1995, 1549, 1550; Urt. v. 14. Juni 1996, V ZR 105/95, NJW-RR 1996, 1332; Urt. v. 22. November 1996, V ZR 196/95, NJW-RR 1997, 270). Nimmt er an, der Käufer sei aufgrund von Indizien imstande, den Fehler zu erkennen, handelt der Verkäufer nur dann arglistig, wenn er sich bewußt hierum nicht kümmert und in Kauf nimmt, daß der Käufer, weil er die Prüfung unterläßt, einen Vertrag abschließt, den er bei Kenntnis des Mangels nicht abgeschlossen hätte (Senat, Urt. v. 7. Juli 1989, V ZR 21/88, NJW 1990, 42, 43; Urt. v. 22. November 1996, V ZR 196/95, aaO). Dem trägt das Berufungsgericht nicht ausreichend Rechnung. Es begnügt sich mit der auf die Aussage des Zeugen B. gestützten Feststellung, der Beklagte zu 1 habe erkannt, daß seine Anordnungen über die Abfalltrennung nicht befolgt und aussonderungspflichtige Materialien auf seinem Grundstück abgelagert worden sind. Dies allein rechtfertigt aber noch nicht den Vorwurf der Arglist. Es fehlt die Feststellung, daß er zumindest mit der Möglichkeit rechnete, die Klägerin habe dies nicht erkannt und bei Offenbarung den Vertrag nicht abgeschlossen.
c) Vorstehende Erwägungen gelten für den Fall einer vom Berufungsgericht bisher nicht erörterten Schadenersatzverpflichtung des Beklagten zu 1 wegen arglistig vorgespiegelter Altlastenfreiheit (§ 463 Satz 2 BGB analog) entsprechend. Nach dem Vorbringen der Klägerin haben die Verkäufer auf Nachfrage mehrfach wahrheitswidrig erklärt, auf dem Grundstück seien keine echten Bodenverunreinigungen vorhanden, sondern lediglich mutterbodenähnliche Auffüllungen vorgenommen worden. Wenn diese Behauptung zutrifft, hat der Beklagte zu 1 die Klägerin über die Bodenbeschaffenheit getäuscht, denn ein Verkäufer ist unabhängig vom Bestehen einer Offenbarungspflicht gehalten, Fragen des anderen Teils richtig und vollständig zu beantworten (Senat, Urt. v. 20. November 1987, V ZR 66/86, NJW-RR 1988, 458, 459; Urt. v. 20. September 1996, V ZR 173/93, NJW-RR 1997, 144, 145). Damit stünde aber noch nicht fest, daß der Beklagte zu 1 auch arglistig gehandelt hat. Falsche Angaben allein erlauben in der Regel nämlich noch nicht den Schluß auf ein arglistiges Verhalten (Senat, Urt. v. 6. Dezember 1985, V ZR 2/85, NJW-RR 1986, 700; BGH, Urt. v. 22. Februar 1984, IVa ZR 63/82, VersR 1984, 630, 631; Urt. v. 20. November 1990, IV ZR 113/89, NJW-RR 1991, 411, 412). Vielmehr erfordert Arglist auch hier, daß der Verkäufer mit dem Vorhandensein des Mangels und damit mit der Unrichtigkeit seiner Angaben rechnete. Dies setzt zumindest die Feststellung voraus, der Beklagte zu 1 habe ohne tatsächliche Anhaltspunkte ins Blaue hinein Behauptungen über die Mängelfreiheit des Grundstücks aufgestellt (Senat, Urt. v. 19. Dezember 1980, V ZR 185/79, NJW 1981, 864, 865; Urt. v. 28. September 1997, V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 303; BGH, Urt. v. 18. März 1981, VIII ZR 44/80, NJW 1981, 1441, 1442). Ferner muß er wenigstens die Möglichkeit in Betracht gezogen und gebilligt haben, die Klägerin könne durch die abgegebenen Erklärungen über die Bodenverhältnisse oder den Wert des Grundstücks getäuscht und dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflußt werden (Senat, Urt. v. 22. Februar 1991, V ZR 299/89, BGHR BGB § 123 Abs. 1 Kausalität 1; BGH, Urt. v. 20. November 1990, IV ZR 113/89, aaO; BGH, Urt. v. 25. März 1992, VIII ZR 74/91, NJW-RR 1992, 1076).
Nach alledem hat das Berufungsurteil mit der gegebenen Begründung keinen Bestand und ist die Sache zwecks weiterer Feststellungen zurückzuverweisen.
Unterschriften
Wenzel, Tropf, Krüger, Lemke, Gaier
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.01.2001 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHR 2001, 362 |
BauR 2001, 845 |
NJOZ 2001, 5 |